Umwelt

Der Wolf kehrt zurück - auch in den Kreis Bergstraße

Die Population der Wölfe in Hessen wächst. 2017 fanden sich Nachweise in Erbach (Odenwald), 2020 in Reichelsheim und in Lautertal. Dieses Jahr wurden bereits Exemplare in Hirschhorn und in Oberzent nachgewiesen.

Von 
Felix Wolf
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Der Wolf ist zurück in Deutschland und wurde auch schon im Odenwald und im Kreis Bergstraße gesichtet. © DPA

Südhessen. „Der Wolf und die sieben Geißlein“, „Der Wolf im Schafspelz“ oder die Rolle des Wolfes in „Rotkäppchen“: Der Wolf ist in der deutschen Kulturlandschaft stark präsent, dabei allerdings nie als objektiv-geurteiltes Waldtier, sondern als Schreckgespenst, als Alptraum aller Schäfer und als stete Gefahr. Das mythenhafte Wesen des Wolfes macht ihn zu etwas Größerem als er letztlich ist: ein Waldbewohner.

Nicht abzusprechen sind diesem Waldbewohner die starke Mythenbildung innerhalb der letzten Jahrhunderte, seine geheimnisvolle Aura und der ehrfürchtige Ton, der sich bei vielen Menschen einstellt, sobald sie auf den Wolf zu sprechen kommen. Mitunter liegt das auch daran, dass der Wolf in Deutschland noch immer einen sehr geringen Bestand hat und ein seltenes Tier in deutschen Wäldern ist. Fakt ist jedoch auch: Es gibt ihn, den Wolf in Deutschland. Und er treibt sich auch in Wäldern der Region herum.

2020 wurden in Lautern drei Schafe gerissen

Aufregung gab es im Jahr 2020 in Lautern, als auf einer Weide drei Schafe gerissen aufgefunden worden waren. Eine Genanalyse der toten Tiere durch das Senckenberg-Institut bestätigte, dass diese von einem Wolf aus der sogenannten Alpenpopulation getötet worden waren. Die Herkunft des Tiers aus den Alpen wurde seinerzeit vom Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in Wiesbaden als bemerkenswert eingestuft. Denn es handelte sich erst um den zweiten Wolf dieser Population in Hessen.

Es zeige sich, dass Wölfe auf Wanderschaft sehr weite Strecken zurücklegten, und dass sich in Hessen die Routen von Wölfen aus verschiedenen Herkunftsgebieten und Populationen kreuzten, schrieb damals das Landesamt. Schafzüchter aus der Region stellten damals die grundsätzliche Frage, ob der Wolf überhaupt in den Odenwald gehört. Es wurden Befürchtungen laut, dass weitere getötete Schafe das Ende der Schafzucht im Odenwald bedeuten könnten.

Das Team Wolfsmanagement Hessen verwies im Rahmen der Diskussion darauf, dass sich seit nunmehr 20 Jahren Wölfe aus eigener Kraft wieder in Deutschland ansiedelten – inzwischen auch in Hessen. Der Hauptgrund dafür liege in seinem Schutz vor Verfolgung und Ausrottung, den die Europäische Union 1992 im Rahmen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie beschlossen habe.

Für die Weidetierhaltung allgemein und für tierhaltende landwirtschaftliche Betriebe im Besonderen bedeute dies eine zusätzliche Belastung. Der Wolf werde „in diesem angespannten Umfeld oft als ein Tropfen empfunden, der das Fass der Belastung zum Überlaufen bringt“, hieß es in einem Schreiben des Wolfsmanagements. Sein Schutzstatus und damit seine Rückkehr in die Region sei aber demokratisch entschieden und rechtlich festgelegt. Daher gelte es, das Nebeneinander von Weidetieren und Wölfen zu unterstützen. Das sei besonders am Anfang schwer, aber es sei möglich, wie Beispiele aus anderen Zeiten und aus anderen Regionen zeigten.

Nur als letztes Mittel bestehe über das Bundesnaturschutzgesetz die Möglichkeit, gezielt Wölfe zur Tötung freizugeben. Dazu müssten aber die Schäden ein zumutbares Maß überschreiten. red

In den Landkreisen Odenwald und Bergstraße steigt die Zahl der Sichtungen. 2017 fanden sich Nachweise in Erbach (Odenwald), 2020 in Reichelsheim und in Lautertal. Dieses Jahr wurden bereits Exemplare in Hirschhorn und in Oberzent im Odenwaldkreis nachgewiesen.

