Das Wichtigste in Kürze
- Scharpwinkel sieht trotz Sparprogramm positive Perspektiven für das Stammwerk. - Investitionen in grüne Technologien sind geplant oder schon in Betrieb. - Der Standort soll profitabler werden. - Scharpwinkel betont die Bedeutung der Vielfalt.
Ludwigshafen. Frau Scharpwinkel, haben Sie als Standortleiterin nach all den Hiobsbotschaften der vergangenen Monate auch ein paar gute Nachrichten für das BASF-Werk in Ludwigshafen?
Katja Scharpwinkel: Wir versuchen immer zu balancieren zwischen den kurzfristigen und den langfristigen Perspektiven für das Werk. Und ganz klar, kurzfristig stehen Kostensparprogramme, strukturelle Änderungen und auch Stellenwegfall im Fokus. Aber wir hatten gerade erst eine große Veranstaltung am Standort und haben dort den langfristigen Perspektiven, dem Zukunftsbild für Ludwigshafen, viel Zeit gewidmet. Wir als Vorstand haben nicht nur ein Bekenntnis zum Standort abgegeben, sondern haben auch einen klaren Plan, wie wir ihn entwickeln wollen.
Und was ist daran die gute Nachricht?
Scharpwinkel: Der Standort ist noch nicht profitabel, aber der Trend ist positiv. Wenn Sie sich den Verbund der Zukunft in Ludwigshafen anschauen, dann werden Sie ganz viele von den bestehenden Anlagen wiederfinden. Wir haben ja gesagt, dass rund 20 Prozent der Anlagen hier im Werk ein Risiko haben, das heißt jedoch nicht, dass wir die auch alle schließen werden. Umgekehrt sind 80 Prozent der Anlagen im Kern wettbewerbsfähig, ein sehr hoher Wert. Und dann wird es auch Ergänzungen geben. Wir investieren jetzt schon in neue Kapazitäten. Dafür nehmen wir richtig viel Geld in die Hand.
Haben Sie da Beispiele?
Scharpwinkel: Eine ganze Reihe! Wir investieren zum Beispiel in die Erweiterung der Produktionskapazität von Dämmmaterialien und in einen Biohub, in dem durch Biotechnologie Pflanzenschutzmittel hergestellt werden. Wir bauen ein neues Gefahrenabwehrzentrum hier im Werk, in das Kolleginnen und Kollegen der Werkfeuerwehr, Umweltüberwachung und Standortsicherheit umziehen werden. Und natürlich investieren wir in die grüne Transformation. Gerade haben wir den Wasserelektrolyseur zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Betrieb genommen. Oder denken Sie an die Wärmepumpe für den Steamcracker. Auch in die Infrastruktur für CO2-Speicherung wollen wir investieren. Da ist einiges geplant hier am Standort. Wir wollen, dass alle wissen: Es lohnt sich, zu kämpfen für den Standort! Er hat eine sehr positive Perspektive. Und wir sind überzeugt, dass der Verbund die Stärken in dieser grünen Transformation voll ausspielen wird.
Warum hilft da der Verbund, also die enge Vernetzung von Produktionsanlagen und Infrastruktur im Werk?
Scharpwinkel: Der Verbund gibt uns die Möglichkeit, sehr flexibel auf den Markt zu reagieren. Die Nachfrage unserer Kunden nach nachhaltigen Produkten steigt mal schneller, mal weniger schnell. Und je nach Nachfrage können wir mehr oder weniger erneuerbare oder recycelte Rohstoffe einspeisen. So können wir steuern, wie viele nachhaltige Produkte wir produzieren.
Genau die grüne Transformation kommt gerade ins Stocken. Trump hat sich komplett von Klimaschutz abgewandt, die EU weicht den Green Deal auf. Droht die Gefahr, dass so schöne Pilotprojekte wie der Wasserelektrolyseur nicht über das Probe-Stadium hinauskommen? Die BASF will ja bei Investitionen sparen.
