Großbauprojekt

ICE-Trasse: Alle sind dafür - wenn sie in Lorsch und Einhausen im bergmännischen Tunnel verläuft

Von 
Nina Schmelzing
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Lorsch. „Mit Tempo 300 vom Main an den Neckar“ – mit diesem attraktiven Slogan bewirbt die Deutsche Bahn die geplante Schienenneubaustrecke zwischen Frankfurt und Mannheim. Die Reisezeit soll sich damit auf 29 Minuten verkürzen, doppelt so viele Züge im Fernverkehr sollen das bisherige Angebot verbessern. Erstmals machte die Bahn mit ihrem Infomobil jetzt in Lorsch Station, um Passanten in der Stadtmitte die Strecke und die künftigen Möglichkeiten umweltfreundlicher Mobilität vorzustellen. Sechs Mitarbeiter um den Projektleiter der DB Netz AG, Jörg Ritzert, zeigten Visualisierungen und boten Gespräche an. Für viele Lorscher und Einhäuser ist das geplante Großbauprojekt vor ihrer Haustür ein Thema, das sie umtreibt.

Die Vorzugsvariante der Bahn sieht eine zweigleisige Strecke vor, die von Darmstadt kommend Einhausen auf freier Strecke östlich entlang der A 67 passiert, dann bei Lorsch kurz in einen Trog und Tunnel einfährt, die Autobahn unterquert, gleich wieder auftaucht und anschließend weitgehend im Tunnel über Lampertheim nach Mannheim verläuft. Tagsüber sollen ICE-, nachts Güterzüge unterwegs sein.

Weitere Termine

Das DB-Infomobil macht heute (27.) von 12 bis 19 Uhr in Lampertheim am Europaplatz Station. Dort macht auch die Stadt mit einem eigenen Infostand ihre Position klar.

Am Mittwoch (29.) ist das Infomobil von 12 bis 19 Uhr auf dem Juxplatz in Einhausen. „Mensch vor Verkehr“ ist ebenfalls wieder mit einem eigenen Stand präsent und hofft auf viele Besucher.

Am 6. Juli (Mittwoch) lädt „Mensch vor Verkehr“ um 19.30 Uhr zu einer Infoveranstaltung zur Neubaustrecke ins Einhäuser Bürgerhaus ein. sch

Das moderne DB-Infomobil am Benediktinerplatz lockte viele Interessierte an. Zur Halbzeit des Aufenthalts in Lorsch hatte das Team bereits mehr als 100 Besucher gezählt, berichteten die Mitarbeiter. Dass nur wenige Schritte entfernt ein anderer Infostand zeitgleich ebenfalls über die Neubaustrecke unterrichtete, und den Blick dabei auch auf andere Problemfelder lenkte, störte das Bahnteam nach eigener Auskunft nicht. In Sichtweite des DB-Infomobils jedenfalls war vor der Königshalle auch der Verein „Mensch vor Verkehr“ (MvV) präsent.

Offene Bauweise inakzeptabel

Die Mitglieder des Umweltverbands um die Vorsitzenden Reimund Strauch und Dr. Jürgen Reiter zeigten rund um ihr privat zur Verfügung gestelltes Wohnmobil weniger idyllische Bilder als die Bahn. Zum Beispiel war auf ihrer Stellwand ein Foto zu sehen, das die gewaltigen Ausmaße einer Tagebaustelle dokumentierte, daneben eines der noch von Wald umgebenen Alten Mannheimer Straße. Auf dieser Schneise soll für die Neubaustrecke ein Tunnel errichtet werden – im Tagebau, erinnerte MvV. Nur ein langer bergmännischer Tunnel aber könne Natur- und Landschaftszerstörung nachhaltig verhindern und Anlieger vor Lärm- und Umweltbelastungen schützen, sind sich die Unterstützer von „Mensch vor Verkehr“ sicher.

Dass sie nicht gegen den Lückenschluss im Schienennetz kämpfen, unterstreichen sie. Sie fordern aber eine verträgliche Neubaustrecke, denn es handelt sich schließlich um ein Bauwerk, das viele Jahrzehnte bestehen bleibt. Der MvV-Infostand vor der Königshalle war nicht weniger stark frequentiert als das DB-Infomobil. Auch Landrat Christian Engelhardt und Bürgermeister Christian Schönung kamen kurz vorbei, sprachen mit Besuchern der Stände.

