Kommunalpolitik

Der Kreistag will den Menschen seine Arbeit verständlicher vermitteln - nur wie?

Von 
Konrad Bülow
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Die Mitglieder des Kreistags streiten über die Frage, wie sie ihre Arbeit den Bürgern besser vermitteln können. © Thomas Neu

Bergstraße. Die Bergsträßer sollten ihren Kreistag und seine Arbeit nach dem Wunsch seiner Mitglieder stärker wahrnehmen. Um das zu erreichen, hat die kommunale Versammlung die Verwaltung mit einer Prüfung beauftragt, die klären soll, wie die Außendarstellung des Gremiums, seiner Beschlüsse, seiner Zusammensetzung und seiner Arbeitsweise, verbessert werden kann – mit dem digitalen Zeitalter angemessenen Mitteln. Geprüft werden sollen nach dem Antrag der Mehrheitskoalition aus CDU und Grünen besonders „das Erstellen eines Imagevideos oder der Einsatz einer geeigneten anderen Präsenz im Internet sowie das Einladen von Schulklassen zu öffentlichen Kreistagssitzungen“. Letztlich gehe es auch um einen kommunalen Beitrag zur politischen Bildung.

Entscheidung zur Schullandschaft

Die Auswirkung von Beschlüssen des Kreistags ist tatsächlich näher am Leben der Menschen, als vielen bewusst zu sein scheint. Er werde teilweise ratlos angeschaut, wenn er Gleichaltrigen sagt, dass er dieser Versammlung angehört, sagte der junge Kreistagsabgeordnete Moritz Bischof (CDU), mancher wisse nicht so richtig, was der Kreistag eigentlich ist.

Dabei treffen die 71 Abgeordneten – von denen sich einige nur ehrenamtlich in der Kommunalpolitik engagieren, während andere in Personalunion Bürgermeister sind – durchaus auch wichtige Entscheidungen, unter anderem über die Schullandschaft. Dass es in Lorsch kein Gymnasium geben soll und die Standorte in Bensheim und Heppenheim stattdessen ausgebaut werden, wurde dort entschieden – wenn es auch danach vom Land Hessen abgesegnet werden musste. Als volle Schulbusse in der Corona-Krise zum Sicherheitsrisiko wurden, gab der Kreistag Mittel für Verstärker-Busse frei.

Etwas langweilig wirkt vielleicht auf den ersten Blick die Nachricht, dass die Kreisumlage erhöht wurde. Letztlich bedeutet diese Entscheidung aber, dass die Städte und Gemeinden mehr Geld an den Kreis abgeben müssen als vorher. Von den Füllständen der Gemeinde- oder Stadtkassen kann wiederum abhängen, ob Projekte vor Ort zurückgestellt oder auch Steuern erhöht werden müssen.

Förderungen für Hebammen, Beitritt zum Klimabündnis

Hebammen sollen im Kreis Bergstraße künftig bessere Arbeitsbedingungen vorfinden. Auf einen Antrag von CDU und Grünen hat der Kreistag den Kreisausschuss – ein Organ der Bergsträßer Verwaltung – damit beauftragt zu klären, wie die Ausbildung der Hebammen im Kreis unterstützt werden kann“. Aus der Prüfung soll ein Konzept entstehen, dass dann dem Kreistag zur Beschlussfassung vorgelegt wird.

Der Kreisausschuss soll außerdem ausloten, wie den Hebammen eine stärkere Vernetzung ermöglicht werden kann. Zudem soll sich der Kreis beim Land dafür einsetzen, dass künftig auch Fahrtstrecken von Hebammen – etwa zur Nachsorge – vergütet werden.

