Natur und Umwelt

Den Fledermäusen an der Bergstraße auf der Spur

Wer glaubt, im Jägersburger Wald wäre es nachts still, der täuscht sich. Immer wieder raschelt es im Gebüsch. Nicht nur heute, sondern mehrere Nächte am Stück verbringt der Biologe Mathias Herrmann hier.

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Sina Roth
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Um Fledermäuse im Jägersburger / Gernsheimer Wald –wie diese hier – zu besendern, fängt ein Forscher-Team diese mit Hilfe von Netzen ein. © Roth

Bergstraße. Wer glaubt, im Jägersburger Wald wäre es nachts still, der täuscht sich. Immer wieder raschelt es im Gebüsch, Äste knacken und im Hintergrund - unüberhörbar - das durch die Bäume und Sträucher gedämpfte Rauschen der Autobahn.

Nicht nur heute, sondern mehrere Nächte am Stück verbringt der Biologe Mathias Herrmann hier im Wald. Er ist Büroleiter der Niederlassung der Ökolog-Freilandforschung in Parlow und aktuell mit 13 weiteren Mitarbeitern an der Bergstraße beschäftigt.

Hintergrund ist ein Auftrag der Deutschen Bahn im Kontext der ICE-Trasse und der Verbreiterung der A 67. Seit einigen Jahren ist er immer wieder in der Region unterwegs, um Kartierungsarbeiten durchzuführen. Aktuell dreht sich dabei alles rund um die Fledermaus. Denn das Forschungs-Team soll herausfinden, wo in der unmittelbaren Umgebung zur Autobahn sich Fledermäuse aufhalten, welche Arten es sind, wo sie ihre Quartiere haben und in welchem Umkreis sie sich bewegen.

Im Telemetrieauto unterwegs

Heute darf ich mit in den Wald, auf Fledermaus-Expedition. Auch Matthias Mähliß ist stellvertretend für die DB Netz AG dabei. Er ist im Zusammenhang mit der Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim zuständig für den Bereich Umweltplanung und Naturschutz.

In einem sogenannten Telemetrieauto geht es los, vom Sportplatz des SV Schwanheim aus, durch den Wald. Die insgesamt fünf Fahrzeuge dieser Art, mit denen das Forschungsteam in der Region unterwegs ist, ziehen einige Blicke auf sich - weniger die Fahrzeuge an sich, als eher die großen „Antennen“ auf dem Dach. Vor allem in Einhausen kann man die Autos immer wieder entdecken, denn dort übernachten die Mitarbeiter, wenn sie in der Gegend sind.

„Mit Hilfe von diesen sogenannten Telemetriefahrzeugen können wir Signale von besenderten Fledermäusen empfangen, um diese zu verfolgen und ihre Routen nachvollziehen zu können“, so Herrmann.

Sicher über Straße und Schienen

Alle Daten, die hier im Jägersburger/Gernsheimer Wald und Umgebung gesammelt werden, dienen einem bestimmten Zweck. Denn damit die Tiere auch künftig auf ihren Wegen nicht von Zügen oder Autos erfasst werden, sollen insgesamt drei Grünbrücken in der Region gebaut werden. „Eine davon wird unmittelbar von der Stelle entstehen, zu der wir jetzt fahren“ , so Mähliß, nämlich an der A 67, südlich der Anschlussstelle Gernsheim.

Bis zur Planfeststellung, die 2023 folgen soll, sind bereits zahlreiche Tierarten immer wieder im näheren Umfeld kartiert worden. Von Käfern über Reptilien bis hin zu größeren Säugetieren wie dem Dachs ist alles dabei. Und ja, auch ein Tier, das eigentlich fliegen kann, wie die Fledermaus, profitiert von einer Grünbrücke, wie Herrmann erklärt.

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Bergsträßer Fledermäusen auf der Spur

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„Fledermäuse orientieren sich mithilfe von Schallwellen. Und da die Autobahn breiter werden soll, ist der Abstand zu den Bäumen auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu groß, als dass sie sich daran noch orientieren können.“ Bäume und Sträucher auf der rund 50 Meter breiten Grünbrücke sollen ihnen künftig dabei helfen, einen sicheren Weg über Straße und Schienen zu finden.