Wie man die Tiere zählt

Ein genaues Zählen der in Deutschland vorkommenden Wölfe ist allerdings nicht problemlos möglich. Laien fällt es oftmals schwer, Hinweise auf das Vorkommen eines Wolfes von solchen zu unterscheiden, die von Hunden in der Gegend verursacht werden.

Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf hat dabei klare Richtlinien. Um einen Hinweis auf ein Wolfsvorkommen handelt es sich, wenn eine Person mit Routine im Erkennen und Bewerten von Wolfshinweisen typische Merkmale findet.

Hund oder Wolf: Woran lässt sich das erkennen?

  • Mittlerweile gibt es einige Hunderassen, die speziell mit dem Ziel gezüchtet werden, wolfsähnlich auszusehen. Dadurch kann es schnell zu Verwechslungen kommen.
  • Häufig erhält das Wolfszentrum Hessen Meldungen von „wolfsähnlichen Tieren“. Meistens lässt sich dann nicht herausfinden, ob es sich um einen Hund oder einen Wolf handelte. In seltenen Fällen gibt es Fotografien des wolfsähnlichen Tieres. Häufig handelt es sich bei diesen dann schlicht um Hunde.
  • Ein Wolf lässt sich am besten an seiner Statur erkennen. Gerade im Sommer, wenn die Tiere ihr Sommerfell tragen, sind sie hochbeiniger als ihre hauszahmen Artgenossen.
  • Wölfe haben eine gerade und fast waagrechte Rückenlinie.
  • Der europäische Grauwolf hat Fell, das in seiner Farbe von grau bis zu bräunlich-ockerfarben variiert. Einheitlich schwarze oder weiße Färbung des Fells ist bei dieser Gattung nicht bekannt. Diese tritt eher beim nordamerikanischen Timberwolf auf.
  • Die Ohren des Wolfes sind vergleichsweise klein.
  • Der Schwanz ist gerade und hängt, wenn der Wolf entspannt ist, herab.
  • Die Schnauze des Wolfs ist relativ lang. fw

Zum Beispiel eine gut erkennbare Spur, die das klassische Trab-Muster eines Wolfes aufzeigt. Zudem geben die Pfotenform und -stellung, der Spurverlauf und das Verhalten des Tieres Aufschluss, ob es sich tatsächlich um einen Wolf handelt.

Gezählt werden dann keine einzelnen Wölfe, sondern lediglich die Territorien, in denen Wölfe sesshaft geworden sind, erklärt das Wolfszentrum Hessen des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (WZH). Im Verlauf eines Jahres schwanke zudem die Anzahl der einzelnen Tiere stark, da diese sterben, neu geboren werden, abwandern oder nur in einem Gebiet durchziehen.

Systematisch Hinweise sammeln

Im Rahmen des hessischen Wolfsmonitorings kommen zweierlei Methoden zur Anwendung: passive und aktive. Beim passiven Monitoring gilt es, zufällig gefundene Hinweise zu erfassen, zu überprüfen und zu bewerten. Dabei kann es sich um Spuren, Losungen des Tieres oder eventuell durch einen Wolf gerissene Tiere handeln. Diese Hinweise erreichen das Wolfszentrum Hessen (WZH) entweder telefonisch oder per Mail aber auch über die jeweiligen Forstämter.

Das aktive Monitoring findet wiederrum gezielt in Gebieten statt, in denen bereits eine Wolfpräsenz nachgewiesen wurde. Dort gilt es, systematisch Hinweise zu sammeln, um beispielsweise einen Überblick über die Fortpflanzung und Reproduktion der Tiere zu erhalten. Dazu werden Fotofallen eingesetzt und es wird gezielt nach Hinweisen auf die Anwesenheit der Tiere gesucht.

