Region. Bei Gasspeichern denken manche beispielsweise an den großen Gaskessel in Stuttgart unten am Neckar – doch im Vergleich zu den nationalen Speichern, von denen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) derzeit so oft spricht und die im kommenden Winter warme Wohnungen und eine laufende Wirtschaft garantieren sollen, wäre der Kessel viel zu winzig, um nur die geringste Bedeutung zu haben. Im Übrigen ist er gar nicht mehr in Betrieb.
47 solcher nationalen Speicher gibt es in Deutschland – an 33 Standorten, alle liegen unter Tage, teils in mehreren Kilometer Tiefe. Und sie haben riesige Dimensionen. Vier davon befinden sich in oder am Rande der Metropolregion: nördlich der BASF-Kläranlage auf Frankenthaler Gemarkung, in den beiden südhessischen Kommunen Hähnlein und Stockstadt sowie in Sandhausen im Rhein-Neckar-Kreis.
Hähnlein und Stockstadt
Seit 2016 betreibt die MND Energy Storage Germany GmbH die beiden Speicher Hähnlein und Stockstadt mit einem Arbeitsgasvolumen von ca. 2.3 TWh. Beide Speicher sind nach Angaben auf der Unternehmenswebseite mit dem Pipeline-Netzwerk der OGE Gernsheim verbunden. In den beiden Untertagegasspeichern (UGS) Stockstadt und Hähnlein wird demnach Gas für die Versorgung des Rhein-Main-Gebietes eingespeichert. Die beiden Anlagen gehören zur Gruppe der Porenspeicher. In ihnen wird das Gas in sehr porösen und durchlässigen Sandsteinen gespeichert, die hier in einer Tiefe von 350 bis 500 Metern liegen. Die Speicherhorizonte, in die das Gas eingelagert wird, werden nach oben durch undurchlässige Tonsteine abgedichtet, die verhindern, dass Gas aus der Speicherstruktur entweicht.
Deutsche Gasspeicher
In Deutschland gibt es 16 Poren- und 31 Kavernenspeicher mit einem nutzbaren Gesamtvolumen von knapp 24 Milliarden Kubikmetern.
Das eigentliche Volumen der Speicher ist aber viel größer: Um den notwendigen Druck aufrechtzuerhalten, muss ein Drittel bis die Hälfte des Speichers mit sogenanntem Kissengas befüllt werden, das nicht genutzt werden kann.
Die Kavernenspeicher unterteilen sich oft in viele kleinere Hohlräume. Man zählt deshalb in Deutschland zwar 31 solcher Speicher, die aber annähernd 300 Hohlräume umfassen. fal
Der UGS Stockstadt wurde 1963, der UGS Hähnlein 1973 in Betrieb genommen.
Auch in Sandhausen wird das Gas in eine zwölf Meter dicke, in 600 Meter Tiefe liegende natürliche Schicht aus porösem Sandstein gepresst, die man in den 1950er Jahren entdeckt hat, als man – vergeblich – nach Erdöl bohrte. Zwei Quadratkilometer groß ist die Schicht. Wer auf der A 5 nach Mannheim unterwegs ist, fährt über sie hinweg.
Uwe Schwab, der Herr des Gases in Sandhausen, zeigt gerne das Betriebsgelände, das ganz in der Nähe des Stadions des Fußball-Zweitligisten SV Sandhausen liegt. Auf diesem Gelände wird das Gas bei der Ankunft gefiltert, gemessen, verdichtet und über fünf Leitungen in den Untergrund gepresst. Vor der Weiterleitung wird es vom mitgeführten Grundwasser getrennt und getrocknet. Alles wird mit gerade sieben Mann betrieben.
Sandhausen ist der kleinste aller Gasspeicher in Deutschland, ein absoluter Zwerg. Er kann 30 Millionen Kubikmeter nutzbares Gas aufnehmen – der größte deutsche Speicher in Rehden in Niedersachsen bringt es auf das 130-Fache: 3,9 Milliarden Kubikmeter. Alle Speicher könnten, so sie denn ganz gefüllt wären, den Bedarf für zwei bis drei Wintermonate decken. Im Moment liegt der Füllstand bei 61 Prozent.
Sandhausen bereits voll
Uwe Schwab ist da schon weiter. Aufgrund der schwierigen Lage seit dem Ukraine-Krieg hat sich Terranets BW, eine hundertprozentige Tochter der EnBW und Betreiber des Speichers in Sandhausen, früh um Gas bemüht: „Normalerweise liegen wir Ende Juni bei 80 Prozent, doch in diesem Jahr ist der Speicher bereits voll.“
Gekostet hat das Terranets übrigens nichts, weil es nicht ihr Gas ist. Das Unternehmen stellt mit seinem 2700 Kilometer langen Leitungsnetz und dem Speicher nur die Infrastruktur und Logistik zur Verfügung. Es ist quasi die Schnitt- und Verteilungsstelle zwischen Gaslieferanten und Abnehmern, was Industrie oder Stadtwerke sein können.
Zwei verschiedene Arten
Grundsätzlich existieren zwei verschiedene Arten von Speichern. Die natürlichen wie in Sandhausen nennt man Porenspeicher. Neben Sandstein kommen dafür auch ehemalige Gas- oder Ölfelder infrage. Die künstlichen Speicher wurden in Hohlräumen meist von Salzstöcken angelegt und werden als Kavernen bezeichnet. Einer der größten dieser Art liegt in Epe in Nordrhein-Westfalen.
Füllstand von 90 Prozent gefordert
Für Wirtschaftsminister Habeck hat die Befüllung aller Gasspeicher längst oberste Priorität. Die Betreiber der Speicher wurden jüngst gesetzlich verpflichtet, einen Füllstand von 90 Prozent bis zum 1. November zu erreichen. Zunächst sollen dies die Betreiber in Eigenregie anstreben. Sollte es knapp werden, will die Bundesregierung Sonderausschreibungen veranlassen.
Und wenn es dann immer noch nicht ausreicht, kann die Trading Hub Europe (THE), ein Zusammenschluss der Netzbetreiber und „Marktgebietsverantwortlicher“, selbst Gas einkaufen – dafür stellt die KfW-Bank 15 Milliarden Euro an Krediten bereit. Robert Habeck zeigt sich seit vielen Wochen extrem besorgt: „Noch können die ausfallenden Mengen anderweitig am Markt beschafft werden“, sagte er vor Kurzem. „Aber die Befüllung läuft zu hohen Preisen. Die Situation ist ernst.“
Teil der Maßnahmen ist auch, dass Kohlekraftwerke wieder in Betrieb gehen können, um Gaskraftwerke zu schonen und damit Gas zu sparen. Und es wurden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, damit der Bund die Hoheit über Speicher erlangt, wenn die Betreiber sich nicht wie gewünscht verhalten. Das ist in Rehden der Fall – der Speicher gehört einer Tochter von Gazprom Germania.
Es wird vermutet, dass der historisch niedrige Füllstand von nur zwei Prozent im letzten Jahr absichtlich herbeigeführt wurde. Nun kann per Gesetz dort wieder Gas „getankt“ werden. Kürzlich vermeldete die Bundesnetzagentur in ihrem Bulletin einen Füllstand von 18,9 Prozent. Rehden, die Achillesferse der deutschen Gasversorgung, scheint damit langsam aus der tiefroten Zone zu kommen. Die geplanten 80 Prozent zum 1. Oktober sind aber weit entfernt.
Deutschland besitzt übrigens mit seinen 24 Milliarden Kubikmetern das viertgrößte Speichervolumen weltweit, nach den USA, Russland und – eine Überraschung – der Ukraine. fal/red
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