Immobilie

Künftig Flüchtlinge im Hotel am Bruchsee in Heppenheim

Von 
Thomas Tritsch
Lesedauer: 

Bergstraße. Eine Ära geht zu Ende: Das Hotel am Bruchsee schließt nach fast 40 Jahren seine Pforten. Neuer Eigentümer wird der Kreis Bergstraße, der den Standort neu nutzen möchte. Wie Landrat Christian Engelhardt gestern vor Ort mitteilte, sollen auf dem Areal des familiengeführten Seminar- und Tagungshotels künftig geflüchtete Menschen eine vorübergehende Unterkunft finden. Daneben sollen in dem betagten Gebäude am Heppenheimer Seeufer zusätzliche Büros für Mitarbeiter der Kreisverwaltung entstehen. In Zusammenarbeit mit dem benachbarten Kreiskrankenhaus sind dort außerdem Personalwohnungen denkbar, so Engelhardt. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt. Zunächst müssen die Kreisgremien über das Projekt abstimmen.

Für die Kreisspitze ist diese Option eine für alle Beteiligten sinnvolle Lösung, hieß es beim Pressetermin in dem Hotel, das schwer unter der Corona-Krise gelitten hat und derzeit nur auf halber Flamme köchelt, wie der geschäftsführende Gesellschafter Andreas Bauer mitteilt. Der Betrieb läuft nur zu 50 Prozent. Eine Schließung sei in den vergangenen Monaten immer wieder in greifbare Nähe gerückt. Zunächst habe man mit dem Landratsamt über ein Anmieten der Immobilie verhandelt, was allerdings bald zugunsten eines Erwerbs keine Alternative mehr gewesen sei.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

Engelhardt nennt dafür in erster Linie wirtschaftliche Gründe. Für den Kreis sei es dauerhaft günstiger, wenn man das Haus kaufe und in Abstimmung mit der Stadt Heppenheim weiterentwickele. Die Kreisstadt ist Eigentümer des Grundstücks und somit als Erbaurechtgeber mit im Boot. Sie räumt dem Erbbaurechtnehmer das Nutzungsrecht für das Areal ein. Die Planungshoheit liegt also bei der Stadt.

Bürgermeister Rainer Burelbach spricht von einer Formsache. Der Vertrag könne mühelos auf die Kreisverwaltung übertragen werden, da sich auch an der grundlegenden Nutzung nichts verändere. Der Rathauschef sieht darin eine gute Lösung, wenn verschiedene Nutzungen unter einem Dach mit einem einzigen Besitzer gebündelt werden. Auch die Synergien mit der Klinik seien eine attraktive Perspektive. Es gehe nun darum, in dem Naherholungsgebiet eine qualitativ gute Lösung auf den Weg zu bringen. Laut Burelbach soll die Flüchtlingshilfe von Anfang an eingebunden werden. Für die ankommenden Familien biete sich vor Ort auch durch die Kinderspielplätze ein passendes Umfeld.

Suche nach Räumlichkeiten

Der Kreisbeigeordnete und Sozialdezernent Karsten Krug verweist auf die steigenden Zahlen an zugewiesenen Flüchtlingen seit Spätherbst letzten Jahres. Seither nehme der Kreis pro Woche zwischen 25 und 30 Menschen auf. Allein im ersten Quartal 2022 habe man mehr Menschen eine Unterkunft zur Verfügung stellen müssen als jeweils in den kompletten Jahren 2019 und 2020. Seither hat der Kreis aktiv nach potenziellen Räumlichkeiten gesucht, um den Bedarf decken zu können. Insbesondere größere Objekte seien kaum verfügbar gewesen. Krug betonte, dass in der Heppenheimer Unterkunft geflüchtete Menschen aus vielen Herkunftsländern leben sollen und nicht zuvorderst Personen aus der Ukraine, wenngleich die aktuelle Situation in Osteuropa anfangs durchaus ein Aspekt gewesen sei, der bei den Überlegungen eine Rolle gespielt habe. Notquartiere werden im Landkreis unter anderem auch in Bensheim, Lorsch und Lindenfels vorgehalten. Laut Engelhardt wachse der Bedarf aber schneller als die Verfügbarkeit geeigneter Räumlichkeiten.

