Heidelberg. Es sieht auf den ersten Blick aus, als ob ein Raumschiff von Außerirdischen zwischen zwei roten Backstein-Gebäuden auf dem Heidelberger Campbell-Quartier gelandet ist. Das liegt vor allem an der extravaganten Wellenform, die so ganz anders als Standardbauten wirkt. Ungewöhnlich ist nicht nur die Form, sondern auch die Bauweise: Das Wavehouse – so getauft eben wegen seiner geschwungenen Formen – kommt aus dem 3D-Drucker.
Es ist das erste Heidelberger Haus aus dem Drucker und das größte in Europa überhaupt. 170 Stunden hat der riesige Portaldrucker im Frühjahr 2023 dafür gebraucht. Den Druckvorgang kann man sich vorstellen, wie wenn eine riesige Tube Zahnpasta ausgequetscht wird und sich dabei Stück für Stück vorwärtsbewegt. Die „Tube“ ist ein zentnerschwerer Druckkopf, der Beton in zwei Zentimeter dicken Schichten aufträgt. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis die Wand hochgezogen ist.
„Es hat riesigen Spaß gemacht, so etwas Innovatives auszuprobieren“, sagt Bauherr Hans-Jörg Kraus. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Heidelberger Krausgruppe, die sich auf Projektentwicklung spezialisiert. Kraus entwickelt eine große Fläche auf dem Campbell-Konversionsgelände, auf einem Teil davon entstand nun das Wavehouse. Es besteht aus einem großen Hauptraum und zwei kleineren Räumen im Eingangsbereich.
Wohnen wird niemand in dem besonderen Haus. Demnächst werden dort Hunderte Rechner einziehen, die riesige Datenmengen speichern. Mieter ist nämlich die Heidelberg IT, die das Gebäude als sogenanntes Serverhotel nutzen will. Deshalb benötigt es auch kaum Fenster.
Das Innere des 3D-Hauses wirkt deutlich konventioneller als die organische Außenhülle, der karg-funktionale Hauptraum hat eine fast viereckige Form. Da die Wände aber nicht verputzt wurden, sieht man gut die unzähligen Linien, die durch den Schichtauftrag entstanden sind. „Die haben wir bewusst nicht geglättet, um eine gewisse Leichtigkeit zu erhalten“, sagt Jan van der Velden-Volkmann vom SSV-Architekten-Büro. Die knallgrüne Farbe wurde übrigens nicht von Hand aufgetragen, sondern von einem Farbroboter.
Auch für die beteiligten Handwerker war die Arbeit an dem Projekt Neuland
Innovativ muss auch das Material beim 3D-Druck sein. Das kommt vom benachbarten Dax-Konzern Heidelberg Materials, der einen speziellen Beton dafür entwickelt hat. Das Material muss gut auspressbar sein, schnell trocknen und trotzdem gleich nach dem Auftrag standfest sein. Zu schnell trocknen darf es aber auch wieder nicht, damit sich die nach und nach aufgetragenen Schichten noch miteinander verbinden können.
„Für Heidelberg Materials war es das Leuchtturmprojekt 2023“, sagt Jörg Dietrich, der bei dem Baustoffhersteller unter anderem den Bereich Innovation verantwortet. Noch sei man mit diesem Spezialbeton „in einer Lernkurve, aber die Entwicklung geht weiter“, so Dietrich.
Zu lernen gab es auch einiges für die Architekten, wie Jan van der Velden-Volkmann beschreibt. Die ungewöhnliche Bauweise brachte ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich. Wie soll man zum Beispiel ein Dach auf dieser Wellenform anschließen? Eine Spezialkonstruktion musste her. Und dann die Türen! Für die gab es keine Zulassung auf dem besonderen Beton, auch dafür musste eine ganz eigene Lösung gefunden werden.
Überhaupt, auch für die beteiligten Handwerker war die Arbeit an dem Projekt Neuland – allein schon der neue Baustoff. Für vieles gab es keine Genehmigungsgrundlagen, erklärt der Architekt, ein heikles Thema für die am Bau so wichtige Gewährleistung. Die Beteiligten haften ja dafür, dass ihre Arbeit und das Gebäude keine Mängel haben. „Wir stecken noch in den Kinderschuhen“, sagt van der Velden-Volkmann.
Dennoch kann er sich vorstellen, dass der 3D-Druck in der Branche in Zukunft häufiger angewandt wird. So könnte er beim Standardwohnungsbau von Vorteil sein. „Er ist gut planbar und berechenbar.“ Und gleichzeitig flexibler, kann eben auch geschwungene Formen drucken. Zudem sei die Bauweise viel sauberer, leiser und brauche wenig Platz. Ein weiterer Vorteil in Zeiten des Fachkräftemangels: Es braucht nur zwei Menschen, um den Portaldrucker zu steuern.
Diese Druck-Experten kommen von der Firma Peri 3D Construction aus Bayern. Die haben schon weltweit mehrere Gebäude gedruckt, darunter auch Wohnhäuser. Auch für Hans-Jörg Kraus soll es nicht das letzte 3D-Haus sein, das er plant und baut. Er ist begeistert von der neuen Technik und von den eleganten Wellenformen. „Ich bin wie ein Kind, ich liebe so etwas.“
2,5 Millionen Euro hat er insgesamt in das Heidelberger Projekt investiert. Ob es teuerer als ein Standardhaus ist? Das könne man so pauschal nicht sagen. „Das kann man nicht vergleichen.“ Der noch relativ neue Hightech-Beton etwa dürfte deutlich mehr als der übliche Portland-Zement kosten. Allerdings lässt er sich gezielter und effizienter einsetzen. Kraus hat schon einige Ideen für neue Druck-Aufträge. Ganz konkret will er für die öffentliche Hand ein 3D-Gebäude errichten, das sogar deutlich größer ist als der Heidelberger Prototyp. Mehr will er nicht verraten, die Verhandlungen laufen noch.
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