„Keine Fraktion hat zur Lösung der Krise beigetragen“ (BA vom 26. Januar):
Ich kann dem Autoren des Leserbriefs bestätigen, dass die Fehlbuchung im Lautertaler Haushalt in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro plötzlich aufgetaucht ist, weswegen der Bürgermeister, der Leiter der Finanzabteilung und Fraktionsmitglieder aller Parteien 2017 in das Innenministerium einbestellt wurden. Diese Fehlbuchung war aber nur die Spitze des Eisberges.
Die nur einseitig vorgenommene Buchung hat lediglich zu einer Fehlinterpretation geführt, mehr nicht. Es wurde dadurch kein Geld vernichtet, da nur die Gegenbuchung fehlte. Auch die weit später vom Revisionsamt geführten Beanstandungen der Jahresabschlüsse, dass Belege fehlten oder falsche Konten angesprochen wurden, waren nicht Ursache des kollektiven Versagens.
Ich stimme auch zu, dass man Beamte bei wirtschaftlichen Verfehlungen wie einen privaten Kaufmann oder Geschäftsführer einer GmbH haft- und strafrechtlich verfolgen sollte. Das gilt bei Beamten aber nur für strafrechtliche Handlungen, zum Beispiel Unterschlagung, nicht aber bei Missmanagement und Unfähigkeit. Und ich gehe noch einen Schritt weiter, was die Besoldung von Beamten angeht: Hier sollten wie in der freien Wirtschaft Leistungsparameter greifen. Die Gemeindevertretung gibt zum Beispiel dem Verwaltungschef einen Aufgabenplan, der zuvor von ihr beschlossen wurde. Werden diese Aufgaben nicht erfüllt, gibt es nur den geringeren Grundsold, bei Leistungserfüllung aber eine hohe Bonifikation, die über den Sold hinaus zusätzlich gezahlt wird. Das könnte eine gewisse Motivation auslösen, ist aber nicht realistisch.
Der damalige Bürgermeister war gern anderweitig beschäftigt. Sein Leiter der Finanzabteilung, hatte trotz einer Ausbildung auf die neue Buchungsmethodik der Doppik (doppelte Buchhaltung) diese Methodik nicht angewendet. Diese Weigerung blieb bis zuletzt, ohne missbilligt zu werden, und erfuhr unverständlicherweise keine disziplinarischen Konsequenzen durch den Bürgermeister.
Budgets auf Schätzgröße
In der Folge wurden ab 2010 keine Jahresabschlüsse mehr erstellt und die Finanzpolitik der Gemeinde Lautertal war komplett orientierungslos. Da keinerlei Abschlusszahlen als Basis für neue Budgets vorlagen, wurden die folgenden Haushaltspläne mit Schätzgrößen vorgelegt. Der damaligen Gemeindevertretung – dominiert von SPD und Grünen –, deren Mitglied auch der Leserbrief-Schreiber war, ist diese Tatsache nicht aufgefallen. Man hatte Budgets auf Schätzgröße genehmigt, ohne dass überhaupt die viel wichtigere Aufgabe der Kontrollfunktion auf Einhaltung der Budgets durchgeführt werden konnte.
So war es zum Beispiel in diesem Zeitraum auch niemandem aufgefallen, dass der Bürgermeister zulasten der Gemeinde Kontoüberziehungen vorgenommen hatte, die nach der Hessischen Gemeindeordnung zuvor von der Gemeindevertretung in einem Nachtragshaushalt hätten genehmigt werden müssen.
Bei der Kommunalwahl 2016 wurde die Lautertaler Bürgerliste als stärkste Fraktion in die Gemeindevertretung gewählt. Gemeinsam mit der CDU wurde sofort nach besseren Lösungen gesucht und die Firma Eckermann und Krauß als kommunaler Finanzberater und Buchungsspezialist ins Rathaus gebracht. Bürgermeister Andreas Heun war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht im Gespräch und völlig unbekannt.
Bereits wenige Tage nach Amtsantritt der LBL wurde die Einsichtnahme der Haushaltspläne der der vergangenen Jahre vorgenommen. Dadurch erkannte die LBL schon sehr früh, dass keine Jahresabschlüsse vorlagen, die Haushaltszahlen der Vorjahre immer wieder in folgenden Haushaltsplänen verändert worden waren und dass die Gemeinde rechnerisch mit rund zwölf Millionen Euro Schulden massiv belastet war.
Die vorherige verantwortliche Konstellation in der Gemeindevertretung – SPD und Grüne – hat sehenden Auges die Finanzen der Gemeinde Lautertal förmlich vor die Wand gefahren. Der Blick auf die Wahrheit der Vergangenheit scheint in dem Leserbrief mit Erinnerungslücken behaftet zu sein. Die Wahrheit des Schreibers kommt zu der Erkenntnis, dass „keine der Fraktionen in nächtelanger, ehrenamtlicher Arbeit zur Lösung der Krise beigetragen haben sollen“. Diese Erkenntnis ist teilweise sehr richtig. Die Grünen-Fraktion und SPD haben zur Lösung wirklich nichts beigetragen, das ist wahr; sondern waren eher jahrelang ein Teil des Problems.
Martin Grzebellus
Reichenbach