Nachweise in Deutschland und Hessen

  • Der Schwerpunkt des Wolfsvorkommens in Deutschland liegt weiterhin im Osten und Norden des Landes. Dort besteht ein geschlossenes Verbreitungsgebiet, das sich von der polnischen Grenze in Sachsen und Brandenburg bis in den Norden Niedersachsens zieht. Im zweiten Lebensjahr machen sich Jungwölfe auf die Suche nach geeigneten Geschlechtspartnern und suchen gleichzeitig auch „unbesetzte“ Gebiete. Dabei kommt es dazu, dass sich häufiger Exemplare in anderen Bundesländern aufhalten.
  • Im Jahr 2020 wurden in Hessen insgesamt 13 Wölfe genetisch nachgewiesen und bestätigt. Im Jahr 2022 waren es bereits 20 Tiere und die Zahlen steigen. Dieses Jahr sind bis Ende März bei 13 Übergriffen bereits fast 30 Nutztiere in Hessen erwiesenermaßen von einem Wolf getötet worden.
  • Ein Beobachtungsjahr für Wölfe findet immer vom 1. Mai bis zum 30. April statt. Dieses Fenster hängt mit dem Lebensrhythmus der Wölfe zusammen, da meist im Mai die ersten Jungwölfe geboren werden.
  • Im Beobachtungsjahr 2022/23 konnten bisher vier Territorien in Hessen nachgewiesen werden. Ein Einzeltier hält sich demnach in Butzbach auf. Rudel lassen sich in Rüdesheim, Waldkappel und Wildflecken finden. Alle drei Rudel haben zudem auch Nachwuchs zu verzeichnen. Ein Welpe in Rüdesheim, fünf in Waldkappel und sechs Jungwölfe tummeln sich in Wildflecken. Seit November 2022 ist darüber hinaus ein einzelner Wolf im Hochtaunuskreis/ Wetteraukreis sesshaft.
  • Zum Vergleich: Im Beobachtungsjahr 2019/20 waren es lediglich zwei Territorien, die sich in Hessen finden ließen. Der Wolf gehört zu den durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützten Tierarten in Deutschland. fw

Die Zahl der gesicherten Nachweise auf Wölfe in Hessen stieg innerhalb der letzten Jahre stark an. 2019 gab es insgesamt 52 solcher Nachweise. Drei Jahre später waren es 285 Nachweise. Wurde ein Wolf innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mindestens zweimal genetisch in einem abgrenzbaren Gebiet nachgewiesen, gilt er als sesshaft.

Wurden keine sesshaften Wölfe nachgewiesen, bedeutet das aber nicht, dass sich in der Umgebung keine Wölfe finden lassen. Mit durchziehenden Wölfen sei in ganz Hessen jederzeit zu rechnen, heißt es von Seiten des Wolfszentrums.

Chance auf Begegnung gering

Der Wolf kehrt nach Deutschland zurück. Das freut die Artenschützer. Um die sichere Rückkehr des Wolfes in die Natur Deutschlands zu gewährleisten, bildet das Wolfsmanagement eine unverzichtbare Maßnahme. Es handelt sich um eine Aufgabe der jeweiligen Bundesländer und soll für ein konfliktarmes Miteinander zwischen Mensch und Tier sorgen.

Die Chance, einen Wolf zu Gesicht zu bekommen, sei jedoch weiterhin äußerst gering. Sollte es dennoch zu einer Begegnung zwischen Mensch und Wolf kommen, gilt als erster Grundsatz: Ruhe bewahren. Wölfe sind allgemein scheue Tiere und ziehen sich von allein zurück, wenn sie Menschen wahrnehmen. Falls dennoch ein Wolf angetroffen wird, ist es ratsam, sich möglichst groß zu machen und Lärm zu verursachen.

Wie und wo man Wolfssichtungen melden kann

Bei Wolfssichtungen sollte man innerhalb von 24 Stunden Kontakt mit dem Wolfszentrum aufzunehmen. Dafür hat dieses eine spezielle Wolfshotline (Telefon: 0641/2000 95 22) eingerichtet. fw

Unter keinen Umständen sollte der Wolf gefüttert werden. Ebenso gilt es darauf zu achten, Hunde anzuleinen, da diese – anders als der Mensch – von Wölfen als Bedrohung erkannt werden können.

Wölfe können am Tag eine Strecke von 70 Kilometer und mehr zurücklegen. Daher bietet es sich für das Tier an, auch weit entfernte Gebiete zu durchkämmen, um geeignete Lebensräume zu finden und zu besiedeln. Es sind sehr soziale Tiere. Sie leben in festen Familienverbänden. Die Welpen werden einmal im Jahr geboren. Sobald sie ein Alter von sechs bis acht Wochen erreicht haben, machen sie sich gemeinsam mit ihren Eltern auf Ausflüge. Um die Familie zu ernähren, benötigen die Wölfe eine ausreichende Anzahl an Beutetieren.

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In Deutschland machen sie vorwiegend Jagd auf Rehwild. Da diese Beutetiere dämmerungs- und nachtaktiv sind, hat auch der Wolf seinen Biorhythmus entsprechend angepasst. Damit die Wölfe einer Familie auf ihren großen Ausflügen nicht voneinander getrennt werden, kommunizieren sie mithilfe des charakteristischen Wolfsheulens, das über große Distanzen hörbar ist. Wölfe erkennen Mitglieder ihrer Familie anhand der Stimme und finden so immer wieder zusammen.

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