In der jüngsten Sitzung hat der Kreistag – ebenfalls auf Antrag von CDU und Grünen – außerdem beschlossen, dass der Kreis dem Verein Klimabündnis mit Sitz in Frankfurt beitritt. Dem Zusammenschluss gehören 1800 Kommunen in 27 Ländern an. Der Verein will den Umweltschutz fördern – etwa durch Verminderung der Treibhausgasemmissionen, Vermeidung von Tropenholz im kommunalen Bereich und Information der Öffentlichkeit über mögliche Energiesparmaßnahmen im privaten Bereich. Für den Kreis läge der jährliche Mitgliedsbeitrag, berechnet anhand der Einwohnerzahl, bei 2087 Euro.

In den zuständigen Fachausschuss wurden Anträge von SPD und Freien Wählern zur weiteren Beratung verwiesen, die Förderprogramme für Photovoltaik-Steckermodule – sogenannte Balkonkraftwerke – erreichen wollten. Die Sozialdemokraten hatten beantragt, dass noch dieses Jahr eine Pilotphase startet, in der bis zu 200 Anlagen mit bis zu 20 Prozent der Anschaffungskosten und maximal 100 Euro gefördert werden. Bis 2025 sollten in der Folge 1000 Steckermodule mit einer Leistung bis zu 600 Watt gefördert werden. Die Freien Wähler wollen ebenfalls ein Programm, das mit 40 000 Euro aus einem Nachtragshaushalt finanziert werden soll, die Förderrichtlinien soll demnach der Kreisausschuss erarbeiten. kbw

Die Kreistagsabgeordneten, die diese Woche im Mörlenbacher Bürgerhaus tagten – das tun sie dieses Jahr fünf Mal an unterschiedlichen Veranstaltungsorten im Kreis – waren sich weitgehend einig darin, dass die Bedeutung des Gremiums den Menschen näher gebracht werden muss. Über das Wie gab es unterschiedliche Auffassungen.

Für die SPD war der Antrag der schwarz-grünen Koalition zu allgemein formuliert. Die Sozialdemokraten hatten mehrere konkrete Vorschläge. Ihnen schwebte etwa vor, die Internet-Anwendung Open Petition auf der Internetseite des Kreises Bergstraße einzubinden. Auf diese Weise sollten, so die Hoffnung, Nutzer Anregungen und Vorschläge formulieren können, die – sofern sie 2222 Unterschriften ergattern – zur Beratung vorgelegt werden. Weitere Vorschläge der SPD waren ein regelmäßiger Transparenzbericht aus dem Kreistag, Veröffentlichungen von Vorhabenlisten sowie Live-Aufzeichnungen von Kreistagssitzungen im Internet.

Sitzungen als Online-Video?

Ob der Besuch einer Kreistagssitzung oder das Ansehen einer Aufzeichnung das Interesse an dem kommunalen Gremium fördern oder eher im Keim ersticken würden, müsste sich zeigen. Wer sich die Sitzung dieser Woche angesehen hätte, wäre Zeuge geworden, wie sich die Abgeordneten im Laufe der Debatte über das Thema, zu dem doch ein gewisses Maß an Konsens herrschte, in die Haare kriegten.

Die Befürchtung, radikale Gruppen könnten Open Petition missbrauchen, um ihre Agenda in den Kreistag zu bringen, war zu vernehmen, auch die Sorge, die Organisation all der von der SPD vorgeschlagenen Maßnahmen verursache hohe Kosten für die Verwaltung. Das ganze gipfelte letztlich in Vorhaltungen gegenüber der SPD, sie habe doch in den Jahren 2016 bis 2021, als sie mit der CDU der Mehrheitskoalition angehörte, die jetzt geforderten Schritte einleiten können.

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Gekontert wurde dies mit dem Hinweis, Sozialdemokratin Simone Reiners, die den SPD-Antrag begründete, habe damals noch gar nicht dem Kreistag angehört. Zwischenzeitlich wurde es zwischen dem designierten Grünen Kreisbeigeordneten Matthias Schimpf und dem ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten Norbert Schmitt richtig laut. Wer sich als Außenstehender eine Kreistagsdebatte anschaut, sollte so etwas mögen.

Der Antrag von CDU und Grünen wurde letztlich mehrheitlich angenommen, jener der SPD fand keine Mehrheit.

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