Bergstraße. Kurz vor und vermutlich auch nach den Osterfeiertagen dürfte es an den Börsen alles andere als ruhig bleiben. Der Ukraine-Krieg dauert unvermindert an und die daraus resultierende Angst von einer wirtschaftlichen Rezession sorgen für alles andere als Zuversicht.
Und es rächt sich, dass die Europäische Zentralbank erst jetzt anfängt, über höhere Zinsen nachzudenken. Das wäre schon viel eher nötig gewesen. Aber es war den Notenbanken wichtiger, Schuldenstaaten Südeuropas mit niedrigen Zinsen zu helfen. Jetzt ist der geldpolitische Schlamassel da. Vor einer drohenden Rezession müssten die Zinsen hoch, um die Inflation zu bremsen.
Die Aktien der Region bewegen sich mehr oder weniger im Abwärtssog der internationalen Börsen. So verloren die Papiere aus dem Depot Bergstraße/Südhessen in den vergangenen Wochen gut drei Prozent. Fünf Prozent betrug das Minus der Papiere aus dem Depot Rhein-Neckar. Gegen den Trend legten die Aktien aus dem Depot Rhein-Main um zwei Prozent zu. Allerdings von einem nach wie vor sehr niedrigen Niveau aus.
Drei Regionen – drei Depots: Das Aktienranking des Bergsträßer Anzeigers
Der Bergsträßer Anzeiger hat verschiedene regionale Aktiendepots zusammengestellt und berichtet in regelmäßigen Abständen über die Entwicklung dieser (fiktiven) Geldanlagen.
Im Depot Bergstraße/Südhessen sind die Anteilsscheine des Dentaltechnikweltmarktführers Dentsply Sirona enthalten, ebenso die Papiere von TE Connectivity. Beide Konzerne sind an US-Börsen notiert. Für den besseren Vergleich werden Euro-Wechselkurse verwendet. Mit von der Partie sind die Anteilsscheine des Flurfördertechnikunternehmens Jungheinrich und des Zwingenberger Biotechunternehmens Brain. Nicht fehlen darf natürlich der Dax-Konzern Merck aus Darmstadt.
Im Depot Rhein-Neckar liegen Aktien des Softwarekonzerns SAP, des Mannheimer Energieversorgers MVV, von Südzucker, dem Schmierstoffkonzern Fuchs Petrolub sowie der BASF.
Das Depot Rhein-Main enthält Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank, sowie von Lufthansa und Fraport. Hinzu kommt der Bad Homburger Fresenius-Konzern. mir
Recht stabil hielten sich im Depot Bergstraße/Südhessen die Papiere von Dentsply Sirona und TE Connectivity. Neue Impulse für den Elektrotechnikspezialisten mit dem großen Standort in Bensheim sind direkt nach Ostern zu erwarten. Dann werden Quartalszahlen veröffentlicht. Nötig wäre es, denn die Aktie hat seit Jahresbeginn kräftig verloren. Anfang Mai stehen dann bei Dentsply Sirona, dem größten Arbeitgeber an der Bergstraße, Quartalszahlen an. Bei der Aktie hat sich der Abwärtstrend etwas beruhigt.
Auf hohem Niveau stabil hält sich die Aktie des Pharma- und Chemiekonzerns Merck. Mit guten Aussichten. Labortechnologie dürfte auch nach der Corona-Pandemie eine Gewinnerbranche bleiben, meint Analyst Peter Spengler von der DZ Bank. Bei Merck sei dieses Geschäft ein Teil der Sparte Life Science, die das größte, wachstums- und margenstärkste Segment sei.
Anders sieht es bei Jungheinrich aus. „Die dunklen Wolken sind zurück“, so Analyst Jorge Gonzalez Sadornil vom Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe. Der Krieg in der Ukraine sorge für neue Lieferkettenprobleme und zusätzlichen Kostendruck.
Und beim Biotechunternehmen Brain aus Zwingenberg ging es ebenfalls bergab. Und die Aktie liegt mittlerweile deutlich unter dem Emissionskurs beim Börsengang im Jahr 2016 von neun Euro.
