Mannheim. Erst OCEANSAPART, jetzt Femtis: Innerhalb weniger Monate hat das Mannheimer E-Commerce-Unternehmen SNOCKS zwei kriselnde Firmen übernommen. Co-CEO Rehan Choudhry erklärt im Interview, was SNOCKS damit vorhat.
Herr Choudhry, SNOCKS ist in den letzten Jahren organisch stark gewachsen. Jetzt wollen Sie das Unternehmen durch Zukäufe zum „House of brands“ ausbauen. Was steckt hinter der Strategie?
Rehan Choudhry: Unser Fokus liegt auf Marken, die schon eine gewisse Stellung im Markt haben: also solche mit guten Produkten, die aber in der Vergangenheit vielleicht durch falsches Management in Schieflage geraten sind. Viele Unternehmen im E-Commerce haben Schwierigkeiten, weil sich das Geschäft nach Corona verändert hat. Der stationäre Handel ist zurück, dazu kommen Anbieter wie Shein und Temu mit sehr viel Marketing und Volume Traffic. Gerade kleinere Unternehmen, die ihre Strategie nicht angepasst haben, geraten stark unter Druck. Da sehen wir für uns großes Potenzial: Wir haben das operative Know-how, um solche Marken gut aufzustellen. Und wir haben ein starkes Finanzpolster, das uns erlaubt, Zukäufe aus dem operativen Cashflow zu stemmen.
SNOCKS wäre allerdings auch nicht das erste Unternehmen, das sich mit einem schnell zusammengekauften Marken-Samelsurium verzettelt und am Ende selbst Probleme bekommt …
Choudhry: Natürlich gibt es Risiken, wir kennen bei den zugekauften Marken ja auch nie 100 Prozent der Historie. Und eine Übernahme in der Größenordnung OCEANSAPART, das 20 bis 30 Millionen Euro Jahresumsatz macht, stemmen wir vielleicht auch nur ein Mal im Jahr. Femtis wiederum ist mit etwa zwei Millionen Umsatz deutlich kleiner. Das Risiko ist deshalb sehr überschaubar.
Außerdem haben wir Femtis zwar aus der vorläufigen Insolvenz übernommen, der Grund für die Schieflage war aber eine Überschuldung, die nicht abgebaut werden konnte. Operativ ist das Unternehmen gesund. Trotzdem kommt nach den zwei Übernahmen für uns jetzt eine Stabilisierungsphase, in der wir das alles operativ glattziehen. Wir sprechen aber weiter mit anderen Marken und halten die Augen offen.
Was für Marken passen denn potenziell noch zu Ihrem „Haus der Marken“?
Choudhry: Wir wollen Produkte, die unser Portfolio ergänzen. Mit SNOCKS sind wir sehr stark in Boxershorts, Socken, Damen- und Herrenunterwäsche. Aber wir sehen noch superviele Nischen, die großes Marktpotenzial haben: Zum Beispiel das Segment Periodenunterwäsche, das wir jetzt mit Femtis abdecken. Gleichzeitig schauen wir nach Akquisitionen, mit denen wir unsere Internationalisierung vorantreiben können. OCEANSAPART, die wir im November gekauft haben, hatte zum Beispiel schon einen großen Umsatzanteil in anderen Ländern. Das erleichtert uns den Markteintritt für die ganze Gruppe.
Rund 140 Menschen arbeiten inzwischen für SNOCKS
Rehan Choudhry steht gemeinsam mit Johannes Kliesch an der Spitze von SNOCKS. Das Mannheimer E-Commerce-Unternehmen, das vor allem Socken und Unterwäsche anbietet, hat aktuell rund 140 Mitarbeitende .
Zum 1. April hat SNOCKS Femtis übernommen , einen Anbieter von Periodenunterwäsche. Femtis hatte zuvor einen Insolvenzantrag gestellt. Zwei Mitarbeitende haben die Mannheimer von Femtis mit übernommen.
Im November 2024 hatte SNOCKS bereits die insolvente Activewear-Marke OCEANSAPART gekauft.
Ihr Co-CEO Johannes Kliesch hat neulich mitgeteilt, dass Sie bei OCEANSAPART beim Umsatz zehn Millionen Euro unter dem Jahresplan liegen. Wie läuft denn das Geschäft bei SNOCKS?
Choudhry: Wir sind sehr zufrieden. Wir haben letztes Jahr bei SNOCKS knapp 84 Millionen Euro Umsatz gemacht, 2025 knacken wir die 100-Millionen-Euro-Marke. Klar gibt es ein paar Herausforderungen, die ganzen geopolitischen Themen, der Zollstreit mit den USA. Das hat zur Folge, dass Anbieter wie Temu oder Shein nun noch stärker in den deutschen und europäischen Markt drängen. Vor allem im April haben wir das stark gemerkt. Trotzdem sind wir mit SNOCKS beim Umsatz seit Jahresanfang um 40 Prozent gewachsen, auch weil wir bei der Internationalisierung vorankommen.
Nicht zuletzt durch die Übernahmen wächst die Belegschaft, gleichzeitig gibt es bei SNOCKS keinen Officezwang. Wie kann man neue Mitarbeitende integrieren, wenn kaum jemand im Büro ist?
Choudhry: Es ist falsch zu glauben, dass bei uns die Büros leer sind, nur weil wir keine Office-Pflicht haben. Im Gegenteil: Viele unsere Mitarbeitenden kommen sehr regelmäßig, manche sind jeden Tag da. Gerade die Jüngeren suchen den sozialen Kontakt und wollen nicht alleine zu Hause vor dem Laptop sitzen. In Mannheim haben wir uns deshalb vor kurzem noch einmal weitere Flächen im selben Gebäude gesichert, die wir gerade einrichten. Auch in Berlin und Hamburg haben wir ein Office. Insgesamt kommen wir sicher auf rund 1600 Quadratmeter Bürofläche.
Andere Firmen scheinen teils deutlich mehr Mühe zu haben, ihre Beschäftigten ins Büro zu bekommen. Was machen Sie anders?
Choudhry: Ich glaube, es kommt auf die Firmenkultur an. Johannes und ich glauben sehr stark daran, dass man eine gewisse Art von Freiheit braucht, um wirklich gute Leistung bringen zu können. Wir als CEO wollen selbst auch von überall aus arbeiten können, wir funktionieren dann einfach besser für das Unternehmen. Deshalb sagen wir ganz klar: Wir werden niemals einen Office-Zwang einführen. Gleichzeitig muss man als Firma viele Angebote machen, damit die Mitarbeitenden zusammenkommen können.
Zum Beispiel?
Choudhry: In Mannheim haben wir zum Beispiel unseren wöchentlichen „Tasty Tuesday“, da wird mittags für das ganze Team lecker gekocht und wir essen gemeinsam. Außerdem hat jedes Team ein eigenes Budget von monatlich etwa 60 Euro pro Person, um gemeinsam etwas zu unternehmen, zusammen essen zu gehen, einen Escape Room zu besuchen oder was auch immer. Die Teams können das Geld auch bis zu drei Monate ansparen für ein etwas größeres Event: Neulich hat eine Gruppe zum Beispiel eine Alpaka-Wanderung gemacht. So stärkt man die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander – und dann kommt man auch gerne regelmäßig ins Büro.
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