Bergstraße. Die Afrikanische Schweinepest (ASP) hat große Teile Südhessens seit Juni fest im Griff. Der Kreis Bergstraße steht nun unmittelbar vor einem Paradigmenwechsel: In drei bis fünf Wochen soll das Schwarzwild dort verstärkt bejagt werden. In der kommenden Woche finden vorbereitende Gespräche mit den Revierinhabern statt. Ziel: Das Gebiet von der B38a bis zur Autobahn A5 soll laut Kreisbeigeordnetem Matthias Schimpf „eine Schwarzwild reduzierte Zone“ werden.
Man habe erkannt, dass der Bau von Zäunen allein auf lange Sicht die Ausbreitung der Tierseuche nur verlangsamen, aber nicht stoppen könne. „Die Zeit läuft ganz massiv und rasant gegen uns“, so Matthias Schimpf. Der grüne Kreisbeigeordnete des Kreises Bergstraße sprach im Rahmen der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen in der Reichelsheimer Reichenberghalle als zuständiger Dezernent zur aktuellen Lage und sparte dabei auch nicht mit Kritik an der Landespolitik: „Unsere Hoffnung auf mehr koordinierende Maßnahmen vonseiten der Landesregierung wurden enttäuscht.“ Und: „Wir haben zu lange den übergeordneten Behörden vertraut.“
Im Kreis Bergstraße habe man wellenartige Bewegungen des Seuchengeschehens beobachtet. Erst habe es sehr wenige Funde gegeben bis Ende Oktober/Anfang November 2024, seitdem stiegen die Zahlen „relativ horrend“. So habe man allein im Naturschutzgebiet „Tongruben“ zwischen Heppenheim und Bensheim um die Weihnachtszeit über 40 mit ASP infizierte Kadaver entdeckt. Auch im Ried sei die Zahl gestiegen, inzwischen habe man auf Hambacher Gemarkung ebenso einen positiven Fund gemacht wie in Bensheim. Das Seuchengeschehen habe sich also nicht so eingrenzen lassen wie gewünscht.
Errichtete Zäune hatten nicht die gewünschte Wirkung
Die errichteten Zäune hätten nicht die gewünschte Wirkung gehabt. Das habe sich auch beim Wildgehege bei Einhausen gezeigt: Die dort lebenden 24 Wildschweine seien mit einem doppelten Zaun gesichert gewesen – am 7. November sei bei einer Kontrolle noch alles gut gewesen, zwei Tage später seien fünf der Tiere tot gewesen, gestorben an der ASP. Untersuchungen zeigten, dass bis auf ein oder zwei Tiere alle infiziert gewesen seien.
Da weder Zäune noch sogenannte Saufänge geholfen hätten, tue nun ein Strategiewechsel Not. Je näher das Frühjahr mit seinem immer reichhaltiger werdenden Nahrungsangebot für die Tiere komme, umso unattraktiver würden Saufänge. Durch die Saufänge sollten ortsansässige Rotten mit Futter angelockt und in ihrem angestammten Gebiet gehalten werden.
Eine gezielte Entnahme von Schwarzwild in den verschiedenen Sperrzonen sei vom Land so nicht gewünscht gewesen. Doch bereits am Montag bei der Eröffnung der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen hatte Hessens Landwirtschaftsminister Ingmar Jung es angesprochen, dass das Schwarzwild künftig verstärkt bejagt werden müsse. Und so startet in wenigen Wochen im Kreis Bergstraße ein Pilotprojekt: Ab der Autobahn A5 aufwärts beginnt die „Zielentnahme“ – der Abschuss - ganzer Rotten in Zusammenarbeit mit örtlichen Jägern und mithilfe von Drohnen. Mit der Entnahme, also Bejagung der Tiere, hofft man zu verhindern, dass sich die Seuche weiter in den Odenwald ausbreitet. Die Allgemeinverfügung wird entsprechend geändert.
Seuchenbekämpfung
Von den Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung sind auch normale Bürger betroffen – sei es durch die Anleinpflicht von Hunden über die Setzzeit hinaus oder durch das Gebot, Wege nicht zu verlassen und Nahrungsmittel – etwa an Raststätten -in entsprechende Behälter zu werfen.
„Das sind im Vergleich zu den Schäden durch die ASP Einschränkungen, die absolut hinnehmbar sind. Jeder, der sich darüber beschwert, darf sich dann nicht beschweren, wenn die Waren künftig aus China kommen,“ unterstrich der Bergsträßer Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf.
Würde gegen die Maßnahmen verstoßen, würden Appelle an Freiwilligkeit und Vernunft nicht greifen, müssten eben mehr Kontrollen und Bußgelder her. Der Kreisbeigeordnete appellierte in diesem Zusammenhang an die Gemeinde, mehr Hundewiesen zu schaffen, „um Druck aus dem Kessel zu nehmen“.awa
Schimpf äußerte sich auch zum Thema Entschädigung für Landwirte, die finanziell durch die Tierseuche arg gebeutelt sind, nicht selten sind sogar Existenzen bedroht. Die Schweinepest begann zur Erntezeit. Entschädigt werden müssen auch Landwirte, deren Schweinezucht von der ASP betroffen ist. Bisher sind acht Schweinehaltungsbetriebe im Kreis Groß-Gerau betroffen, noch keiner im Kreis Bergstraße. Die Entschädigung zahlt je zur Hälfte durch die Tierseuchenkasse und das Land Hessen
Die betroffenen Ställe seien nun „leergelaufen“, ein Nachbesatz sei wegen der ASP nicht möglich, die Frage nach entsprechender Unterstützung, die diese Bauern vor dem Ruin schützt, wird lauter. Darüber hinaus falle „ein Teil regionaler Wertschöpfung weg“, Hofläden müssten schließen. Der Schaden sei immens. Hier fordert Schimpf vom Land eine einheitliche Richtung, wie man agieren soll. Da das nicht passiert sei, „wäre es schön, wenn wenigstens die drei betroffenen Kreise (Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau) an einem Strang ziehen.“
3,5 Millionen Euro für die ASP-Bekämpfung
Insgesamt 3,5 Millionen Euro stehen im Bergsträßer Haushalt 2025 zur Bekämpfung der Seuche zur Verfügung. Es gebe einen Krisenstab, der sich täglich austausche. „Wir stehen das nur gemeinsam durch“, so der Grünen-Politiker. „Die Situation treibt uns sehr um. Wir wären gerne freier in unseren Entscheidungen.“
Im Gespräch mit den Landwirten machte Schimpf klar, dass der Kreis selbst bisher keine Zäune gebaut habe, das sei Landessache gewesen. Einzig die Überwachung liege bei den Kreisen. Der Einfluss des Kreises auf den Zaunbau sei sehr gering, Absprachen, wo die Zäune stehen – etwa mit Landwirten, Jägern oder anderen Ortskundigen – seien eher die Ausnahme, was bedauerlich sei. Das Problem bei den Zäunen: In einem dicht besiedelten Gebiet wie der Region, habe so ein Zaun zwangsläufig viele Durchlässe.
Hans Trumpfheller, Vorsitzender des Regionalbauernverbandes Starkenburg wollte genauere Informationen über den geplanten Zaunbau entlang der B38 und der B45. „Wir wissen nichts“, kritisierte auch er die mangelnde Kommunikation mit dem Land. “ awa
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