Sender verraten, wo die Tiere sind

Im Wald angekommen bahnen wir uns einen Weg über Baumstämme, durch hohes Gras und Brombeerhecken. Auf einer kleinen Lichtung, an einem toten Baum angekommen, heißt es dann: abwarten und Fledermäuse zählen. In einem Astloch ist ein Fledermausquartier, aus dem am Vortag noch zwölf Fledermäuse herausgeflogen kamen. Mit Wärmebildkameras und Telemetrieempfängern ausgestattet warten wir darauf, dass sich die Tiere zeigen. Und tatsächlich: Sieben sind es heute.

Noch mehr Glück haben wir an einer Stelle nahe einer Brücke, die über die Autobahn führt. Dort versperren uns - und auch den Fledermäusen - zarte Puppenhaarnetze wie Spinnweben an hohen Stangen den Weg. Mit Stirnlampen machen wir uns auf die Suche nach Fledermäusen, die sich in einem der Netze verfangen haben.

Und tatsächlich! Die erste ist eine sogenannte Bechsteinfledermaus - eine Art, die hier in der Gegend häufig zu finden ist. Ein säugendes Weibchen, zu erkennen an den Zitzen, die hervorstehen und um die herum kein Fell zu sehen ist. Auch ein Jungtier fliegt kurz darauf ins Netz. Behutsam befreit Herrmann es, mit Handschuhen und Mundschutz ausgestattet.

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„Dass eine Fledermaus jung ist, erkennt man daran, dass sie helles Fell hat. Wenn man die Flügel von unten mit einer Taschenlampe anstrahlt, sind diese durchsichtig. Die hier ist noch in diesem Jahr geboren“, weiß der Biologe. Insgesamt gehen in dieser Nacht sieben Fledermäuse ins Netz.

„Das kommt nicht all zu oft vor. Wir hatten auch schon Nächte, in denen wir zwei bis drei eingefangen haben.“ Bis sie zur Untersuchung an der Reihe sind, baumeln die Tiere in cremefarbenen Stoffbeuteln an einem Ast. Denn bevor die Fledermäuse weiterfliegen dürfen, muss einiges notiert werden. Um welche Art es sich handelt, das Gewicht, die Unterarmlänge, das Geschlecht, bei Weibchen, ob sie säugend sind oder nicht.

Manche der Tiere werden außerdem besendert. Dazu wird ein Teil des Fells vorsichtig freigeschnitten, damit man den Mini-Sender mit einem Hautkleber befestigen kann. „Die Batterie im Sender hält sieben bis 21 Tage lang“, erklärt der Biologe. So lange hat das Team Zeit, die Tiere und die Wege, die sie zurücklegen, zu verfolgen. Die Sender selbst fallen irgendwann von alleine ab.

Freier Flug durch die Nacht

Diejenigen, die eingefangen wurden, aber keinen Sender bekommen haben, werden mit einem Nagellack an der Kralle markiert. So kann man vermeiden, dass man das gleiche Tier mehrmals registriert. Sind alle nötigen Daten erfasst, werden die Tiere wieder freigelassen. Etwas abseits der Netze versteht sich, damit sie sich nicht direkt wieder darin verfangen. Mit Handschuhen holt man sie aus dem Beutel und fixiert mit den Fingern behutsam die Flügel. Sie fühlen sich ganz zart an, das Fell ist weich, und die spitzen Zähne blitzen im Licht der Stirnlampe hervor. Ist ein geeigneter Platz gefunden, öffnet man die Hand und die Fledermaus fliegt wieder davon.

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Für uns ist die Nacht im Wald um kurz vor zwei zu Ende. Doch Mathias Herrmann und sein Team denken noch nicht an Schlaf. Für sie geht es noch bis um fünf Uhr im Telemetrieauto weiter, den Fledermäusen auf der Spur.

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