50 Jahre Karl-Kübel-Stiftung

Kübel-Stiftung unterstützt weltweit knapp 364 000 Menschen

Die Karl-Kübel-Stiftung für Kind und Familie mit Sitz in Bensheim feierte am Sonntagvormittag ihr 50-jähriges Bestehen mit einem Festakt im Bürgerhaus. In 94 Projekten in acht Ländern werden knapp 364 000 Menschen unterstützt.

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Thomas Tritsch
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Bergstraße. Am 4. Dezember 1972 gründete der erfolgreiche Unternehmer Karl Kübel in Bensheim die nach ihm benannte Stiftung. Umgerechnet brachte er neben dem Verkaufserlös seiner 3 K-Möbelwerke einen Großteil seines privaten Vermögens ein – insgesamt rund 72 Millionen D-Mark. Damit setzte er den Grundstein für die Karl-Kübel-Stiftung für Kind und Familie (KKS), die heute ein Stiftungsvermögen in Höhe von 154 Millionen Euro verwaltet. In aktuell 94 Projekten werden in acht Ländern weltweit knapp 364 000 Menschen nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstützt.

Auf den Tag genau 50 Jahre später lud die Stiftung jetzt ins Bensheimer Bürgerhaus ein. Zum eigentlichen Höhepunkt im Jubiläumsjahr unter dem Motto „Familie zählt“ kamen am Sonntag rund 300 Gäste. Darunter neben Mitarbeitern und Kooperationspartnern aus Indien, Nepal und von den Philippinen auch Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Auch Mary Anne Kübel, Witwe des Gründers, und einige Familienmitglieder waren gekommen.

Stiftungsratsvorsitzender Matthias Wilkes, Bergsträßer Landrat a.D., konnte den ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert als Festredner gewinnen. Er bezeichnete Kübel als bedeutende Unternehmerpersönlichkeit, die etwas Dauerhaftes zum Wohle der Menschen im In- und Ausland geschaffen habe.

Es braucht privates Engagement

In Bensheim beleuchtete Lammert die Geschichte des deutschen Sozialstaats im Zusammenhang mit dem gemeinnützigen Auftrag von Stiftungen wie jener aus Bensheim. Wenngleich die sozialen Leistungen der öffentlichen Hand seit Beginn der modernen Sozialgesetzgebung durch Otto von Bismarck Ende des 19. Jahrhunderts den Bürgern ein gewisses Maß an Sicherheit bieten, so komme den Stiftungen ebenfalls eine wichtige, weil ergänzende Aufgabe zu: „Neben dem staatlichen braucht es auch privates Engagement.“

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Auch ein ausgewachsener Sozialstaat könne dem individuellen Menschen keine ideale und passgenaue Hilfe oder Unterstützung bieten, da die zugrundeliegende Gesetzgebung immer von angenommenen Durchschnittsfällen ausgehe. „Und wir alle wissen ja, dass diese mit dem realen Leben nicht immer etwas zu tun haben.“ Rund zwei Millionen von Armut betroffene Kinder in der reichen Industrienation Deutschland verdeutlichten dies auf besonders negative Weise.

Der Staat allein wäre überfordert

Kein parlamentarisches System der Welt könne die Vielfalt der menschlichen Lebensereignisse bedienen, so der Politiker, der bis 2017 dem Bundestag angehörte und seit fast fünf Jahren als Vorsitzender die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung leitet. Seine eigene Stiftung fördert laut Satzung Erziehung und Bildung sowie Völkerverständigung und Entwicklungshilfe und ist daher nicht allzu weit weg vom Ansatz der Karl Kübel Stiftung entfernt.

Die Familie definierte Lammert im Sinne Jean Jacques Rousseau als „die älteste aller Gemeinschaften und die einzige natürliche“. Diese soziale Keimzelle und Urform des Zusammenlebens spiele nach wie vor eine zentrale Rolle. Denn es sei ihre exklusive Aufgabe, den Menschen hinein ins Leben und entlang seiner Biografie zu begleiten und zu stützen. Dies bleibe trotz eines gerade in diesen Zeiten sehr dynamischen Familienbildes, das sich zunehmend diverser und offener zeigt, ihre ursprüngliche und weiterhin entscheidende Funktion. Norbert Lammert äußerte sich offen gegenüber unterschiedlichen Familienmodellen jenseits der klassischen Form, gab aber zu bedenken, dass Vielfalt nicht zu Beliebigkeit führen dürfe. Letztlich sollte jeder Mensch die Möglichkeit haben, sein jeweiliges Ideal von Familie leben zu können.

Kübels Credo „Womit kann ich dienen?“ wirkt bis heute fort



Karl Kübel wird am 6. September 1909 in Duisburg als achtes Kind einer Handwerkerfamilie geboren. Der Junge wächst in einem katholisch geprägten Umfeld auf und macht sich bereits mit 23 Jahren nach seiner kaufmännischen Lehre selbstständig: In Worms gründet er einen Handel mit Möbelbeschlägen, bevor er 1936 selbst in die Möbelproduktion einsteigt. Basis war ein Auftrag zur Herstellung von eintausend Schreibtischen, die Kübel im Laufe eines Jahres herstellen sollte. Ab 1937 arbeitet er unter dem Firmennamen Karl Kübel Worms (KKW).

