Selbstversuch

Wie eine Künstliche Intelligenz über den Brand auf einer Bergsträßer Toilette berichten würde

Wie das Programm ChatGPT eine Polizeimeldung aus Heppenheim in einen Artikel verwandelt, kommentiert und sogar einen (unlustigen) Witz darüber schreibt.

Von 
Jörg Keller
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Das Programm ChatGPT spuckt in unserem Selbstversuch Text-Varianten einer Polizeimeldung in verschiedenen Stilrichtungen aus. © Jörg Keller

Bergstraße. Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist aktuell in aller Munde. Einen wahren Boom ausgelöst hat in jüngster Zeit das Programm „ChatGPT“, das von der amerikanischen Organisation OpenAI entwickelt wurde. In Medienberichten und Beiträgen in Sozialen Netzwerken wimmelt es nur von Beispielen für mögliche Anwendungen.

Die online nutzbare KI soll unter anderem komplexe Texte verschiedenster Stilrichtungen in verschiedenen Sprachen verfassen, Dialoge führen, eigenständig Quellcode für Computerprogramme und Webseiten programmieren und sogar Musik komponieren können.

Noch wird die Plattform augenscheinlich von vielen privaten Besuchern zum Ausprobieren und für Spielereien genutzt. Doch künftig dürfte die Künstliche Intelligenz massive Auswirkungen auf den Alltag und die Arbeitswelt haben.

Die Nutzung ist noch kostenlos

In einem kleinen Selbstversuch haben wir ausprobiert, wie gut die KI wirklich darin ist, beispielsweise einen Zeitungsartikel zu schreiben. Also, los geht es: Browser geöffnet und „chat.openai.com“ eingeben. Die Nutzung ist (noch) kostenlos. Für die Anmeldung sind jedoch eine E-Mail-Adresse sowie eine Telefonnummer nötig. Über Letztere wird per SMS der Account bestätigt.

Nach der Anmeldung erwartet die Besucher zunächst einmal eine eher schlichte Benutzeroberfläche – eine Seitenleiste und ein paar Links zu Erläuterungen in der Mitte. Zur Interaktion steht am Fuß der Seite lediglich ein einzeiliges Eingabefeld bereit.

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Schnell wird klar: Ohne entsprechende Datengrundlage liefert die KI zwar schöne Texte, aber leider gibt es erhebliche Mängel beim Inhalt, der zum Teil frei erfunden erscheint. Aufgefordert, eine kurze Zeitungsmeldung über die letzte Fußball-Bundesliga-Begegnung von Eintracht Frankfurt zu schreiben, lieferte ChatGPT am vergangenen Freitag folgendes Ergebnis:

„Eintracht Frankfurt hat gestern Abend das Spiel gegen den FC Bayern München mit 2:1 gewonnen. Die Tore für Frankfurt wurden von André Silva und Bas Dos erzielt.“

Ohne Daten stimmt nichts

An dieser Nachricht stimmt natürlich nichts. Beide Spieler laufen nicht mehr für Frankfurt auf. Und die letzte Begegnung der Eintracht gegen Bayern München vor Freitag fand im vergangenen Sommer statt. In die Zukunft schauen kann Chat GPT auch nicht. Die einen Tag später, am Samstag, ausgetragene Partie der Bayern gegen Frankfurt endete 1:1. So kommt man also nicht weiter.

Also füttern wir die KI stichwortartig mit Informationen einer Polizeimeldung, die diese Zeitung am vergangenen Dienstag auf der Heppenheim-Seite veröffentlicht hat. Dabei ging es um brennendes Toilettenpapier auf der Damentoilette der Nibelungenschule, den folgenden Feuerwehreinsatz und die polizeilichen Ermittlungen.