Scharpwinkel: Das sehen wir gar nicht so. Wir halten an unseren Ambitionen fest, wir wollen bis 2050 klimaneutral werden. Wir sehen auch kein Aufweichen des Green Deal in Europa. Der Clean Industrial Deal ist eine dringend notwendige Ergänzung zum Green Deal. Was jetzt in der EU beschlossen wird, macht die Umsetzung in der Industrie überhaupt erst möglich. Aber wir steuern die Transformation jetzt mehr marktorientiert. Dabei ist die flexible Nutzung des Verbunds in Ludwigshafen eine klare Stärke. Wir müssen eben nicht jetzt in neue große Anlagen investieren, sondern können die bestehenden genau dafür nutzen.
Der Konzern hat gerade seine Anteile an dem Windpark Nordlicht in der Nordsee an Vattenfall zurückgegeben, der ja Ludwigshafen mit grünem Strom versorgen soll. Ist das auch ein Zeichen, dass die grüne Transformation langsamer vonstatten geht?
Schwarpwinkel: Nein. Die Versorgung Ludwigshafens mit Windstrom haben wir sichergestellt durch entsprechende Vereinbarungen mit Vattenfall. Wir haben uns nur entschieden, weniger Kapital zu binden. In unserer neuen Strategie haben wir ja auch kommuniziert, dass wir es disziplinierter einsetzen wollen. Und wir haben auch gesehen, dass sich die Prognose geändert hat, wann wir wie viel erneuerbare Energie brauchen.
Noch einmal zu den kurzfristigen Perspektiven. Haben Sie schon weitere Anlagen von den rund 20 Prozent mit Risiko identifiziert, die geschlossen werden?
Scharpwinkel: Wir haben ja Ende August des vergangenen Jahres schon weitere Anlagenschließungen bekanntgegeben, die CDon und die CPon-Anlage, die Adipinsäure-Produktion. Das waren schon wichtige Beiträge. Wir schauen jetzt Anlage für Anlage, Produktionslinie für Produktionslinie an. Das betrifft alle Anlagen mit Risiko. Und dann können wir entweder Maßnahmen treffen, um diese wieder wettbewerbsfähig zu machen – oder man kommt zum Ergebnis, dass man sie schließen muss. Bis dato gibt es dazu keine weiteren Entscheidungen.
Und wie ist der Stand der Kostensparprogramme? Allein das Werk Ludwigshafen muss neben anderen Sparvorgaben eine Milliarde Euro einsparen.
Scharpwinkel: Wir schauen uns alles an: Nicht nur die Produktion, sondern auch Service- und Verwaltungsbereiche – überall gibt es bereits Projekte und Maßnahmen. All das wird zu dieser einen Milliarde Euro speziell für Ludwigshafen beitragen. Ein aktuelles Beispiel: Wir werden die Prozesse unserer Instandhaltung optimieren.
Neben viel Unsicherheit sehen wir ganz viel Kreativität und den Willen, den Standort wieder nach vorne zu bringen
Sie haben auch klar gesagt, dass die Einsparungen nicht ohne Stellenstreichungen möglich sind. Es gibt Schätzungen, dass 5000 bis 6000 Stellen auf der Kippe stehen. Ist das eine realistische Größenordnung?
Scharpwinkel: Wir haben für dieses Sparprogramm keine Zielzahl in Summe, die Stelleneinsparungen leiten sich aus den Projekten ab. Und wir wollen möglichst viele Kolleginnen und Kollegen in den Veränderungsprozess einbinden. Neben viel Unsicherheit sehen wir ganz viel Kreativität und den Willen, den Standort wieder nach vorne zu bringen.
Solange nicht klar ist, wie viele Arbeitsplätze gestrichen werden, bleibt aber viel Unsicherheit in der Belegschaft. Wie sehen Sie Ihre Rolle als Arbeitsdirektorin und Standortleiterin?
