Natur

„Niemals auf einen Wolf zugehen“

Ein gerissenes Schaf und der Bericht einer Augenzeugin lassen vermuten, dass ein Wolf durch die Wälder bei Fürth streift. Stellen die Wildtiere eine Gefahr für Menschen dar?

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Streift derzeit ein Wolf durch die Wälder im Odenwald? In Fürth Steinbach wurde ein Schaf gerissen, in Brombach ist sich eine Bewohnerin – wie berichtet – sicher, ein Exemplar mit eigenen Augen gesichtet zu haben. © DPA

Odenwald. Nachdem es im Kreis Bergstraße, genauer gesagt im Fürther Ortsteil Steinbach, zu einem Schafsriss kam und kurz darauf eine Frau aus Brombach (ebenfalls zu Fürth gehörig) die Sichtung eines Wolfs schilderte (der BA berichtete), hat sich die Redaktion bei der Polizei und beim Wolfsbeauftragten, Gerd Reischer, nach Hintergründen erkundigt. Reischer gehört zu den Experten, die das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) als Ansprechpersonen in Sachen Wölfe aufführt.

Gibt es viele Sichtungen von Wölfen in der Region?

„Sie sind sehr selten“, erklärt Reischer. Weitaus häufiger seien Begegnungen der Menschen mit Wildschweinen.

Sind Wölfe hier denn hier ansässig?

Der Kreis Bergstraße sei „mehr oder weniger Durchzugsgebiet“ von Wölfen, bemerkt der Wolfsbeauftragte. Durchzug müsse man von Sesshaftigkeit unterscheiden. Der Nachweis, ob Wölfe dauerhaft in einem Gebiet leben, sei an bestimmte Bedingungen geknüpft, erläutert er.

So müsse es über die Dauer von mindestens einem halben Jahr Beweise von dieser Region geben, entweder durch Risse von Weidetieren, durch Gewebeproben oder durch die Losung eines Wolfs. Im Kreis Bergstraße sei das nicht der Fall: „Aber die Möglichkeit besteht, dass ein junges Tier hier auf der Durchreise ist. Damit muss man rechnen.“

Was ist zu tun, wenn man einen Wolf sieht oder ein Vorfall in Zusammenhang mit den Wildtieren passiert ist?

Auf www.hlnug.de/themen/naturschutz/tiere-und-pflanzen/arten-melden/wolfszentrum gibt es den Betreff „Wolfshinweise melden“. Dazu heißt es: „Wenn Sie einen Nutztierschaden oder einen Wildtierkadaver mit Verdacht auf Tötung durch einen Wolf melden möchten, wenden Sie sich bitte umgehend telefonisch an die Wolfshotline.“ Zu erreichen ist sie unter 0641/20009522.

In Fürth-Steinbach wurde kürzlich ein totes Schaf mit Bissverletzungen gefunden. Was sagt die Polizei dazu?

Ein Pressesprecher teilt mit, dass die Beamten zu der Stelle gerufen wurden und den Fall aufnahmen. Da nicht feststand, ob ein Hund oder ein Wolf der Urheber war, wurde zudem Wolfsbeauftragter Reischer verständigt.

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Die Pressestelle erklärt dazu weiter: „Wenn das Schaf nicht von einem Wolf, sondern von einem nicht angeleinten Hund angegriffen wurde, dann wäre der Hundehalter verantwortlich, und wir würden ermitteln. Ansonsten ist das kein Fall für die Polizei.“

War ein Wolf für den Schafsriss verantwortlich?

Reischer erklärt, dass er von der Polizei hinzugezogen wurde, um das tote Schaf in Augenschein zu nehmen. „Von der Kehle des Tieres wurde eine Probe genommen. Sie ging nach Gießen zum HLNUG.“ Außerdem machten die Fachleute Aufnahmen und füllten einen Fragebogen aus. Im Labor wird nun das Material ausgewertet und ein Gentest gemacht; ein Ergebnis liegt derzeit noch nicht vor.

