Mannheim. Wer ihn arbeiten, austeilen und einstecken sieht – und dann noch seine Vorgeschichte kennt, dem muss das Herz aufgehen, wenn er Halil Jaganjac auf dem Feld sieht. Das kroatische Kraftpaket ist zweifelsohne der emotionale Anführer der Rhein-Neckar Löwen, nachdem er mehr als zwei Jahre lang wegen einer schwerwiegenden Schulterverletzung gar kein Handball spielen konnte. Das Karriereende drohte, doch der 27-Jährige kämpfte sich zurück, feierte Ende 2024 sein Comeback und ist seitdem fester Bestandteil der Löwen-Abwehr.
Wenn man so will, begann an jenem Winterabend die zweite Handball-Karriere des Halil Jaganjac. Es ist eine Laufbahn, die sich zu einem Großteil auf die Arbeit in der Deckung beschränkt. Doch wer auch die erste Karriere dieses tadellosen Sportsmannes kennt, hofft und fragt gleichzeitig: Geht es für den Kroaten noch einmal zurück in seine erste Karriere? Wird der Musterprofi also wieder der Spieler mit dem Rundum-sorglos-Paket sein, der hinten unerschrocken aufräumt und vorne unnachahmlich den Weg in Richtung des gegnerischen Tores sucht? Wohlgemerkt beides auf Weltklasse-Niveau. Die vorläufige – und damit auf keinen Fall finale – Antwort auf diese Fragen liefert Trainer Maik Machulla.
Nach Verletzung: Schulter von Halil Jaganjac geht es besser
„Ich hatte ein gutes Gespräch mit ihm und finde, dass er im Moment das Optimum aus sich herausholt. Halil legt seinen Fokus jetzt erst einmal auf die Abwehr und akzeptiert diese Rolle. Er möchte der Mannschaft helfen und sagt sich: ,Wenn ich gerade nicht im Angriff spielen kann, will ich eben der beste Abwehrspieler der Welt werden.‘ Seine Einstellung ist herausragend“, lobt der Trainer und legt gleichzeitig fest, wo er Jaganjac künftig sieht: in der eigenen und nicht in der gegnerischen Spielhälfte. Wenngleich gelegentliche Ausflüge über die Mittellinie nicht nur erlaubt, sondern auch ausdrücklich erwünscht sind.
„Halil ist in jedem Training auch im Angriff dabei und wirft aufs Tor. Ich habe auch keine Bauchschmerzen, wenn er in der zweiten Welle nach vorne läuft. Aber im Moment ist Halil noch keine echte Option für den Angriff“, beschreibt der Trainer klar und deutlich den aktuellen Status. Nichtsdestotrotz hofft er natürlich, dass Jaganjac „mit der Zeit immer mehr Vertrauen in die Schulter findet und wieder der Spieler wird, der er vor der Verletzung war“.
Doch ist das wirklich möglich? „Es geht mir besser. Ich habe mich wahrscheinlich auch ein bisschen daran gewöhnt, mit dieser Schulter zu leben. Aber wenn ich das mit der vergangenen Saison vergleiche, spüre ich wirklich kleine Fortschritte“, sagt Jaganjac, der genau weiß, dass er nur knapp an der Sportinvalidität vorbeigeschrammt ist: „Es war eine sehr schwere Verletzung. Jede Struktur in der Schulter wurde operier. Es gab mehrere Eingriffe. Aber ich kann werfen. Vielleicht ist es nicht mehr solch eine Waffe wie vorher aus zehn Metern, aber so ist das Leben. Ich nehme mein Schicksal an und will das Beste daraus machen.“
Keine Frage: Jaganjac hadert nicht, sondern spürt nach seinem aufopferungsvollen, heroischen Kampf ums Comeback eher Dankbarkeit, überhaupt noch in der Bundesliga auf dem Feld stehen zu können. Weshalb die Formulierung, er habe sich mit der Situation arrangiert, auf keinen Fall zutreffend wäre. Denn so ist es nicht. Der Kroate ist glücklich – auch wenn er zu seinem Glück gezwungen wurde.
Jaganjac identifiziert sich mit seiner Aufgabe bei Rhein-Neckar Löwen
„Es kommt immer darauf an, was man in seinem Kopf hat und was man sich vorstellt. Mein Ziel als Handballer war es immer, meine Mannschaft besser zu machen. Und wenn das bedeutet, dass ich nur in der Abwehr spiele, dann mache ich das zu 100 Prozent. Mit voller Energie, totalem Fokus und ganzem Herzen“, unterstreicht Jaganjac seinen Standpunkt.
Allein schon sein bemerkenswerter und tapferer Umgang mit der Verletzung und den daraus resultierenden Folgen macht ihn zu einem Vorbild, was er auf dem Feld dann auch noch verkörpert. Der 27-Jährige kämpft verbissen um jeden Zentimeter, stürzt sich kompromisslos in die Zweikämpfe und feiert gelungene Abwehraktionen wie ein eigenes Tor. Das mögen die Fans – und es beeindruckt die Mitspieler.
Robert Timmermeister schaut zu seinem Nebenmann auf
Der fünf Jahre jüngere Robert Timmermeister verteidigt seit ein paar Wochen gemeinsam mit Jaganjac im Innenblock. Und auch wenn der Youngster zwei Zentimeter größer als der Kroate ist, schaut er doch zu ihm auf. „Halil ist ein Kämpfer, er gibt keinen Ball verloren. Manchmal bekomme ich sogar als Mitspieler Angst vor ihm“, scherzt Timmermeister, der in den vergangenen zwei Spielzeiten erst an den dänischen Club KIF Kolding und dann an den Zweitligisten HBW Balingen-Weilstetten ausgeliehen war. Nun möchte er sich bei den Löwen durchsetzen – und Jaganjac soll, will und wird ihm dabei helfen.
„Robert ist ein toller Junge, er hat sehr große Fortschritte gemacht und spielt cleverer“, lobt der Kroate, der seinen jungen Nebenmann aber noch nicht am Ende der Entwicklung sieht. „Natürlich kann er noch besser werden, aber das gilt doch auch für mich.“ Und wenn das von nun an für immer „nur“ in der Abwehr sein sollte – Jaganjac wäre der Letzte, der sich darüber beklagen würde.
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