Bergstraße. Die ersten 128 Frauen, Männer und Kinder sind in die Groß-Rohrheimer Känguru-Insel eingezogen. Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf war bereits dort und hat sich umgesehen. „Das ist eine sehr große Verbesserung für die Menschen“, stellt er fest.
Der Kreis Bergstraße hat in dem früheren Indoor-Spielplatz eine Unterkunft für 300 Personen eingerichtet, die zum Teil noch in der Bensheimer Zeltstadt leben. Trotzdem müsse auch das kleine Groß-Rohrheim mit Direktzuweisungen rechnen, macht Schimpf deutlich. Und fügt an: „Es handelt sich um drei Personen. Das ist doch wohl zu schaffen.“
Je nach Größe der Kommune
Direktzuweisung – das Thema sorgt zurzeit in vielen Städten und Gemeinden im Kreis für Aufregung. Ab Mai sollen die Geflüchteten, die hier ankommen, weiter verteilt werden. Und zwar entsprechend der Größe der Kommune. Das wären zunächst drei Personen für Groß-Rohrheim, rund 50 für Bürstadt. Das Problem: Es gibt keine freien Unterkünfte.
Allerdings werden die Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, stetig mehr. Sie stammen aus der Ukraine, aber auch aus Afghanistan, Syrien und der Türkei. Bei etwa der Hälfte der Personen, die das Land dem Kreis zuweist, sei ziemlich sicher, dass sie nicht auf Dauer bleiben dürfen, meint Schimpf. Trotzdem müssten alle versorgt und untergebracht werden. Dafür würden dringend freie Flächen gebraucht.
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Dass der Kreis die Menschen zentral unterbringt und die Kommunen entlastet, stehe seit 2013 fest, berichtet Schimpf. Allerdings: „Von Anfang an war klar, dass dann die Kommunen zuständig sind.“ Der Grünen-Politiker war bereits damals als Kämmerer im Kreis für die Flüchtlinge zuständig. Ab 2016 hatte der Groß-Rohrheimer SPD-Politiker Karsten Krug das Amt übernommen.
Mit den neuen Mehrheiten an der Bergstraße ist Schimpf im vergangenen Sommer wieder an seinen früheren Schreibtisch zurückgekehrt – und hat bei den Städten und Gemeinden schnell um Unterstützung gebeten. Passiert sei allerdings wenig bis nichts: „Die Rathäuser haben uns keine Flächen genannt“, kritisiert Schimpf.
Nur für den Übergang gedacht
Dazu kommt ein weiteres Problem: Zwar betreibt der Kreis viele kleinere Unterkünfte in den Kommunen. Hier leben aber immer noch Menschen, die seit Jahren Bleiberecht haben. „Diese Wohnungen sind aber nur für den Übergang gedacht“, macht der Kreisbeigeordnete deutlich. Anerkannte Flüchtlinge sollten schon längst etwas eigenes gefunden haben – so lautete zumindest der Plan.
Aufgegangen ist dieser allerdings nicht, denn bezahlbare Wohnungen sind rar, und der Markt ist schwierig. Die Folge: Die Bewohner der Bensheimer Zeltstadt können nicht umquartiert werden, sie müssen bleiben. Dabei würde der Platz für die vielen Neuankömmlinge, die in den kommenden Wochen und Monaten erwartet werden, dringend gebraucht.
80 Neuzugänge pro Woche
Nun setzt Schimpf also auf die Direktzuweisungen. Das „Wehklagen“ aus einigen Rathäusern kann er trotzdem nicht verstehen. Mit seinem Team sei er Woche für Woche unterwegs, um zusätzliche Flächen zu finden. „Das ist kein Spaß.“
Dabei mache es keinerlei Sinn, Turnhallen oder ähnliches anzumieten: „Da passen höchstens 180 Personen rein. Das rentiert sich nicht.“ Zumal der Kreisbeigeordnete mit etwa 80 Neuzugängen pro Woche rechnet.
Genügend Duschen, Toiletten und Waschmaschinen
„Da müsste ich ja alle zwei Wochen eine neue Turnhalle mieten.“ Sinn mache eine Gemeinschaftsunterkunft erst ab 250 bis 300 Personen – wie in der Groß-Rohrheimer Känguru-Insel. Die logistischen Anforderungen sind nämlich immer gleich: Der Kreis muss für genügend Duschen, Toiletten und Waschmaschinen sorgen.
Die Leitung der Einrichtung und ein Security-Dienst müssen gefunden werden. Und in der Regel auch ein Caterer, weil es nicht genug Kochgelegenheiten für alle Bewohner gibt.
Wie kann also die Lösung aussehen? Schimpf denkt an Container-Dörfer. Dafür müssten die Kommunen eben geeignete Flächen finden. Auch feste Unterkünfte kämen in Frage – ähnlich wie sie in Biblis im Jahr 2016 entstanden sind: schnell und in einfacher Bauweise.
Mit einigen Städten und Gemeinden stehe der Kreis bereits in konstruktiven Gesprächen – wie in Bürstadt, hebt Schimpf hervor. Bürgermeisterin Bärbel Schader (CDU) sei ohnehin immer eine der ersten, die sich Gedanken mache und zur Unterstützung bereitstehe.
Aber auch mit den anderen Kommunen soll eine gute Lösung gefunden werden. Für den 9. Februar lädt der Kreis die Städte und Gemeinden zum Treffen ein. Hier will Schimpf das Vorgehen ausführlich erläutern. Eine Befürchtung in Sachen Direktzuweisung räumt er allerdings sofort aus dem Weg: „Die Verwaltung übernimmt nach wie vor der Kreis. Die Kommunen müssen die Leute nur unterbringen.“ /sm
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