Schwarpwinkel: Es wäre unehrlich zu sagen, wir hätten hier keine Unsicherheit. Natürlich ist die im Moment groß. Jeder will wissen: Was bedeuten die Sparprogramme für mich? Deshalb ist es unsere Verantwortung, so schnell wie möglich zu entscheiden. Wir versuchen, so früh und so klar wie möglich zu kommunizieren. Wir erklären die kurzfristigen Maßnahmen, aber auch, dass es diese langfristige Perspektive gibt – und dass wir fest an den Standort Ludwigshafen glauben. Auch das Zuhören darf nicht zu kurz kommen und die Offenheit, mal unangenehmes Feedback anzunehmen.
2024 hat sich die Zahl der Mitarbeitenden bei BASF SE um gut 800 auf 33.370 verringert. Sind Sie damit zufrieden?
Scharpwinkel: Auch das ist ein Trend in die richtige Richtung. Und wie Sie sehen, ist das relativ geräuschlos abgelaufen. Wir haben wirklich gute Möglichkeiten, den Stellenabbau zu gestalten. Wir haben eine Vermittlung innerhalb des Werks und der Gruppe, bieten Weiterbildungen an. Wir werden in den kommenden Jahren jährlich circa tausend Renteneintritte haben. Wenn wir weniger von extern einstellen, ist das schon mal ein großer Hebel. Da wir aber perspektivisch weniger Arbeitsplätze am Standort haben werden, nutzen wir auch Aufhebungsprogramme. Daran gibt es durchaus Interesse.
Die Standortvereinbarung schützt die Belegschaft vor betriebsbedingten Kündigungen. Aktuell laufen die Verhandlungen mit dem Betriebsrat für eine neue Verhandlung mit dem Betriebsrat. Wie ist der Stand?
Scharpwinkel: Die Verhandlungen laufen seit Ende des Jahres. Ich kann hier keine Wasserstandsmeldung geben. Aber klar ist, dass eine neue Vereinbarung die großen Veränderungen ermöglichen muss, die für den Standort nötig sind.
Es fühlt sich nicht immer gut an, wenn man weiß, dass man da Dinge tut, die für andere große Unsicherheiten bedeuten
Unsicherheit und Sorge um den Arbeitsplatz haben Sie persönlich erlebt. Sie haben zuvor bei Cognis gearbeitet, das 2010 von BASF übernommen wurde.
Scharpwinkel: Das stimmt, ich hatte selbst eine längere Phase der Unsicherheit durchlebt, bevor ich zur BASF gewechselt bin. Tatsächlich habe ich noch gut in Erinnerung, wie sich das angefühlt hat. Das war nicht schön. Natürlich fragt man sich, wenn man jetzt selbst solche Veränderungsprozesse treibt und auf der anderen Seite sitzt: Was kann ich jetzt besser machen? Und da ist eben wichtig, die Phase der Unsicherheit so kurz wie eben möglich zu halten und transparent über die nächsten Schritte zu kommunizieren. Aber es fühlt sich nicht immer gut an, wenn man weiß, dass man da Dinge tut, die für andere große Unsicherheiten bedeuten.
Wie wirkt sich der überraschende Abschied des langjährigen Werkleiters Uwe Liebelt aus? Bringt das nicht neue Unsicherheit?
Scharpwinkel: Uwe Liebelt hat hier über eine sehr lange Zeit einen sehr guten Job als Werkleiter gemacht. Wir haben jetzt früh kommuniziert, dass er geht und einen sehr guten Nachfolger mit Helmut Winterling ernannt. Die beiden haben jetzt die Gelegenheit, eine gute und strukturierte Übergabe zu machen. Damit stellen wir Stabilität am Standort sicher.
BASF baut die Demokratieförderung mit Projekten im Werk Ludwigshafen, aber auch in Schulen oder Vereinen aus. Warum tut ein Unternehmen das?
