Bergstraße. Der Wind pfeift eisig auf der Nordseite der Auerbacher Bergkirche. Es ist ein grauer, kalter Morgen, ein Nachgeschmack des Winters. In einem kleinen, gepflegten Beet an der Kirchenwand wiegen sich die gelben Köpfe von Narzissen, die dem Wetter trotzen. Wer sie wohl gepflanzt hat? Es könnte jeder gewesen sein, denn dieser kleine Garten an der Kirche ist ein Gemeinschaftsgarten. Wer Schaufel und Pflanze mitbringt, darf sich hier vergnügen.
An diesem Morgen kommt nur Pfarrer Lukas von Nordheim, der das Projekt „Urban Gardening“ an der Bergkirche ins Leben gerufen hat. Tapfer stapft er in Gummistiefeln heran, in der Hand Eimer, Schaufeln, Harken und ein paar Pflänzchen, die ein Zuhause suchen.
Wie das Mitmachen funktioniert
Beim Urban Gardening an der Auerbacher Bergkirche kann jeder mitmachen. Das Projekt wurde im vergangenen Jahr von Pfarrer Lukas von Nordheim ins Leben gerufen und bringt seitdem Menschen im gemeinschaftlichen Garten zusammen. Wer sich beteiligen möchte, kann jederzeit vorbeikommen und die Beete pflegen oder bepflanzen. Ein paar Punkte gibt es aber zu beachten.
Schaufeln, Eimer und andere Utensilien fürs Gärtnern müssen mitgebracht werden. Wer möchte, kann eigene Pflanzen oder Samen einsetzen.
Aber auch andere Arbeiten warten auf Freiwillige: Efeu, das an der Mauer hochrankt, kann beschnitten, Wildwuchs, Unkraut und Abgestorbenes beseitigt werden.
Einen kleinen Haken hat der Gemeinschaftsgarten, wie der Pfarrer erzählt: „Es gibt kein fließend Wasser zum Bewässern, generell ist der Boden sehr trocken.“ Zwar ist auf der Außenseite der Mauer rund um den Kirchgarten ein kleiner Brunnen, doch das Becken ist schon lange trocken.
„Vielleicht könnte die Stadt als Besitzer den Brunnen wiederbeleben“, wünscht sich von Nordheim. Bis dahin jedoch ist es ratsam, Wasser mitzubringen, wenn Neues in die Erde kommt. Nur sonntags nach dem Gottesdienst können die Gärtner ihre Gießkanne in der Kirche füllen. cel
Anfang 2021 erst wurde der Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Auerbach eingeführt, schon im Mai begann das Gärtnern. „Die Frage war damals angesichts der Corona-Pandemie: Wie kann man Gemeinschaft erleben, ohne in größeren Gruppen zusammenzukommen?“, erzählt von Nordheim, während er die Geräte ablegt.
Jeder kommt, wann er möchte
Ein Beet kann zu unterschiedlichen Zeiten von Einzelnen gepflegt werden, dennoch verbindet die Arbeit am selben Projekt. „Für manche bedeutet das Gemeinschaftsgärtnern, dass Kirche lebt, für anderen einfach, dass ein schöner Ort in Auerbach gestaltet wird.“ Im März gab es einen gemeinsamen Termin, an dem das erste Beet hergerichtet wurde, seitdem gehen die Gärtner unabhängig voneinander ein und aus.
Pfarrer von Nordheim hat sich für die nächste halbe Stunde ein neues Beet an der Stützmauer ausgesucht, dort, wo der Blick über die Dächer der tiefer gelegenen Häuser in die Ferne streift. An der Mauer stehen ein paar alte Grabsteine, die Namen von Wind und Wetter lange abgeschliffen, und ein neues kleines Ahorn-Bäumchen, das erst kürzlich eingesetzt wurde. „Das Beet an der Kirchenwand wird langsam zu klein, daher grabe ich hier um“, erklärt von Nordheim. Sei die Erde einmal aufgelockert, lade das auch andere zum Pflanzen ein.
Topfpflanzen zweite Chance geben
Er hält Blumenzwiebeln hoch, aus denen welke Stängel hängen. Zuhause auf der Fensterbank verblüht, bekommen die Pflanzen hier eine zweite Chance. „Wer so etwas zuhause hat, kann es hier einsetzen.“ Der Vorteil: „Es wird nur so viel gegärtnert, wie Freude macht, sonst wird es eine Plackerei.“ Und das funktioniere. Für Lukas von Nordheim selbst hat das Gärtnern etwas Meditatives, wie er sagt. Das gelte auch für lästige Aufgaben wie das Unkrautjäten.
Die Schaufel stößt in die Erde, lockert die Grasnarbe. „Ich habe schnell gelernt, dass es schön ist, sich zu erden“, erzählt der Pfarrer. Angefangen habe alles mit dem ersten Pfarrgarten, der nach Pflege verlangte. Immerhin sei der Garten eines Pfarrhauses so etwas wie ein Aushängeschild. „Beim Gärtnern lernt man, zu warten, man kann sich ausprobieren.“ Auch sei ihm wichtig: „Man macht sich die Hände schmutzig und schafft etwas Sichtbares“ – ein willkommenes Gegengewicht zur Seelsorge und zur Arbeit mit Worten.
Im Gemeinschaftsgarten hat jeder die Möglichkeit, diese Erfahrung zu machen — ohne gleich Verantwortung für einen großen Garten übernehmen zu müssen. Alle sind willkommen, ob mit oder ohne Vorkenntnisse. „Schön ist, wenn sich Menschen dabei begegnen, ins Gespräch kommen, Pflanzen, Zwiebeln oder Saaten teilen“, sagt von Nordheim. Nach getaner Arbeit lässt er den Blick über die Mauer schweifen. „Bei schönem Wetter kann man den Tag hier wunderbar ausklingen lassen.“ Auch das macht den Gemeinschaftsgarten an der Auerbacher Bergkirche zu einem ganz besonderen Ort.
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