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„Baubedingte Eingriffe in die Natur gleicht die Deutsche Bahn mit verschiedenen Kompensationsmaßnahmen aus, die den Menschen und der Natur in der Region zugute kommen sollen“, heißt es im Flyer der Bahn zur Neubaustrecke, der am Infomobil zu haben war. Matthias Mähliß, Umweltplaner bei der DB, schwärmte beim Gespräch in Lorsch unter anderem auch von großen Grünbrücken, die gebaut werden sollen. Viele – vor allem bodengebundene – Tierarten würden profitieren. Zu Ausgleichsmaßnahmen, Waldbereiche werden zum Beispiel klimastabil umgestaltet, ist die Bahn als Bauherr verpflichtet. Sie müssen allerdings nicht zwingend in direkter Nähe des Eingriffs erfolgen.

Ein Todesurteil für den Wald

Durch eine oberirdische Bauweise des Tunnels aber werde wertvolles Lorscher Waldgebiet durchschnitten und erst einmal völlig zerstört, die Erholung der Natur werde sich massiv verzögern und überhaupt sei es fraglich, ob der ursprüngliche Zustand je wieder erreicht werde, fürchtet „Mensch vor Verkehr“ ein Todesurteil für den Wald. In der Region wird deshalb ein bergmännischer Tunnel, gebohrt unter der Erde, und durchgehend von Langwaden bis südlich von Lorsch gefordert. MvV setzt sich seit 20 Jahren für diese Bauweise ein. Beim Auftritt in Lorsch konnten sich Strauch und Reiter nebenbei gleich über einen Neueintritt in ihren Verein freuen.

Bereits heute sei die Lärmbelastung für sie hoch, erklärten Anlieger der Waldrandsiedlung beim Besuch des DB-Infomobils. Sie erinnerten daran, dass vor einigen Jahren schon viele Bäume wegen der Erweiterung der Parkplätze an der Rastanlage gefällt wurden. Die Verlegung des Flüsterasphalts müsste weitergeführt werden, erklärte ein anderer lärmgeplagter Anwohner mit Blick auch auf die geplante Verbreiterung der A 67 auf sechs Streifen: „Wir hören die Autobahn“.

Ein Handwerksmeister, der seinen Betrieb in Lorsch vergrößern möchte, wollte wissen, welche Entschädigung er im Falle eines Falles erwarten könne. Es würde dann ein Gutachten erstellt. „Es ist unser aller Steuergeld“, machten Bahnmitarbeiter deutlich, dass mit den Finanzmitteln sorgsam umzugehen sei.

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„Es wird für so viel Mist Geld ausgegeben“, schimpfte nicht nur ein Infomobil-Besucher, da sollte man es nicht ausgerechnet an Mitteln für einen vernünftigen Tunnelbau fehlen lassen. Denn mit dem Bauwerk und seinen Folgen müssten die Bergsträßer jahrzehntelang leben. „Lorsch ist das schönste Städtchen im Kreis“, stellte ein Zugezogener fest, der sich seinen neuen Wohnort sehr bewusst ausgesucht hatte. Er regte an, notfalls eine „Spendenaktion“ zu organisieren, damit der Tunnel finanziert werden kann. Über die Finanzmittel entscheidet der Bund.

Von wegen „Beteiligungsforum“

Enttäuscht zeigten sich manche Besucher, dass zwar über Bündelungen von Verkehrsströmen, Schallgutachterberechnungen und Abkommensschutzwände informiert werden kann, noch immer aber keine klare Aussagen zur genauen Streckenausführung etwa zwischen Lorsch und Einhausen und zur Weschnitz vorlägen. Die ermittelte Streckenführung sei Ergebnis eines „aufwändigen Abwägungsprozesses, an dem alle Interessengruppen der Region beteiligt waren“, heißt es von der Bahn. Das „Beteiligungsforum“ verdiene den Namen überhaupt nicht, kritisierte ein Besucher. Bürger dürften zwar reden, hätten aber keinen Einfluss. Allzu oft hätten Entscheider über Bauprojekte kein Interesse an den Anliegen der Betroffenen.

Auch nach der Entscheidung für die Vorzugsvariante ende dieser Dialog mit der Region nicht, so die Bahn. Es gehe nun darum, die ermittelte Streckenführung weiter auszugestalten und im Hinblick auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Region zu optimieren.

Wäre das DB-Infomobil nicht schon jetzt, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Lorsch gekommen, wäre das vielen Bürgern auch nicht recht gewesen, so Bahnmitarbeiter. Die Vorzugsvariante werde die gesetzlich verpflichtenden Vorgaben erfüllen. Die Wünsche der Region, die darüber hinaus gehen, wie ein längerer bergmännischer Tunnel, können Inhalt der Parlamentarischen Befassung werden. MvV will bekanntlich notfalls auch den Klageweg beschreiten.

Redaktion

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