Wirtschaft

Im Abwärtssog der Börsen halten sich Aktien der Bergstraße bisher recht wacker

Von 
Michael Roth
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Probleme mit den Lieferketten machen nicht nur der Transportbranche zu schaffen. © Jonas Walzberg/dpa

Bergstraße. An den Börsen kommen die Zeiten für starke Nerven. Nach zwei regelrechten Ausverkaufstagen zu Beginn dieser Woche könnte noch nicht Schluss sein. Es wird darauf ankommen, wie schnell und stark die Zentralbanken in nächster Zeit die Zinsen anheben.

Jetzt rächt sich, dass die Währungshüter in der jüngeren Vergangenheit zu spät und zu langsam auf die absehbar steigenden Inflationsraten reagiert haben. Nun ist der Schlamassel da. Hohe Inflationsraten und steigende Zinsen mit der Gefahr einer Rezession. Leichte Anflüge von Panik seien an den Börsen erkennbar, war dieser Tage zu hören.

Dass die Europäische Zentralbank nach ihrer Zinswende weiterhin Anleihen europäischer Schuldenländer kauft und diese weiterhin damit finanziert, was ihr per Gesetz verboten ist, ist derzeit nur ein mehr als ärgerlicher Randaspekt.

Bergstraße/Südhessen mit Plus

Noch ganz wacker haben sich in den vergangenen Wochen die Aktien aus der Region geschlagen. Das Depot Bergstraße/Südhessen konnte sich mit einem Plus von einem Prozent sogar behaupten. Mit drei Prozent bergab ging es mit den Papieren aus dem Depot Rhein-Neckar, unverändert notierte das Depot Rhein-Main. Ob das so bleibt, ist ungewiss.

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Im Depot Bergstraße/Südhessen hat die Aktie von Dentsply Sirona, dem größten Arbeitgebers der Region, zwar wieder geringfügig Boden gut gemacht in den vergangenen Wochen. Doch von alten Höhen ist der Konzern noch weit entfernt. Vor einem Jahr notierte das Papier um ein Drittel höher. Neben dem schlechten Jahresstart mit Umsatz- und Gewinneinbußen dürften auch interne Nachforschungen eine Rolle spielen. Der frühere Konzernchef Don Casey musste im April abrupt gehen. Gegen ihn laufen Ermittlungen im Zusammenhang mit finanziellen Unregelmäßigkeiten bei Geschäften mit Händlern und der Erreichung von Vergütungszielen. Einen Rüffel gab es von der Börse Nasdaq wegen nicht rechtzeitiger Einreichung von Quartalszahlen. Die Sirona-Aktie ist an der Nasdaq notiert.

Analysten sind bei Merck uneins

Ein Minus verzeichnete die Aktie des Elektronikspezialisten TE Connectivity, nach Sirona der zweitgrößte private Arbeitgeber an der Bergstraße. Zwar scheint sich die Autobranche, an die TE Steckverbindungen und Sensoren liefert, weltweit zu erholen. Und auch vom Elektroautoboom profitiert der Konzern. Doch vom Vor-Corona-Niveau ist die Branche noch weit entfernt. Und der erneute Lockdown in China kommt noch hinzu. Der wird bei TE zu einem geringeren Umsatzplus und einen niedrigeren Gewinn, wurde bereits avisiert.

Bei Merck legte der Aktienkurs jüngst zwar zu. Doch erst kürzlich hat die US-Investmentbank Goldman Sachs das Kursziel des Chemie- und Pharmakonzerns aus Darmstadt gesenkt und die Einstufung auf „Verkaufen“ belassen. Trotz der unterdurchschnittlichen Kursentwicklung seit Jahresbeginn hätten andere Branchentitel mehr Potenzial, meint Analyst Keyur Parekh. Das Gros der anderen Analysten rät jedoch weiterhin zum Kauf der Merck-Aktie.

BASF-Papiere zuletzt behauptet

Ebenfalls leicht im Plus war das Papier von Jungheinrich, der Gabelstaplerhersteller hat einen Standort in Bensheim. Für den deutlichen Kursrückgang seit Jahresbeginn ist das aber nur ein schwacher Trost.

Das Zwingenberger Biotechunternehmen Brain verzeichnet auch ein Kursplus. Nach wie vor ist das Papier aber noch ein gutes Stück vom Emissionskurs beim Börsengang 2016 entfernt. Bekräftigt wurde zuletzt der Plan, in die schwarzen Zahlen zu kommen.

Im Depot Rhein-Neckar hat sich die Aktie der BASF zuletzt behaupten können. Doch dem Chemiekonzern drohen dramatische Folgen, wenn Russland kein Gas mehr liefert. Eine Reduzierung der Erdgasversorgung auf unter die Hälfte des heutigen Bedarfs würde zu einer vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit im Stammwerk Ludwigshafen führen, so der Konzern. BASF ist Großverbraucher beim Gas, allein Ludwigshafen bezog 2021 rund 37 Terawattstunden Erdgas. Davon entfällt schätzungsweise die Hälfte auf russische Importe.