Stichwörter für eine Meldung

Auf die Anweisung, auf Grundlage entsprechender Stichwörter einen Zeitungsartikel im Stil einer Lokalzeitung zu verfassen, spuckte die KI auch prompt folgende Meldung aus:

„Am Montagnachmittag, den 23. Januar, kam es gegen 15.30 Uhr in der Schultoilette der Nibelungenschule in Heppenheim zu einem Brand. Brennendes Toilettenpapier und Rauch waren die Folgen. Die anwesenden Kinder wurden von Lehrern schnell ins Freie gebracht. Glücklicherweise kam es bei dem Feuer zu keinen Verletzten. Die Feuerwehr konnte das Feuer schnell löschen und den Schaden begrenzen. Der Sachschaden ist gering und beschränkt sich auf den Bereich der Damentoilette. Derzeit ist unklar, wer der Verursacher des Feuers ist. Es wird vermutet, dass es sich um Kinder oder Jugendliche handelt, die nicht an diese Schule gehen. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen, um Klarheit in die Angelegenheit zu bringen.“

Austausch zwischen Computer und Menschen in natürlich klingender Sprache

  • Die Bezeichnung ChatGPT steht für Generative Pre-trained Transformer, was für Laien ebenso kryptisch klingend mit „vortrainierter generativer Transformator“ ins Deutsche übersetzt werden kann
  • Es handelt sich um einen browser-basierten Chatbot, also eine auf Künstlicher Intelligenz basierende Anwendung, deren Ziel es ist, sich mit Menschen in natürlich klingender Sprache zu unterhalten
  • Entwickelt wurde Chat GPT durch das US-amerikanische Unternehmen OpenAI, das ihn im November 2022 veröffentlichte. OpenAI selbst bezeichnet sich als „gemeinnützige Organisation, die sich der Entwicklung von künstlicher Intelligenz für den Nutzen aller Menschen verschrieben hat.
  • Die milliardenschwere Anschubfinanzierung haben unter anderem Elon Musk und Microsoft bereitgestellt
  • Microsoft will zu einer größeren Verbreitung der Software ChatGPT beitragen. Die Technik werde „bald“ für Kunden eines Cloud-Dienstes von Microsoft verfügbar sein, teilte der Software-Riese Mitte Januar mit
  • Nachdem ChatGPT am 30. November 2022 für die Öffentlichkeit frei zugänglich geworden war, meldeten sich innerhalb von fünf Tagen eine Million Nutzer an, mehr als bei Instagram oder Spotify
  • Chatbots können dazu verwendet werden, um Kundenfragen zu beantworten und Probleme zu lösen, ohne dass ein menschlicher Mitarbeiter eingeschaltet werden muss. Sie können auch verwendet werden, um personalisierte Angebote und Empfehlungen zu machen
  • Ein weiteres Anwendungsgebiet von ChatGPT ist die Schreibunterstützung. Das Modell kann verwendet werden, um automatisch Text zu generieren, zum Beispiel E-Mails, Dokumente oder sogar ganze Artikel
  • ChatGPT funktioniert nach eigener Erläuterung durch die Verwendung von neuronalen Netzen, die auf riesigen Datenmengen trainiert wurden. Diese Netze können dann verwendet werden, um Muster in Texten zu erkennen und zu verstehen, wie Wörter und Sätze zusammenhängen. Wenn ein Nutzer eine Frage oder eine Anforderung eingibt, kann das Modell dann die am besten passende Antwort generieren
  • Der Chatbot schreibt zwar auch auf Deutsch schnell und (zumeist) grammatikalisch korrekt zum Beispiel kurze Aufsätze und Biografien. Mit Fakten nimmt es ChatGPT derzeit zumindest bei den deutschsprachigen Antworten nicht genau
  • Der Entwickler OpenAI weist auch explizit darauf hin, dass hier quasi offen geforscht wird, wie fehleranfällig die Ergebnisse noch sein können, und bittet die Nutzer um Feedback, um den Lernprozess zu verbessern
  • Der Zugang zu ChatGPT kann kostenfrei über die Internetseite Openai.com erfolgen. Allerdings gibt es auch kostenpflichtige Optionen für den Zugang zu erweiterten Funktionen und höheren Nutzungslimits. kel/red/dpa

Gefragt nach einer prägnanten Überschrift schlug ChatGPT vor „Brand in Schultoilette der Nibelungenschule in Heppenheim – Ermittlungen laufen.“

Doch was, wenn man das Thema im Stil einer Boulevardzeitung aufbereiten möchte. Auch da hat die KI schnell einen Vorschlag parat. Mit der Überschrift „Brand in Heppenheimer Schule: Wer steckt dahinter?“ wurde automatisch folgender Text generiert:

