Amtsgericht Bensheim

Prozess in Bensheim wegen Angriffen auf Zugbegleiter und Mitarbeiter im Supermarkt

Von 
Konrad Bülow
Lesedauer: 
Am Amtsgericht läuft ein Prozess wegen mehrerer Gewalttaten. © Neu

Bergstraße. Ein Prozess am Amtsgericht Bensheim könnte in nächster Zeit Anlass für Korrespondenz der deutschen Behörden mit dem Taliban-Regime in Afghanistan sein. Wegen mehrerer gewalttätiger Angriffe im Kreis Bergstraße sind drei junge Männer vor dem Jugendschöffengericht angeklagt. Da zwei Zeugen mittlerweile nach Afghanistan abgeschoben wurden, hat einer der Verteidiger, Rechtsanwalt Milan Martin, einen Beweisantrag gestellt, der einigen Aufwand nach sich ziehen könnte: Per Rechtshilfeersuchen an das Islamische Emirat Afghanistan sollen Aussagen der Zeugen eingeholt werden.

Ob das Gericht diesen Weg geht, wird sich wohl beim nächsten Sitzungstermin zeigen. Der Beweisantrag birgt einige Schwierigkeiten: Die Deutsche Botschaft in Kabul ist seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban geschlossen. Auch Martins Vorschlag einer „audiovisuellen Vernehmung“ begegnete Richter Rainer Brakonier nicht gerade mit großer Zuversicht. Dennoch wird das Gericht den Antrag prüfen müssen.

Mitarbeiter geschlagen

Für Martins Mandant geht es um einiges. Er soll in der Vergangenheit öfters hingelangt haben. Am 18. Februar 2018 soll er an einer Schlägerei mit mehreren Personen in Bensheim beteiligt gewesen sein. Ein weiterer Vorfall ereignete sich am 19. Januar 2019 in einem Lebensmittelmarkt in Heppenheim.

Der Angeklagte und ein mutmaßlicher Mittäter, der sich mit ihm verantworten muss, sollen versucht haben, zwei Flaschen Wodka mitgehen zu lassen. Als Mitarbeiter des Marktes die beiden jungen Männer aufforderten, ihre Rucksäcke herzuzeigen, sollen sich diese erst geweigert und dann brutal auf einen Mitarbeiter eingeschlagen haben, der davon unter anderem eine gebrochene Hand und eine Gehirnerschütterung davontrug. Weitere Mitarbeiter und Einkäufer hielten die Angreifer dann auf, bis die Polizei eintraf.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

Am 7. März 2019 wurden dann eine Regionalbahn von Bensheim in Richtung Heppenheim sowie der Bahnhof der Kreisstadt zum Tatort. Martins Mandant – das verbindende Element zwischen allen Auseinandersetzungen, um die es in dem Prozess geht – soll ohne Fahrschein unterwegs gewesen sein. Als ihn ein Zugbegleiter darauf ansprach, soll er diesen zusammen mit weiteren Personen, darunter einem dritten Angeklagten, ebenfalls brutal geschlagen und getreten haben. Fahrgäste drängten demnach die Schläger in Heppenheim aus dem Zug und auf den Bahnsteig. Damit war der Gewaltexzess nicht vorbei: Der Lokführer stieg aus dem Führerhaus um nachzusehen, was los war – und wurde mit einem Faustschlag niedergestreckt. Danach flohen die Täter.

Traumatischer Lebensweg

Bald nach diesem Vorfall soll der Hauptangeklagte heimlich in ein Büro seines früheren Arbeitgebers eingedrungen sein. Dort soll er Schränke aufgestemmt und zwei Madonnenstatuen entwendet haben – aus Rache für die kurz vorher erfolgte Kündigung.

Alle drei Angeklagten räumten die ihnen vorgeworfenen Taten ein und entschuldigten sich bei den Geschädigten, die zu den Vorfällen aussagten. Einige Widersprüche gab es dennoch. Der Hauptangeklagte etwa führte an, bei den Taten unter Alkohol- oder auch Drogeneinfluss gestanden zu haben. Die Geschädigten und Zeugen aus dem Lebensmittelmarkt und dem Zug gaben aber größtenteils an, keinerlei Anzeichen dafür erkannt zu haben. Nur der angegriffene Zugbegleiter sprach von „glasigen Augen“.

Mehr zum Thema

Justiz

Prozess nach Unfall mit drei Toten: Der Bibliser fiel Zeugen auf

Veröffentlicht
Von
Agnes Polewka
Mehr erfahren
Justiz

Ein Bibliser steht nach einem Unfall mit drei Toten vor Gericht

Veröffentlicht
Von
Agnes Polewka
Mehr erfahren
Urteil

Lange Haftstrafen nach Raubüberfall in einer Bensheimer Wohnung

Veröffentlicht
Von
Konrad Bülow
Mehr erfahren

Unklar ist, ob bei der Gruppenschlägerei in Bensheim ein Messer oder ein Schraubenzieher zum Einsatz kam – und ob einer der Angreifer in der Regionalbahn einen Schlagring zu Hilfe nahm, oder seinen Hieb nur mit einem Feuerzeug verstärken wollte. Der Zugbegleiter ist überzeugt davon, dass es sich um einen Schlagring handelte. „So eine Verletzung geht nicht ohne Schlagring“, sagte er.

Mehrere Zeugen sprachen außerdem von einer Aggressivität, die sie so vorher noch nicht gesehen hätten. Bei dem Vorfall im Markt hätten die Täter demnach ohne große Probleme türmen können, sich aber, so der Eindruck, dafür entschieden, die Schlägerei zu suchen. Andere Zeugen sprachen von einem panischen Verhalten der Angreifer.

Vor der Vernehmung der Zeugen hatte der Hauptangeklagte einen traumatischen Lebensweg geschildert. In seiner Kindheit in Syrien sei er von seinem Vater und seiner Stiefmutter misshandelt worden, später erlebte er den Krieg und die Flucht nach Deutschland. Sein Anwalt beantragte, ein psychiatrisches Gutachten einzuholen.

Ehemalige Mitarbeit

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger