Weinlagenwanderung - Trotz des passablen Zuspruchs hat es bei der Neuauflage nach Corona-Pause im Detail durchaus gezwickt

Bergsträßer Weintour: Alte Probleme beim Neustart

Von 
Thomas Tritsch
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Die Weinlagenwanderung hatte zwar einen guten Neustart nach der Corona-Pause, doch einige der chronischen Probleme marschierten noch immer mit. © Thomas Zelinger

Bergstraße. Nach zwei Jahren Durststrecke hatten sich viele auf einen Neustart gefreut: Die 33. Bergsträßer Weinlagenwanderung (kurz WLW) ging am Maifeiertag ohne größere Holprigkeiten über die Bühne (wir haben berichtet). Dennoch war an diesem Sonntag nicht alles eitel Sonnenschein. Einige der chronischen Probleme marschieren auf der 18 Kilometer langen Strecke zwischen Heppenheim und Zwingenberg noch immer mit.

Zu den ärgerlichen Begleiterscheinungen gehören geballter Müll in Wingert und Wohngebieten, „wildes“ Pinkeln in Hauseinfahrten (oder noch prominenteren Orten) sowie das weiterhin eifrige Mitschleppen von alkoholischen Getränken, die mit dem Weinanbaugebiet rein gar nichts zu tun haben.

Eine quirlige Partymeile

Was 1988 als gemütlicher Boulevard entlang der Hessischen Bergstraße mit kommunikativen Probiermöglichkeiten im Wingert initiiert wurde, hat sich zu einer quirligen Partymeile entwickelt – eine Dynamik, die hinzunehmen ist, die aber nicht jedem gefallen muss.

Dass es sich bei den heutigen Besuchern nicht mehr um das traditionelle Zielpublikum des Weinbauverbands handelt, bestätigt auch dessen Vorsitzender Otto Guthier. Man erlebe seit einigen Jahren eine Veränderung der Weinlagenwanderung, die man aber kaum steuern könne.

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Dennoch beurteilt Guthier diese Art von Massenbewegung durchaus auch kritisch. Vor allem dann, wenn die Natur verdreckt wird und das Angebot der regionalen Winzer zu Gunsten von Bier, Schnaps oder Discounter-Weinen vernachlässigt wird. Denn die Maitour war nicht nur als Einnahmequelle des Verbands geplant, sondern auch als Werbung für den Bergsträßer Wein – und zwar dort, wo er gedeiht.

Negativer Höhepunkt im Jahr 2017

Nach dem Fiasko von 2017 hatte man schnell reagiert. An diesem regnerischen Tag der Arbeit, einem Montag, war die WLW an einem negativen Höhepunkt angelangt: viele Betrunkene, viel Müll, viele mitgebrachte Getränke, und viel Ärger. Partylaune aus dem Rucksack. Und die Entsorgung der Fremdstoffe blieb beim Veranstalter hängen.

Kurz: Die Organisatoren waren richtig sauer. Rückblickend ist es nicht übertrieben, wenn man sagt, dass die WLW zu diesem Zeitpunkt auf der Kippe gestanden hat. Denn auch die Kommunen Bensheim, Heppenheim und Zwingenberg sollten weiterhin mit im Boot sein und an den Kosten beteiligt werden. Vor allem die Einführung eines Security-Dienstes sorgte für Diskussionen. Denn das ist ein Aktivposten, der zusätzlich Geld kostet. 2018 war das entscheidende Jahr, das über die weitere Existenz entscheiden sollte.

Kein eingezäuntes Festgelände

Der Verband und die beteiligten Kommunen hatten sich frühzeitig zusammengesetzt und überlegt, wie man die Kurve kriegen könnte. Das Ergebnis: Es wurden neue Regeln definiert und eine Festordnung erlassen. Seither ist es untersagt, alkoholische Getränke aller Art mitzubringen. Verboten ist auch zu laute Musik. Eigene Sicherheitskräfte soll dafür sorgen, dass die Regeln auch eingehalten werden. Seither genießt der Weinbauverband ein Marktrecht, wie es auch bei Volksfesten, Messen oder Großmärkten üblich ist. Eine Art Hausrecht im Freien für offiziell angemeldete Veranstaltungen. Besucher, die sich nicht an die Festordnung halten, dürfen ausgeschlossen werden.