„Es war ein Montagnachmittag wie jeder andere an der Nibelungenschule in Heppenheim – bis auf ein kleines Feuerchen in der Schultoilette. Gegen 15.30 Uhr ging plötzlich der Alarm los, als brennendes Toilettenpapier und Rauch die Schüler und Lehrer aufschreckten. Doch die Helden in Orange, die Feuerwehr, kamen schnell zur Rettung und löschten das Feuer, bevor es größeren Schaden anrichten konnte. Zum Glück wurden alle Schüler rechtzeitig ins Freie gebracht und es gab keine Verletzten. Der Schaden beschränkte sich auf die Damentoilette. Aber wer hat das Feuer gelegt? Die Polizei ermittelt jetzt, ob es sich um einen dummen Scherz von Schülern oder einen Angriff von Außenstehenden handelte. Eines ist sicher: An der Nibelungenschule herrscht jetzt erhöhte Wachsamkeit.“

Ergänzungen durch die KI

Sollte sich ein Nachrichtenmagazin wie „Der Spiegel“ für den kleinen Vorfall in Heppenheim interessieren, hätte ChatGPT für die Kollegen aus Hamburg ebenfalls einen Vorschlag parat:

„Am Montagabend kam es in der Nibelungenschule in Heppenheim zu einem Brand in einer Schultoilette. Laut Augenzeugenberichten soll das Feuer durch brennendes Toilettenpapier und Rauch ausgelöst worden sein. Die Feuerwehr konnte das Feuer glücklicherweise schnell löschen und den Schaden begrenzen. Es gab keine Verletzten, aber ein gewisser Sachschaden in der betroffenen Toilette.

Es bleibt unklar, wer für den Brand verantwortlich ist. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen und untersucht, ob es sich um einen dummen Scherz von Schülern handelte oder ob es sich um eine Tat durch Personen handelt die nicht zur Schule gehören. Dieser Vorfall kommt zu einer Zeit, in der Schulen in Deutschland immer häufiger Ziel von Angriffen und Straftaten werden. Es bleibt abzuwarten, ob der Brand in der Nibelungenschule ein Einzelfall bleibt oder ob es sich um einen Teil eines größeren Problems handelt.“

Ein paar Geheimnisse behält die KI für sich

Ob sich Straftaten an Schulen in Deutschland tatsächlich häufen und woher diese Information stammt, bleibt ein Geheimnis der KI. Eine Quellenangabe dazu oder einen Hinweis, woher diese Daten kommen, gibt ChatGPT zumindest nicht an. Und so scheint es durchaus möglich, dass sich die Künstliche Intelligenz diese Ausführung ausgedacht hat.

Klar, dass bei einem solch heißen Thema dann auch ein Kommentar nicht fehlen darf. ChatGPT schlägt innerhalb weniger Sekunden folgendes Meinungsbild vor:

„Es ist erschreckend zu hören, dass es in der Nibelungenschule in Heppenheim zu einem Brand in einer Schultoilette gekommen ist. Zum Glück konnte das Feuer schnell gelöscht werden und es gab keine Verletzten. Der Schaden hält sich zudem in Grenzen. Allerdings bleibt die Frage, wer für den Brand verantwortlich ist.

Die Polizei ermittelt nun, ob es sich um einen dummen Scherz von Schülern handelte oder ob es sich um eine Tat durch Personen handelt, die nicht zur Schule gehören. Es ist erschreckend zu denken, dass es Menschen gibt, die absichtlich ein Feuer legen, insbesondere in einer Schule, in der Kinder und Jugendliche sind.

Es ist wichtig, dass die Schule und die Polizei alles in ihrer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass solche Vorfälle in Zukunft vermieden werden. Es ist auch wichtig, dass die Schüler und Lehrer über die Gefahren von Brandstiftung und die Konsequenzen informiert werden.

Insgesamt ist es wichtig zu betonen, dass Schulen Orte des Lernens und der Sicherheit sein sollten und es nicht tolerabel ist, dass sie Ziel von Angriffen und Straftaten werden.“

Fütterung mit Fakten

Wie die KI zu ihrer Meinung kommt und ob diese tatsächlich fundiert ist, bleibt offen. Letztlich beeindruckt die stilistische Form der computergenerierten Texte durchaus. Auf den Informationsgehalt der Artikel sollten sich Nutzer aber wohl nur dann verlassen, wenn sie die KI zuvor mit entsprechenden Fakten gefüttert haben. Journalistische Arbeit wie Recherche und eine Bewertung von Sachverhalten kann die Maschine nach einem ersten Eindruck noch nicht zuverlässig leisten.