Könnte man anhand der Bisswunden auf einen Wolfsangriff schließen?

„Das kann man so nicht pauschalisieren“, sagt Reischer. Denn die Verletzungen hätte dem Tier auch ein großer Fuchs beibringen können, außerdem hätte auch ein ganzes Rudel Füchse Fleisch aus der Wunde reißen können: „Ganz zu schweigen von anderen Tieren.“ Auch Krähen hätten in der Zeit, als das Schaf am Boden lag, von seinem Kadaver fressen können, fährt er fort: „Da kann alles passiert sein.“ Noch lasse sich nicht sagen, ob es sich bei dem Angreifer um einen Wolf handle. Aber: „Wir nehmen das Thema ernst“, sagt der Experte.

Könnte es sich bei den Tieren in Brombach oder Steinbach auch um Hybriden gehandelt haben? Also um eine Mischung aus Hund und Wolf?

„Das ist möglich“, erläutert Reischer und gibt zu bedenken, dass es ohne Weiteres zur Entstehung von Hybriden kommen könne. Wenn Hunde ausbüxten, könnten sie sich mit Wölfen paaren. Die Welpen nenne man dann Hybriden. Sie seien ebenso schützenswert wie ein Wolf, aber nicht auf Anhieb erkennbar: „Auch in diesen Fällen muss man eine DNA-Probe machen lassen.“

Wie oft hatten es die Verantwortlichen bisher mit einem Wolf in der Umgebung zu tun?

„Vor drei Jahren hatten wir in Lautertal einen Wolf“, erinnert sich Reischer. Oft werde angenommen, dass die Tiere aus dem Osten kämen, doch in diesem Fall sei das falsch gewesen: „Genproben haben gezeigt, dass er aus Italien stammte.“ Etwas näher dran sind da schon die nachgewiesenen Rudel, die es im Land gibt: In der Rhön lebe eines, ein anderes sei im hessischen Vogelsbergkreis ansässig.

Wir sollten sich Menschen verhalten, wenn sie auf dem Feld oder im Wald tatsächlich einem Wolf begegnen?

Der Wolf habe in Deutschland keine natürlichen Feinde. Er sei genauso neugierig wie Hunde auch, sagt Reischer: „Jungtiere kennen keine Angst vor Menschen, wenn sie keine schlechten Erfahrungen gemacht haben.“

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Er empfiehlt, sich an die gängigen Verhaltensmaßregeln zu halten: Ist das Tier weiter weg, soll man sich umdrehen und sich langsam entfernen und dabei Geräusche machen. Niemals soll man auf einen Wolf zugehen. Es wird geraten, in die Hände zu klatschen, zu pfeifen und laut zu reden.

Sind Wölfe gefährlich für den Menschen?

Das HLNUG gibt dazu folgende Auskunft: „Seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland vor über 20 Jahren hat kein Übergriff von Wölfen auf Menschen stattgefunden.“ Angriffe etwa im Iran oder in der Türkei seien zum Großteil auf mit Tollwut infizierte Tiere zurückzuführen. Deutschland gelte dank der Ausbringung von Impfködern aber seit 2008 als tollwutfrei.

Wölfe werden eigentlich als vorsichtige Tiere charakterisiert: „Sobald sie die menschliche Witterung aufgenommen haben, ziehen sie sich in der Regel zurück. Von daher geht von Wölfen keine größere Gefahr aus als von anderen Wildtieren wie beispielsweise Wildschweinen oder auch von Haushunden.“ Falls diese sich außerhalb des Einflussbereichs ihrer Halter befinden würden.

Aber: „Wölfe meiden Menschen, nicht aber menschliche Strukturen.“ Das heißt, dass es nicht ungewöhnlich sei, wenn sie durch Siedlungen ziehen. Begegnet man ihnen, so würden sie nicht panisch flüchten: „Sondern sie ziehen sich gelassen zurück.“ stk

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