Rhein-Neckar. Die Gastronomiebranche ist in schwierigen Zeiten. Viele Betriebe geben auf, auch Insolvenzen werden angezeigt, wie zuletzt etwa in Mannheim das Lindbergh oder das Brauquadrat. Sicher mag es Restaurants oder Bars geben, in denen es gut läuft, aber insgesamt haben die Betriebe einen schweren Stand und stehen vor einer ungewissen Zukunft. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Gastro-Krise:
Täuscht der Eindruck oder haben Insolvenzen im Gastgewerbe zugenommen?
Was man sicher sagen kann: Die Zahl der Betriebsschließungen steigt. Die Gründe dafür sind verschieden: Aufgabe aus Altersgründen, wegen fehlender Nachfolge, schwieriger Suche nach Personal oder auch Zahlungsunfähigkeit. Das Statistische Bundesamt hat aktuell Zahlen zu Insolvenzen vorgelegt. Dabei stand im Mai dieses Jahres das Gastgewerbe mit neun Insolvenzen je 10.000 Unternehmen an dritter Stelle hinter Verkehr und Lagerei und dem Baugewerbe.
Wie ist die Situation in der Region und im Land?
„Der Branche geht es noch viel schlechter, als die Statistik das abbildet“, sagt Melanie von Görtz, Geschäftsführerin der Geschäftsstelle Heidelberg beim Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg (Dehoga). Insolvenzen spielten in der Gastronomie zahlenmäßig aber eine untergeordnete Rolle bei der Betriebsbeendigung. „Die meisten Gastronomen, die ihren Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen schließen, machen einfach zu, verbunden mit einer Gewerbeabmeldung.“ Seit Ende letzten Jahres berate sie Mitglieder verstärkt zu Betriebsaufgaben.
Und wie drückt sich das in Zahlen aus?
Im vergangenen Jahr seien im Land 154 Insolvenzverfahren im Gastgewerbe eröffnet worden. Zur Einordnung: Die gastgewerbliche Branche in Baden-Württemberg zähle aber mehr als 27.000 Betriebe. Es habe 2024 rund 6500 Gewerbe-Abmeldungen, allerdings auch rund 7000 Anmeldungen im Gastgewerbe gegeben. „Unzweifelhaft richtig ist jedoch der Eindruck, dass es der Gastronomie wirtschaftlich nicht gut geht“, erklärt von Görtz. Der Umsatz der Gastronomie im Land sei nach Berechnungen des Statistischen Landesamts in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres inflationsbereinigt um 5,5 Prozent gesunken, in der Speisegastronomie um sechs Prozent. In diesen Zahlen sei der verregnete Juli noch nicht berücksichtigt. Der Abwärtstrend aus dem Vorjahr setzt sich also fort. 2024 betrugen die Umsatzeinbußen 5,6 Prozent, bei der Speisegastronomie sieben Prozent.
Was macht den gastronomischen Betrieben am meisten zu schaffen?
„Die Kosten sind um etwa 30 Prozent gestiegen, Umsatz und Ertrag aber nicht annähernd so stark“, sagt von Görtz. Sie nennt massiv gestiegene Kosten bei Personal, Waren und Energie sowie die Auswirkungen der 2024 erfolgten Anhebung der Gastro-Mehrwertsteuer auf Speisen von sieben auf 19 Prozent. „Die dadurch unvermeidlich gewordenen Preiserhöhungen haben sich wie erwartet bremsend auf die ohnehin verhaltene Gästenachfrage ausgewirkt.“ Auch die Pandemie ist noch nicht aufgearbeitet, viele Betriebe müssen Corona-Hilfen zurückzahlen - was einigen das Genick breche.
Welchen Einfluss haben die gestiegenen Preise auf das Kundenverhalten?
Laut Statistischem Bundesamt hat sich der Verzehr einer Hauptspeise im Restaurant – im Vergleich zu 2020 – um gut ein Drittel verteuert, bei alkoholischen Getränken sind es im Schnitt 28 Prozent. Und im Fastfood-Restaurant sind die Preise laut Statistischem Bundesamt sogar um 37 Prozent gestiegen. Offensichtlich führen diese höheren Preise dazu, dass die Deutschen seltener ins Restaurant gehen. In einer YouGov-Umfrage vom Frühjahr gibt mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) an, Restaurant- und Cafébesuche in den letzten zwölf Monaten reduziert zu haben. Hauptgrund sind laut der Umfrage für zwei Drittel der Befragten: die höheren Preise.
Drohen dem Gastgewerbe weitere Kosten?
Ja. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat den Entgelttarifvertrag fristgerecht zum 31. Dezember 2025 gekündigt. In der laufenden Tarifrunde fordert die NGG für alle Mitglieder im Hotel- und Gaststättengewerbe in Baden-Württemberg unter anderem neun Prozent mehr Gehalt, 200 Euro mehr für Auszubildende und Gespräche über Zuschläge bei Wochenendarbeit. Von Görtz ist bewusst, dass man auf dem Arbeitsmarkt attraktive Bedingungen bieten müsse, um Personal zu halten und zu bekommen. „Das führt zu weiteren Kosten, aber die Gäste sind nicht bereit, noch höhere Preise zu bezahlen.“ Viele Einkommen seien nicht im Gleichschritt mit der Inflation gestiegen.
Es ist ein sehr schwieriges Umfeld für die klassische Gastronomie
Gibt es andererseits Hoffnungsschimmer, die die Lage verbessern könnten?
Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die schon Erleichterung in der Branche auslösen. Etwa, dass in Mannheim vorerst keine Verpackungssteuer eingeführt wird. „Das ist ein positives Signal, weil es bedeutet, dass nicht noch mehr Bürokratie und zusätzliche Kosten auf die Betriebe zukommen“, erklärt von Görtz. Ein größerer Effekt sei zu erwarten, wenn die Bundesregierung, wie geplant, zum Jahreswechsel den Mehrwertsteuersatz wieder von 19 auf sieben Prozent senkt. „Das könnte etwas den Druck nehmen“, sagt von Görtz, „aber nur denjenigen, die bis dahin überhaupt durchhalten.“
Wird essen gehen wieder günstiger, wenn die Mehrwertsteuer gesenkt wird?
Darauf sollten Restaurantgäste nicht hoffen. „Man sollte keine Preissenkungen erwarten“, sagt die Dehoga-Geschäftsführerin. „Es ist ein sehr schwieriges Umfeld für die klassische Gastronomie.“ Die Politik müsse Entscheidungen treffen, die dazu führten, dass die Menschen wieder bereit seien, mehr Geld auszugeben. „Davon würden auch wir profitieren.“
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