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Die Stilform einer Glosse beherrscht die KI ebenfalls nicht. Auf die Bitte, eine solche augenzwinkernde Betrachtung der Geschehnisse zu erstellen, spuckt ChatGPT einen ähnlichen Text aus wie bereits beim vorherigen Kommentar.

Anweisungen für Humor

Es bedarf also schon genauerer Anweisungen, um der Künstlichen Intelligenz so etwas wie Humor beizubringen. Also fragen wir mal ausdrücklich nach einem „satirischen Text“. Das Ergebnis ist man aus dem Kabarett durchaus bissiger gewohnt:

„Brand in Schultoilette: Der neueste Trend in der Schullandschaft? Es scheint, als ob es in der Welt der Schulen einen neuen Trend gibt: Toilettenbrände. Ja, ihr habt richtig gelesen, Toilettenbrände. Was als Nächstes kommt, Brandstiftung in der Schulbibliothek? Oder vielleicht sogar ein Feuer im Klassenzimmer, während der Unterricht läuft? Die Möglichkeiten sind endlos.
Aber im Ernst, wer kommt auf die Idee, ein Feuer in einer Schultoilette zu legen? Was für eine Art von Menschen sind das? Haben sie nichts Besseres zu tun, als Schulen und deren Einrichtungen zu zerstören? Und was ist mit den Kindern und Lehrern, die in der Nähe waren? Was wäre passiert, wenn das Feuer außer Kontrolle geraten wäre?
Es ist absolut unverantwortlich und unmoralisch, Schulen und deren Einrichtungen anzugreifen. Es ist ein Angriff auf die Bildung und die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen. Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass solche Vorfälle in Zukunft verhindert werden und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Also Leute, lasst uns zusammenarbeiten und Schulen sicher und intakt halten. Und wenn ihr Langeweile habt, dann sucht euch eine bessere Beschäftigung, als Schulen anzugreifen. Vielleicht könntet ihr ja ein paar Bücher lesen oder Sport treiben, statt Toiletten in Brand zu setzen.“

Komplettes Scheitern

Es folgt der nächste Versuch, die KI zu etwas Humor zu überreden. Angesichts der Fastnachtszeit fragen wir mal nach einer Büttenrede. Diese beginnt dann aber völlig unlustig mit „Meine Damen und Herren, liebe Narren, ich stehe hier vor Ihnen, um über ein Thema zu sprechen, das uns alle beschäftigt hat in letzter Zeit: Toilettenbrände in Schulen. Ja, ihr habt richtig gehört, Toilettenbrände in Schulen. Was für eine Zeit, in der wir leben!“ Und so geht es dann auch weiter.

Also bitten wir die KI, doch bitte etwas humorvoller an die Sache ranzugehen und außerdem zu reimen. Doch das scheint alles nicht zu den Stärken von ChatGPT zu gehören. Mit dem Ergebnis würde sich wohl kaum ein Fastnachter in die Bütt trauen:

„Ihr Narren, ich muss es sagen, ein Toilettenbrand in der Schule, das ist doch krassen! Wer denkt sich sowas aus? Vielleicht ein Schüler, der sein Klassenhaus hasst?

Aber Scherz beiseite, denn das ist kein Spaß, denn das kann viel Schaden anrichten, und wer weiß, was dabei raus kommt.

Aber keine Sorge, denn wir sind hier, um zu feiern, also lasst uns die Gläser heben, auf die Fastnacht, das Leben und darauf, dass wir alle hier sicher sind und es nie soweit kommt, Prost ihr Narren!“

Aber wenigstens mit einem kleinen Witz sollte es doch klappen: „Warum haben Toiletten in Schulen immer einen Rauchmelder? Damit man rechtzeitig merkt, wenn jemand ein Feuerzeug hat!“, steht nach der Anfrage auf dem Bildschirm. Vielleicht können ja Künstliche Intelligenzen darüber lachen.

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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