Nun ist die Weinlagenwanderung aber kein Fußballstadion oder ein eingezäuntes Festgelände. Kontrollen sind nur an ausgesuchten Stellen möglich, und wer es darauf anlegt, seinen Stimmungs-Proviant mit auf die Strecke zu nehmen, der schafft das auch.

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„Man müsste den Zugang eigentlich noch viel stärker kontrollieren, aber das ist bei einer räumlich derart ausgedehnten Veranstaltung nicht zu organisieren“, so der Zwingenberger Winzer Johannes Bürkle, stellvertretender Vorsitzender beim Weinbauverband. Auch er berichtet von vielen unerwünschten Mitbringseln: „Wir haben am Tag danach massenhaft Flaschen eingesammelt, aber Bergsträßer Weine hatten Seltenheitswert.“

Diese Entwicklung werde man in den nächsten Verbandssitzungen weiter ansprechen müssen, so Bürkle, der aber auch froh ist, dass die 33. Version der WLW überhaupt stattfinden konnte. Für die Bergsträßer Kollegen sei dies eine schöne Bühne, um ihren aktuellen Jahrgang präsentieren zu können.

„Es geht nicht nur um Rekorde“

Die Veranstaltung will auch Otto Guthier nicht schlechtreden. Die Organisation habe gut funktioniert, über 140 ehrenamtliche Helfer seien engagiert und motiviert dabei gewesen. „Wir waren eher überbesetzt“, so der Heppenheimer Winzer, der bis 2019 auch als Geschäftsführer der Bergsträßer Winzer eG die regionale Szene mit geprägt hat. Dass in diesem Jahr weniger Weinwanderer als 2019 unterwegs waren, hält er übrigens für verkraftbar. „Es geht nicht immer nur um Rekorde“, so Guthier. Es gehe auch um Qualität. Rund 20 000 Menschen sollen am Sonntag unterwegs gewesen sein.

Ein Wingert wurde abgesperrt

Guthier berichtet von einem „sehr interessierten Publikum“ am Ausschank Auerbacher Fürstenlager, wo wein-affine Menschen in gemütlicher Runde regionale Tropfen genossen. Kein Einzelfall, aber auch nicht gerade die Regel. In der Lage Auerbacher Höllberg turnten Personen derart wild durch die Rebzeilen, dass die Polizei gerufen und der Wingert abgesperrt wurde.

Entlang des Wohngebiets Mierendorffstraße in Auerbach – seit jeher ein neuralgischer Punkt der Maiwanderung – sei die Security besonders aufmerksam gewesen, um Müll und Krach im Zaum zu halten. Mit Erfolg, so Guthier. Die Situation sei dort deutlich besser gewesen als in den Jahren vor der Pandemie. Allerdings habe dort ein Toilettenhäuschen bereits nach einer Stunde aufgrund einer willkürlich herbeigeführten Verstopfung den Dienst verweigert.

Am Heppenheimer Bahnhof öffneten sich gegen 10.30 Uhr die Schleusen. Hunderte zumeist jugendlicher Fahrgäste strömten in Richtung Weinberge, ausgestattet mit Bier, Apfelweindosen und preisgünstigen Wein-Alternativen aus den unteren Supermarktregalen. „In dem Alter wäre ich wahrscheinlich mitgezogen, aber heute lockt mich nichts mehr zu dieser Veranstaltung“, so der Kommentar eines Mittvierzigers, der zur Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes vor Ort war. Früher sei das mit dem Gläschen im Wingert entspannter gewesen.

Sonntag ist kein idealer Termin

Auch Otto Guthier bestätigt einen leicht verzögerten Start: „Die große Welle setzte etwa eineinhalb Stunden später ein.“ Nach dem Öffnen der Probierstände um neun Uhr war die Lage noch übersichtlich. Vielleicht lag es auch an dem verregneten Samstag, nach dem viele Weinlagenwanderer zunächst noch abgewartet haben, wie sich das Wetter entwickeln würde. Aber auch der Sonntag sei kein idealer Termin für die Großveranstaltung, wie der Verbandschef aus Erfahrung weiß.

Unterm Strich äußerten sich die Veranstalter aber zufrieden. Jetzt gehe es darum, den Tag nüchtern zu bilanzieren und zu schauen, was man wo noch besser machen könnte, so Johannes Bürkle. Man wird über die Zukunft der Weinlagenwanderung sprechen. Mal wieder.

Freier Autor

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