BASF und SAP unter Druck
Kräftig Federn ließen im Depot Rhein-Neckar die Schwergewichte BASF und SAP. Die BASF steht gleich von drei Seiten unter Druck. Bleibt Gas aus Russland aus, muss die Produktion eingeschränkt werden. Die schwächelnde Wirtschaft drückt auf den Absatz und eine Milliardenabschreibung auf die Gaspipeline Nord Stream 2 verhagelt die Quartalszahlen, die im operativen Geschäft eigentlich viel besser als erwartet ausfielen.
Die Wohlfühlzeiten für die SAP-Aktionäre scheinen vorerst vorbei. Das Papier notiert wieder unter der Schwelle von 100 Euro. Die Tatsache, dass Aufsichtsratschef und Mitgründer Hasso Plattner noch zwei Jahre an Bord bleiben will, hat ein zwiespältiges Echo ausgelöst. Einerseits will man auf ihn als strategischen Vordenker nicht verzichten. Andererseits wäre es mit 78 Jahren auch mal gut. Der Abschied den Finanzvorstands Luca Mucic belastete den Kurs zusätzlich.
Die gute Dividendenrendite und die geringe Liquidität der Aktie hält den Kurs des Energieversorger MVV oben. Hohe Gas- und Strompreise werden voraussichtlich an die Kunden weiter gegeben, so dass von dieser Seite keine Gefahr für die Ertragslage und den Kurs droht.
Ob der Südzucker-Konzern von möglichen Lebensmittelknappheiten profitieren kann, wird sich zeigen. Derzeit sieht es noch nicht danach aus. Zumal einige Hausaufgaben anstehen. Das operative Ergebnis liegt am unteren Rand der vom Unternehmen in Aussicht gestellten Spanne, erklärt Analystin Virginie Boucher-Ferte von der Deutschen Bank. Im Schlussquartal sei die Profitabilität des Zuckerproduzenten geringer gewesen als angenommen.
Optimistische Fluggesellschaften
Das Plus im Depot Rhein-Main wirkt etwas trügerisch. Es ist vor allem Fresenius zu verdanken. Dort ist es allerdings alles andere als ruhig. Analyst David Adlington von der US-Bank JPMorgan erwähnt Medienberichte, wonach der Krankenhaus- und Medizinkonzern einen Anteil von 20 Prozent an seiner Krankenhaussparte Helios verkaufen wolle. Optimisten könnten argumentieren, dass der Deal den Wert des Konzerns offenbare. Für andere könnte die Transaktion bedeuten, dass die Konzernstruktur nur noch komplexer werde.
Die europäischen Fluggesellschaften sind weiterhin von der Erholung des Geschäftsreiseverkehrs überzeugt und verwiesen auf positive Trends aus der Vorsaison, so Analyst Richard Clarke von Bernstein Research. Entscheidend bleibe der Reisemix: Flüge von Beschäftigten aus den unteren Ebenen der Unternehmenshierarchie seien derzeit verbreiteter als aus dem oberen Management.
Nach einer Fachkonferenz merkt David Perry von der US-Bank JPMorgan an, dass die Vorträge ein positives Bild für die ganze Flugbranche gezeichnet hätten. Von Flughafenbetreibern - vor allem Fraport - habe es aber vorsichtigere Aussagen gegeben. Er bevorzugt in diesem Bereich die Aktien der spanischen Aena.
Andere Analysten weisen darauf hin, dass sich die Branche von der Pandemie zwar erhole, nun seien aber politische Unsicherheiten sowie steigende Preise für Treibstoff das Thema. Freud und Leid steht den Banken bevor. Schwankungen an den Finanzmärkten sollten in der zweiten Quartalshälfte dem Handelsgeschäft zugute gekommen sein.
Im Investment-Banking dürfte aber die Aktivität nachgelassen und die Gebühren negativ beeinflusst haben, so Anke Reingen von der RBC. Bei anderen zeichnet sich ein schwächeres Wachstum bei der Kreditvergabe ab - vor allem bei Banken mit einem starken Engagement im Mittelstand wie der Commerzbank.
Das Vertrauen verloren in Deutsche und Commerzbank hat offenbar deren Großaktionär Capital Group, er soll seine Anteile von jeweils mehr als fünf Prozent verkauft haben. (mir)
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