Bensheim. Erstmal ging das Licht aus in der Weststadthalle, am Ende des ersten Auftritts der HSG Bensheim/Auerbach auf europäischer Bühne in der Vereinsgeschichte strahlte die Arena im Berliner Ring in hellem Glanz angesichts des deutlichen 27:19 (11:11)-Sieges der Flames über den VfL Oldenburg in der dritten Qualifikationsrunde der European League der Europäischen Handballföderation (EHF).
Rote Wand aus "Flammen"
Die Dunkelheit vor dem Anwurf in der Halle war Bestandteil der Einlaufzeremonie am frühen Samstagabend. „Wir wollten bei der europäischen Premiere etwas Besonderes machen“, erklärte Romina Heßler, bei den Flames zuständig für die Spieltagsorganisation. Als die Flames-Spielerinnen zur Team-Vorstellung die unbeleuchtete Halle betraten, leuchteten auf dem Feld Flammenprojektoren auf und die Tribünen wurden von Knicklichtern erhellt, die die HSG-Fans, viele mit einem roten Flames-T-Shirts bekleidet, zum Leuchten brachten. „Das war gigantisch“, schilderte Flames-Kapitänin Lisa Friedberger ihren Blick auf die „Rote Wand“, die von Thomas Stüber – der Hallensprecher der „Eulen“ Ludwigshafen vertrat Bernd Lützkendorf am Hallenmikrofon – zum Anfeuern animiert wurde. Das europäische Debüt der HSG Bensheim lieferte weitere besondere Geschichten.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Dass sie den ersten Treffer auf europäischem Parkett in der Historie der HSG erzielt hatte, hatte Amelie Berger nicht auf dem Schirm. „Das war mir gar nicht richtig bewusst, cool.“ Knapp zwei Minuten waren gespielt, als die Linkshänderin von der rechten Außenposition zum 1:0 traf. Kurze Zeit ließ die Nationalspielerinnen, die bei der anstehenden WM mit der DHB-Auswahl ihr fünftes internationales Turnier bestreitet, ihr zweites Tor an diesem Abend folgen.
Die Rückkehrerin im Tor
Beim Sieg im Bundesliga-Match gegen den VfL in Oldenburg Mitte Oktober erlitt Helen van Beurden nach zuvor überragender Leistung in der Schlussphase einen folgenschweren Kopftreffer. Eine Gehirnerschütterung setzte die 32-jährige Torhüterin knapp drei Wochen außer Gefecht. Erst kurz vor der Auswärtspartie bei der HSG Blomberg/Lippe am vergangenen Mittwoch war van Beurden ins Training zurückgekehrt und feierte ausgerechnete gegen Oldenburg ein überragendes Comeback.
Große Gedanken hat sie sich mit Blick auf ihre Gehirnerschütterung nicht gemacht. Eigentlich. Normalerweise geht sie nach einer Verletzung ohne Angst ins nächste Spiel. Weil Oldenburg wartete, sei es diesmal „schon ein komisches Gefühl“ gewesen. Wie in der Liga hielt van Beurden nun auch in der European League stark gegen Oldenburg und versorgte ihr Team immer wieder mit wichtigen Impulsen. Nach 60 Minuten kam sie auf eine Fangquote von 45 Prozent. Dass sie länger mit dem Training ausgesetzt hatte, machte sich in den Schlussminuten bemerkbar. „Am Ende war ich ein bisschen müde.“
Stefan Kretzschmar hat eigentlich "Hallenverbot"
Die Patellasehne im linken Knie macht Lucie Kretzschmar seit einiger Zeit zu schaffen. Zuletzt war sie in Liga und Pokal nur dosiert zum Einsatz gekommen. Die leichten Tore der 23-Jährige aus der Distanz hatten den Flames gefehlt. Das dick bandagierte Knie der Rückraumschützin schmerzte auch am Samstag. Dennoch war die Rechtshänderin mit zehn Toren (acht davon in der zweiten Halbzeit) beste Werferin ihrer Mannschaft. „Irgendwann spielst du dich in einen Rausch und vergisst die Schmerzen“, erklärte die Spielerin des Spiels ihre Toreflut.
Die grandiose Leistung gelang ihr vor den Augen ihres Vaters Stefan Kretzschmar. Die deutsche Handball-Legende war das erste Mal zu einem Spiel seine Tochter in der Weststadthalle – sehr zur Überraschung von Lucie Kretzschmar. Denn eigentlich hat Stefan (seitens der Tochter) „Hallenverbot“, wenn Lucie spielt. „Ich wusste nicht, dass er kommt.“ Irgendwann während des Spiels hat sie ihren Vater auf der Tribüne entdeckt. Nach der Partie gab es einen kurzen Plausch und eine Verabredung für den nächsten Tag zum Frühstück.
Stefan Kretzschmar war am Sonntag beim Heimspiel der Rhein-Neckar Löwen gegen den THW Kiel als TV-Experte im Einsatz und nutzte tags zuvor die Gelegenheit für einen Abstecher nach Bensheim. „Vielleicht wollte er sich das internationale Debüt seiner Tochter nicht entgehen lassen“, meinte Lucie Kretzschmar zu dem Überraschungsgast.
Die Trainerin gehört zu dem Flames
Nach der Pressekonferenz ergriff Flames-Geschäftsführer Michael Geil das Hallenmikrofon, um Neuigkeiten zu verkünden: Die Vertragsverlängerung mit Heike Ahlgrimm um ein Jahr bis 2025 plus eine Option auf ein weiteres Jahr. „Wir haben in den letzten Jahre viel investiert, es war manchmal auch anstrengend, aber jetzt können wir die Früchte unserer Arbeit ernten und da will ich dabei sein“, erläuterte die 48-Jährige die Beweggründe, ihren Kontrakt in Bensheim zu verlängern. Anfragen von anderen Vereinen habe es übrigens nicht gegeben, bestätigte Heike Ahlgrimm schmunzelnd: „Die wissen alle, das ich hierher zu den Flames nach Bensheim gehöre.“
Acht Tore Vorsprung im Hinspiel sollten den Flames reichen, um in die Gruppenphase der EHF European League einzuziehen. Dass die HSG das Rückspiel in Oldenburg am Sonntag (19.) mit neun Treffern Unterschied verliert und vom VfL noch aus dem Wettbewerb gekegelt wird, scheint kaum vorstellbar – oder doch? Die Spielerinnen und Heike Ahlgrimm warnen, das Match in Oldenburg im Vorfeld abzuhaken. Die Flames-Protagonistinnen verweisen in diesem Zusammenhang auf die Vorsaison in der European League. Damals hatte Borussia Dortmund einen Neun-Tore-Rückstand gegen Nantes gedreht und zog mit einem Sieg mit zehn Toren Unterschied im Rückspiel in die nächste Runde ein.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/sport/lokalsport_artikel,-lokalsport-bergstrasse-flames-handball-europapokal-_arid,2146122.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.bergstraesser-anzeiger.de/vereine_verein,_vereinid,18.html
[2] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html