Scharpwinkel: Die jüngsten Wahlen in Europa und Deutschland waren ein Anlass, darüber nachzudenken, was die Vorteile einer Demokratie sind. Mit Demokratie verbinden wir gleichzeitig Vielfalt, eine offene Gesellschaft – und natürlich stehen wir als internationales Unternehmen genau dafür. Hier am Standort Ludwigshafen arbeiten Menschen aus 80 Ländern. Wenn die hier nicht wären, dann würden viele Anlagen stillstehen.
Katja Scharpwinkel
Katja Scharpwinkel gehört dem BASF-Vorstand seit 1. Februar 2024 an. Sie ist Arbeitsdirektorin und Standortleiterin für das Werk Ludwigshafen . Davor hat sie den Bereich Europa, Naher Osten, Afrika verantwortet.
Scharpwinkel wurde 1969 geboren. Die verheiratete Mutter einer erwachsenen Tochter stammt aus dem Ruhrgebiet und ist leidenschaftliche Anhängerin von Borussia Dortmund . Sie lebt mit ihrer Familie in der Rhein-Neckar-Region.
Die promovierte Chemikerin kam 2010 im Zuge des Erwerbs der damaligen Cognis zu BASF.
Als Hobbys nennt Scharpwinkel Skifahren, Laufen und Lesen .
Der Druck der Trump-Regierung auch auf europäische Unternehmen wächst, ihre Diversity-Ziele und -Programme einzustellen. Wie reagieren Sie darauf? Und haben Sie schon ein entsprechendes Schreiben aus den USA bekommen?
Scharpwinkel: Nein, aber wir beobachten die Entwicklung, und das Thema bewegt uns. Vielfalt wertzuschätzen und zu fördern, ist in unseren Unternehmenswerten verankert. Wir glauben an Vielfalt und daran, dass vielfältige Teams zu besseren Lösungen führen. BASF arbeitet aktiv daran, ein einbeziehendes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich unsere Teams mit Respekt, Vertrauen und Wertschätzung begegnen.
Sie sind jetzt gut ein Jahr Vorstandsmitglied und Standortleiterin – was waren denn Ihre wichtigsten Learnings?
Scharpwinkel: Die kriegen Sie nicht auf eine DIN A4-Seite! Ich habe schon viel in meinem Leben gelernt, aber das vergangene Jahr war sicher eines der intensivsten. Es war an vielen Stellen herausfordernd über das übliche Einarbeiten hinaus: das Strukturprogramm am Standort, die neue Strategie für den Konzern. Auf der anderen Seite hat man selten die Möglichkeit, so eine Umbruchphase aktiv mitzugestalten. Das hat mir auch viel Energie gegeben. Woran man sich ein bisschen gewöhnen muss in dieser Rolle: Man ist viel mehr auf dem Radar.
Wie kompensieren Sie die Stressfaktoren ganz persönlich?
Scharpwinkel: Ich achte sehr auf mentale Pausen, mir Zeiten zu schaffen, um den Fokus auf etwas ganz Anderes zu legen. Sei es sich mit Freunden zu treffen, ein Buch zu lesen oder Sport zu machen. Dazu muss man sich manchmal regelrecht zwingen, wenn der Druck so groß ist. Ich gehe fast jeden Tag laufen, das hilft mir schon. Und ich habe mit der Zeit gelernt zu unterscheiden, was mir Sorgen macht, ich aber gar nicht beeinflussen kann, und was ich beeinflussen oder sogar steuern kann. Darauf fokussiere ich mich.
Haben Sie als Standortleiterin eigentlich einen Lieblingsplatz in diesem riesigen Werk?
Scharpwinkel: Da ich gerne esse, würde ich sagen, die Kantine in D105. Jeder Tag mit Mittagspause ist ein guter Tag. Das schaffe ich nicht immer. Die BASF hat eine ausgeprägte Mittagspausenkultur. Die Mipa ist heilig hier, man verabredet sich, geht noch einen Kaffee trinken – das ist fast wie ein Netzwerkevent.
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