Katholiken

Welle der Kirchenaustritte auch im Kreis Bergstraße

Von 
Markus Bissinger
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Immer mehr Menschen im Kreis Bergstraße treten aus der Kirche aus und kehren ihr den Rücken zu. Die Zahlen im Januar zeigen einen deutlichen Anstieg der Austritte aus der katholischen Kirche. Vor allem Missbrauch und Diskriminierung werden als Gründe angeführt. © Markus Bissinger

Die Frankfurter Erklärung im Nachgang zur jüngsten Synodalversammlung und das Schreiben von elf Generalvikaren im Anschluss an die Aktion „#outinchurch“ bewegen derzeit auch die Gemüter der Katholiken im Kreis Bergstraße.

Die Frankfurter Erklärung tritt in Form einer Selbstverpflichtung der Unterzeichnenden gegen Machtmissbrauch und Diskriminierung in der Kirche an und fordert „durchgreifende Aufarbeitung und Gerechtigkeit für die von Missbrauch Betroffenen“. Zu den Zielen gehören auch Geschlechtergerechtigkeit, die Anerkennung von Diversität und breite Beteiligung an Beratungen und Entscheidungen in der Kirche.

Mit der „Frankfurter Erklärung“ haben sich prominente Katholiken zur Synodalität verpflichtet. Die Petition wurde mit Freischaltung unter change.org vor einer Woche bereits mehr als 13 000 Mal unterschrieben. Eine Reihe von katholischen Verbänden und Organisationen hat sich der Petition angeschlossen, die auch in den Gemeinden der Region stark vertreten sind - unter anderem die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), der Katholische Deutsche Frauenbund sowie die Katholische junge Gemeinde.

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Steigende Zahlen im Kreis

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Das hierfür zuständige Bürgerbüro in Bensheim berichtet von 88 Austritten aus der katholischen Kirche allein im Januar. „Eine so hohe Zahl hatten wir in all den vergangenen Jahren nicht“, teilte ein Sprecher mit. Aus der evangelischen Kirche traten im selben Zeitraum 20 Personen aus.

In Heppenheim gab es im vergangenen Monat allein 59 Kirchenaustritte, davon 46 aus der katholischen Kirche. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2021 verzeichnete die Stadt insgesamt 209 Austritte.

In Lorsch wurden 34 Kirchenaustritte beurkundet, darunter waren fünf Personen aus der evangelischen Kirche.

Auch in Zwingenberg gab es seit Jahresbeginn vermehrt Anfragen für Kirchenaustritte. Häufig seien als Grund die aktuellen Geschehnisse in der Kirche angeführt worden. Ein Kirchenaustritt muss persönlich erklärt werden - allerdings wird dabei nicht nach Gründen gefragt.

„Das alles ist beschämend“

„Der Anstieg der Kirchenaustritte bedrückt. Doch ich kann die Menschen verstehen, die sich abwenden, bei all dem, was zutage getreten ist“, sagt Thomas Meurer, Dekan im katholischen Dekanat Bergstraße-Mitte. „Das alles ist beschämend und ist unserem Anspruch in keiner Weise würdig“. Meurer steht hinter dem synodalen Prozess in der deutschen Kirche. „Alles, was dem dient, dass Menschen eine Kirche ohne Angst erleben oder sie verbiegen lässt, um mit dazu zu gehören, kann nur von Gutem sein“, erklärt er.

Während sich auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, der Frankfurter Erklärung anschloss, hat sich der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf in dieser Woche gegen sie gewandt. Er werde diese Erklärung mit einer Reihe von Selbstverpflichtungen nicht unterschreiben, erklärte der Kirchenmann in Mainz. Damit werde das Ergebnis der Beratungen auf dem Synodalen Weg vorweggenommen, kritisierte der Bischof. „Wenn ich jetzt Selbstverpflichtungen vor Abschluss der Beratungen abgebe, muss aus meiner Sicht nicht weiter debattiert werden.“

In der dritten Plenarversammlung des Synodalen Wegs im Januar wurden erste verbindliche Beschlüsse etwa zur Beteiligung der Gläubigen an der Bestellung der Bischöfe gefasst. Weitere Reformvorhaben betreffen die Lockerung des Pflichtzölibats, die Zulassung der Frauen zu den geistlichen Ämtern und Änderungen der katholischen Sexuallehre. Viele Vorhaben stehen unter dem Vorbehalt einer Zustimmung Roms.

Wachsende Resignation

Thomas Meurer jedenfalls erkennt eine wachsende Resignation bei den Menschen, die sich in den kirchlichen Gemeinden engagieren. Immer mehr Aktive in den Pfarreien unterstützen und beteiligen sich an den Reformvorhaben. Ein „Weiter so“ könne es nicht geben.

„Wir müssen verstärkt auf die Menschen, die sich von uns abkehren, zugehen und deutlich machen, dass uns das Ganze ebenso bestürzt.“ Es brauche korrigierende Erfahrungen und andere Wahrnehmungen von Kirche.

Menschen wollten persönlich angesprochen und ernstgenommen werden. „Das heißt für uns Christen, wir müssen uns stärker auf unsere eigentliche Sendung besinnen und Vertrauen wiedergewinnen und aufbauen“, so der Dekan. „Aber dafür brauchen wir einen langen Atem“.

Die Frankfurter Erklärung ist zu finden unter: www.change.org.

Freier Autor Rubrik "Wegzeichen" in der Wochenendbeilage. Berichte zu den Themen Soziales, Gesellschaft und Kirche.

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