An der Börse zeigt sich ein anderes Bild. Die Analysten von JP Morgan sehen die Papiere der Ludwigshafener derzeit als attraktiv bewertet und so als Kaufchance. Das Kurs/Gewinn-Verhältnis sei seit Januar 2020 vor der Corona-Krise überdurchschnittlich gesunken, hieß es. Gleichzeitig trauen die Branchenexperten dem Unternehmen im kommenden Jahr höhere Ergebnisse zu als der Markt. Das US-Analysehaus Bernstein Research meint außerdem, dass rasant steigende Rohstoff- und Energiepreise weiterhin auf die Kunden umgelegt werden können.

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In alten Tiefen findet sich derzeit das Papier des Softwarekonzerns SAP. Die Aktie notiert auf dem Niveau von unter Anfang 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie. Zuversicht streut Finanzanalyst Toby Ogg von der schweizerischen Bank Credit Suisse. Er geht davon aus, dass ein Wendepunkt für das Wachstum von Umsatz und operativem Gewinn dem Softwarekonzern unmittelbar bevorsteht.

Wenig Bewegung gab es in den vergangenen Wochen bei der Aktie des Energieversorgers MVV. Der dürfte künftig von den hohen Strom- und Gaspreisen profitieren. Und muss sich Kritik von Klimaschützern erwehren. Es werde zu wenig getan in Sachen Umorientierung in Richtung Erneuerbare, so der Vorwurf.

Weiter nach unten ging es für den Schmierstoffkonzern Fuchs Petrolub mit seinen wichtigen Kunden in der Autoindustrie, und zwar denen, die Verbrennungsmotoren herstellen. Die Fuchs-Aktie notiert auf einem Fünfjahrestief. Derweil macht sich der Konzern auf in neue Geschäftsfelder und hat sich kürzlich an einem Hersteller von Elektrolyten für E-Auto-Batterien beteiligt.

Aufbruch zu neuen Ufern

Auch Südzucker spürt die Zeitenwende in Richtung E-Mobilität. Initiativen zur Absenkung des Anteils an Biokraftstoffen lasten auf der Konzerntochter Crop Energies. Und ob der Optimismus für das Zuckergeschäft im Herbst wie erwartet kommt, muss sich noch zeigen. Ähnlich wie Fuchs macht sich auch Südzucker auf zu neuen Ufern. Vor einigen Tagen wurde das niederländische Unternehmen Meatless gekauft. Im Rahmen der Konzernstrategie hat Südzucker Proteine auf pflanzlicher Basis als ein Schwerpunkthema definiert. Die Akquisition von Meatless (stellt vegetarische Fleischersatzprodukte her) unterstützt die Zielsetzung Südzuckers, sich von einem großtechnischen Verarbeiter landwirtschaftlicher Rohstoffe (Zuckerrüben) hin zu einem führenden Partner für pflanzenbasierte Lösungen zu entwickeln, heißt es.

Auf und Ab bei der Lufthansa

Im Depot Rhein-Main ging es Deutscher und Commerzbank in den vergangenen vier Wochen, gemessen am Aktienkurs, erst gut, dann wieder schlechter. Die Aktien der Deutschen Bank sehen die Markexperten von JPMorgan als Kaufchance. Ihr Kurs/Gewinn-Verhältnis sei seit vor der Corona-Krise überdurchschnittlich gesunken, hieß es. Eine attraktive Bewertung. Gleichzeitig trauen die Branchenexperten dem Unternehmen im kommenden Jahr höhere Ergebnisse zu. Bei der Commerzbank gibt es, wie auch bei anderen Banken, für die Erlöse Rückenwind durch die Zinswende der Europäischen Zentralbank, meint Peter Richardson, Aktienanalyst von der Berenberg Bank.

Ein Auf und Ab erlebte in den vergangenen Monaten die Lufthansa-Aktie. Derzeit geht es wieder abwärts. Nach der Erholung der Luftfahrtbranche von der Corona-Krise verlagert sich das Risiko nun in Richtung einer Rezession, meint Analystin Carolina Dores von der US-Investmentbank JP Morgan.

Lücken in den Lieferketten

Der Flughafenbetreiber Fraport leidet mit der Transportbranche und der macht die Lage in China zu schaffen. Erst der Lockdown in Shanghai und nur der Mangel an Personal: Die Lieferketten dürften wahrscheinlich noch länger eingeschränkt bleiben. Die kurzfristig vorgesehene Kapazität sei in Frankfurt am schwächsten und liege bei etwa 75 Prozent des Niveaus vom Mai 2019, heißt es von Analysten der Berenberg Bank.

Nahe ans Jahrestief heran kam der Aktienkurs des Fresenius-Konzerns. Die britische Investmentbank Barclays ist dennoch optimistisch. Nach dem schwachen Jahresstart des Medizintechniksektors gebe es gute Gründe für Zuversicht, so Analyst Hassan Al-Wakeel. So sei die Umsatzdynamik robust, auch weil nach Corona viele Operationen in Krankenhäusern nachgeholt werden müssten. Zudem erschienen die Aktien attraktiv bewertet, wenngleich die Inflationssorgen, die zuletzt auf ihnen gelastet hätten, nicht so schnell verschwinden dürften. Und da geht es Fresenius wie den anderen börsennotierten Firmen in den jeweiligen Depots. (mir)

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