Bergstraße. „Ich habe Hunger“, sagen viele Menschen, wenn sie ein Knurren oder eine Leere im Magen spüren. Doch was Hunger wirklich bedeutet, ist den wenigsten Menschen in Deutschland bewusst. Früher war Hunger eine der größten Bedrohungen für das Überleben des Menschen. Heute hingegen gibt es in vielen Ländern der Erde ein Überangebot an Nahrung – ob in Supermärkten, Restaurants oder Fast-Food-Ketten. Dieses Überangebot trägt letztlich dazu bei, dass immer mehr Menschen übergewichtig oder adipös werden.
Die Ursachen und Folgen wurden jetzt bei einem Pressegespräch mit Fachärzten des Kreiskrankenhauses Bergstraße im Heppenheimer Landratsamt erörtert.
Adipositas, auch als Fettleibigkeit bezeichnet, ist eine chronische Erkrankung, die durch übermäßige Ansammlung von Körperfett gekennzeichnet ist. Ein Body-Mass-Index (BMI) über 30 gilt als Schwelle zur Adipositas. „Dadurch steigt das Risiko für zahlreiche Krankheiten erheblich“, erklärte Internist Dr. Uwe Seitz (Bild: Diry). Zu den Folgeerkrankungen gehören unter anderem Diabetes, Schlaganfälle und Krebs.
Über die Selbsthilfegruppe
Auch das digitale Zeitalter trägt zur Zunahme von Übergewicht bei. Viele Menschen essen beim Fernsehen, was sie von der eigentlichen Nahrungsaufnahme ablenkt und oft zu einer höheren Kalorienzufuhr führt. Hinzu kommt, dass Werbung unser Konsumverhalten beeinflusst. Wenn die überschüssigen Pfunde dann wieder verschwinden sollen, ist eine Diät, entgegen der Vermutung, meist nicht der richtige Weg. Der Körper fühlt sich nicht satt, und nach dem Fasten tritt häufig der Jojo-Effekt auf, bei dem das Gewicht schnell wieder ansteigt.
Anteil der übergewichtigen Personen nimmt seit 30 Jahren zu
Stattdessen sei es sinnvoller, den Lebensstil langfristig umzustellen und beispielsweise auf Intervallfasten zu setzen. „Es ist wichtig, nur so viel zu essen, bis man satt ist“, betonte Seitz. Er warnte auch vor den neuen Trends wie dem Diabetesmedikament Ozempic und der Abnehmspritze Wegovy. „Diese Medikamente wirken weniger nachhaltig als eine Schlauchmagen-OP oder ein Magenbypass“, sagte Seitz. Zudem seien sie teuer, müssten dauerhaft eingenommen werden und führten zu Engpässen bei der Medikamenten-Versorgung von Diabetespatienten.
Der Anteil übergewichtiger Menschen nimmt jedoch nicht erst seit ein paar Jahren zu, sondern kontinuierlich seit 1990. Weltweit hat sich die Zahl der Adipositas-Fälle seit 1975 sogar verdreifacht. Bezogen auf die Jahre 2019/2020 waren in Deutschland 53,5 Prozent der Bevölkerung von Übergewicht betroffen, davon 46,6 Prozent der Frauen und 60,5 Prozent der Männer. Gleichzeitig bewegen sich die Menschen weniger: 2010 hielten sich noch 83 Prozent der Deutschen an die WHO-Empfehlung von zweieinhalb Stunden Sport pro Woche, 2021 waren es nur noch 70 Prozent.
Lebensstil der Eltern beeinflusst die Gesundheit von Kindern
Auch Kinder und Jugendliche sind zunehmend von Übergewicht betroffen. Dies zeige sich bei vor allem bei den Schuleingangsuntersuchungen, betonte Erste Kreisbeigeordnete Angelika Beckenbach. Kinder werden häufig zur Schule gefahren und spielen seltener draußen, so Seitz. Seiner Meinung nach müsse der Sportunterricht in der Schule jeden Tag mindestens eine Stunde stattfinden, dies sei jedoch eine utopische Vorstellung. Zudem hänge der Lebensstil der Kinder stark vom Elternhaus ab. „Wer raucht und abends eine Tüte Chips vor dem Fernseher isst, gibt diese Gewohnheiten oft an seine Kinder weiter.“
Wenn Diäten und eine gesunde Ernährung nicht ausreichen oder scheitern, kann die Schlauchmagen-OP oder ein Magenbypass die letzte Hoffnung für Betroffene sein. „Diese Operationen helfen den Menschen, wieder aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und gesundheitliche Schäden zu vermeiden“, erklärte Dr. Phillip Knebel (Bild: Diry) , Facharzt für Viszeralchirurgie. 90 Prozent der an Adipositas-Erkrankten schafften es nicht von alleine, ihren Lebensstil dauerhaft zu ändern.
Knebels Patienten sind in der Regel zwischen 20 und 40 Jahre alt, aber auch ältere Menschen könnten durch die Operation eine dauerhafte Gewichtsreduktion erreichen. „Bereits ein Monat nach der OP verlieren die Erkrankten zehn bis zwölf Kilo.” Nach der Operation bekämen die meisten auch die Motivation für eine Änderung ihres Lebensstils, weil sie Erfolge sehen. Studien hätten sogar ergeben, dass die Sterblichkeit der Erkrankten durch die OP abnimmt.
„Wir wissen, dass das Thema in der Gesellschaft stigmatisiert ist und sich die Betroffenen oftmals schämen”, stellte Knebel heraus. Doch die Gesundheit und das eigene Leben sollte immer an erster Stelle stehen.
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