Nach 1945 entwickeln sich die 3 K-Möbelwerke dank preisgünstiger Massenfertigung zu einem der größten Möbelhersteller Europas. Gleichzeitig initiiert Kübel bereits in den Fünfzigerjahren verschiedene Projekte, um die Lebensqualität von Familien zu verbessern. Zu nennen ist hier vor allem die Siedlungsbaugesellschaft „das familiengerechte heim“, das den Erwerb privaten Wohneigentums durch Selbsthilfe unterstützt.

Private Kontakte nach Indien schüren die Idee, künftig auch im Ausland aktiv zu werden. Die Hauptthemen sind Bildung und die sogenannte „Entwicklungshilfe“. Neben Indien fördert er auch Projekte in Afghanistan.

„Die Qualität des Lebens kann sich nur verbessern, wenn der Mensch selbst sich verbessert“, steht in der Schenkungsurkunde vom 21. Dezember 1972. Karl Kübel will „der menschlichen Entfaltung“ Vorrang einräumen, sein Credo „Womit kann ich dienen?“ wird später auch zu einem Teil der Stiftungs-Identität.

Bereits drei Jahre vor deren Gründung lässt er erstmals den „Bensheimer Preis für Internationale Zusammenarbeit“ ausschreiben, um die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Initiativen vor Ort zu intensivieren und die Eigenverantwortung der Menschen zu stärken. Bildung versteht Karl Kübel als essenziellen Dünger junger Menschen, um später ein Auskommen zu haben und am Aufbau einer demokratischen Gesellschaft mitwirken zu können.

Der radikale Schnitt – und Schritt – erfolgt im Dezember 1972. Umgerechnet 37 Millionen Euro fließen in die Stiftung, die Familien stärkt, Armut lindert und weltweit für Bildung und Teilhabe eintritt. Dazu gehören nicht nur die Projekte, sondern auch eine starke öffentliche Bewusstseinsbildung, die unter anderem durch den Karl-Kübel-Preis und den Fairwandler-Preis zum Ausdruck kommt. tr

Auch Karl Kübel habe damals Tendenzen wahrgenommen, die ihn dazu motiviert hätten, die seiner Meinung nach elementaren Werte der Familie hoch zu halten und in eine Stiftungssatzung zu gießen, so der Festredner abschließend. „Er hatte für sich entschieden, nicht die gesamte Verantwortung dem Staat zu überlassen“, sagte Lammert in Bensheim.

Matthias Wilkes, ein Großneffe Kübels, sprach vom konsequenten Schritt eines sozial engagierten Unternehmers. „Ein Stiftungsakt, wie er in dieser Radikalität bis heute bundesweit wohl einzigartig ist.“ Kübels Entscheidung habe damals weit über die Region hinaus Aufsehen erregt. Nicht zuletzt deshalb, weil das Stiftungswesen in Deutschland damals noch wenig ausgeprägt gewesen sei, so Wilkes weiter. Heute gibt es in Deutschland weit über 24 000 rechtsfähige Stiftungen. Mit zuletzt noch über 3800 Mitarbeitern waren die 3 K-Werke einer der größten Möbelhersteller Europas und der größte Arbeitgeber im Kreis Bergstraße.

Bensheim bleibt das Zuhause

Trotz der globalen Aktivitäten bleibe Bensheim auch weiterhin das Zuhause der Stiftung, die sich mit Daniel Heilmann (Entwicklungszusammenarbeit) im November 2021 und zuletzt Aslak Petersen (Inlandsarbeit) einen neuen Vorstand gegeben hat. Petersen kam im Sommer für Katharina Gerarts, die wieder stärker wissenschaftlich tätig sein wollte und die Stiftung daher verlassen hatte. Die Stiftung beschäftigt aktuell 140 Mitarbeiter.

Der Hessische Minister für Soziales und Integration, Kai Klose, würdigte in Bensheim die Zusammenarbeit der Stiftung mit dem Land Hessen. Gemeinsam habe man 2002 den ersten Familientag ins Leben gerufen. Die Stadt Lampertheim wird am 15. Juli 2023 gemeinsam mit seinem Ministerium und der Stiftung den 11. Hessischen Familientag ausrichten. Ausgewählt wurde Lampertheim im Rahmen eines landesweiten Bewerbungsverfahrens. Außerdem fördert das Land den von der Stiftung entwickelten Ansatz der offenen Willkommensorte für Familien mit Kindern bis drei Jahre, das Konzept wurde als „Drop-In(klusive)“ bekannt. Aktuell gibt es landesweit über einhundert solcher Treffs. Hessen hat die Förderung jüngst bis Ende 2025 verlängert.

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Auch die Bensheimer Bürgermeisterin Christine Klein gratulierte zum 50. Geburtstag der Stiftung, mit der sie auch persönlich seit vielen Jahren eng verbunden sei. Als besonderes Geschenk hatte sie ein Straßenschild mitgebracht:

Die „Karl-Kübel-Straße“ würdigt den 2006 verstorbenen Stiftungsgründer künftig im Bensheimer Westen. Eine Erschließungsstraße im neuen Baugebiet zwischen der Mosel- und der Wormser Straße wird seinen Namen tragen. Die ist immerhin rund 200 Meter lang und liegt unweit des Areals, auf dem einst die Kübel’schen Möbelwerke ansässig waren.

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