Nach Angaben des scheidenden Dezernenten (Krug verlässt das Landratsamt Ende Juli) könnten in der Heppenheimer Immobilie bis zu 200 Menschen wohnen und sich dort autark versorgen. Dafür müsste die Ausstattung des Hotels entsprechend angepasst werden, und genau das sei auch geplant. Krug sagte, er wisse um die Sensibilität des Vorhabens gerade in diesem Teil der Stadt. Ein Sicherheitsdienst soll ebenso im Boot sein wie ein spezialisierter Dienstleister, der sich um die Begleitung der Geflüchteten kümmert und sie im Alltag unterstützt. Auch ehrenamtliche Helfer aus der Stadt sollen eingebunden werden, um den integrativen Anspruch erfüllen zu können.

Mehr zum Thema

Ukraine

Große Flüchtlings-Unterkunft in Viernheim ist in Kürze bezugsfertig

Veröffentlicht
Von
Martin Schulte
Mehr erfahren
Bensheim

Zeltdorf auf dem Festplatz für Geflüchtete nimmt Betrieb auf

Veröffentlicht
Von
Dirk Rosenberger
Mehr erfahren
Lindenfels

Flüchtlingsunterkunft in der Luise könnte bald an den Start gehen

Veröffentlicht
Von
kbw
Mehr erfahren

Krugs Nachfolger ab 1. August heißt bekanntlich Matthias Schimpf. Dieser hatte die Gespräche mit der Eigentümerfamilie des Bruchsee-Hotels im Auftrag von Christian Engelhardt aufgenommen und ins Finale begleitet. Er sieht in einem Kompletterwerb inklusive des gesamten Inventars eine für den Kreis langfristig wirtschaftlichere Alternative als ein dauerhaftes Mietverhältnis. Schimpf äußerte sich nicht zur Höhe des Kaufpreises, betonte aber, dass dieser „deutlich“ unter einem eigens angefertigten Wertgutachtens für das in die Jahre gekommene Hotel rangiere. In einer nichtöffentlichen Kreistagssitzung steht genau dieses nicht unwichtige Detail demnächst auf der Tagesordnung. Zum 1. Juli soll der Landkreis dann neuer Eigentümer des dann ehemaligen Hotels sein. Der designierte Kreisbeigeordnete geht davon aus, dass die neue Nutzung des Komplexes im Herbst starten kann. Sowohl Schimpf wie auch Andreas Bauer sprachen am Montag von seriösen, fairen und zielführenden Gesprächen.

Nicht langfristig Eigentümer

„Wir wollen dort nicht langfristig Eigentümer sein“, so Christian Engelhardt, der von einer temporären Nutzung durch den Kreis ausgeht. Sollte sich der Bedarf an Wohnraum für Geflüchtete sinken, indem die Menschen in reguläre Wohnungen umziehen oder in ihre Heimat zurückkehren, werde man im Dialog mit der Stadt Heppenheim über eine Folgenutzung sprechen. Potenzielle Interessenten oder konkrete Planungen gebe es derzeit aber noch nicht. Die Kreisspitze betonte in diesem Zusammenhang, dass man mit dem Erwerb des Hauses durch die öffentliche Hand verhindern wolle, dass im großen Stil mit dieser Immobilie spekuliert würde.

Neben dem Landratsamt hatte es noch weitere Interessenten gegeben. Nach Informationen, die dieser Zeitung vorliegen, hätte eine Investorengemeinschaft aus der Region an diesem Standort gerne bis zu 60 Seniorenwohnungen mit unterstützenden Betreuungsleistungen realisiert. Es habe bereits Gespräche mit der Stadt und dem Kreis gegeben. Die Option als vorübergehende Flüchtlingsunterkunft sei dabei ebenfalls offen diskutiert worden, heißt es. Man habe vorgeschlagen, dem Kreis die Immobilie zu vermieten und später mit einem branchenbekannten Träger für Senioreneinrichtungen weiter zu entwickeln. Zuletzt habe der Kreis dann einen anderen Weg eingeschlagen, um selbst in den Besitz des Hotels zu gelangen, so einer der Investoren gegenüber dieser Zeitung.

Für Andreas Bauer ist die Zukunft ohnehin fix. Egal, wer seine Immobilie übernehmen würde. Die Corona-Krise habe schlagartig verdeutlicht, dass die Ära klassischer Tagungshotels im Kontext von Homeoffice und Online-Konferenzen zu Ende gehe. „Das war kein einfacher Schritt“, sagt er über den Verkauf, den auch er für besser hält als ein Mietverhältnis mit dem Kreis. Er wolle nun zeitnah die Gesellschaft abwickeln sich in aller Ruhe beruflich neu orientieren. Eine Perspektive in der Hotel- und Gaststättenbranche will Bauer nicht ausschließen. Eine Selbstständigkeit strebe er aber vorerst nicht mehr an.

Freier Autor

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger