Corona-Pandemie

Bergsträßer Gesundheitsdezernentin kritisiert Spahn-Vorgabe

Von 
Dirk Rosenberger
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Die Bergsträßer Gesundheitsdezernentin Diana Stolz hat ihren Parteikollegen Jens Spahn wegen der Deckelung des Biontech-Impfstoffes kritisiert. © dpa

Bergstrasse. Die Corona-Politik auf Landes- und Bundesebene gleicht auch in diesem Herbst einer Schifffahrt durch den Nebel mit kaputtem Kompass und einer Besatzung, die von jeder Untiefe überrascht wird - obwohl diese ausreichend dokumentiert sind. Dass der Kahn noch nicht gesunken ist, hängt mehr mit Glück als vorausschauendem Handeln zusammen.

Jüngstes Beispiel: Die Ankündigung des geschäftsführenden Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU), die Auslieferung des Impfstoffes von Biontech zu deckeln, weil sonst Moderna-Dosen im nächsten Jahr zu verfallen drohen. Genauer gesagt handelte es sich um ein Schreiben aus seinem Ministerium an die Bundesländer, das seit Freitag für reichlich Wirbel sorgt und viele Kritik ausgelöst hat.

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Zwar stellte das Bundesministerium schnell klar, dass es in Deutschland genügend Impfstoff gebe, um Erst-, Zweit- und Drittimpfungen durchzuführen. Darüber hinaus seien sowohl die Präparate von Biontech als auch von Moderna „sicher, wirksam und gleich gut“ für das große Boostern. Das mag fachlich und sachlich richtig sein, taktisch reiht es sich aber nahtlos ein in eine Vielzahl ungeschickter Aussagen und Vorgehensweisen, die argumentatorische Nebenbaustellen in einer Zeit eröffnen, in der die ungeteilte Aufmerksamkeit einem Ziel gelten sollte: Jedem und Jeder eine Spritze in den Oberarm zu verpassen (selbstredend nur mit Zustimmung des Patienten).

An Kritik mangelte es deshalb nicht an der neuen Vorgabe des CDU-Spitzenpolitikers. Am Samstag äußerte sich auch die Bergsträßer Gesundheitsdezernentin Diana Stolz (CDU), zugleich Erste Kreisbeigeordnete, gemeinsam mit ihren Kollegen Frederik Schmitt (Fulda), Jens Mischak (Vogelsberg) und Marian Zachow (Marburg-Biedenkopf) in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Sie fordern darin Bundesgesundheitsminister Spahn auf, die am Freitag verkündete Beschränkung der Liefermengen des Biontech-Impfstoffes auf 30 Einheiten pro Woche für einen Hausarzt und 1020 pro Woche pro Impfzentrum zurückzunehmen. „Diese Entscheidung stellt die viele Arbeit von vielen Beteiligten der letzten Tage, möglichst schnell ein umfassendes, dezentrales und einfaches Impfangebot für die Bürgerinnen und Bürger in unseren Landkreisen aufzubauen, in Frage“, erklärte das Trio.

Die Entscheidung komme zur Unzeit. „Wir alle wollen derzeit eins: impfen, impfen, impfen,“ so die Dezernenten. Zwar stehe mit dem Impfstoff von Moderna ein weiteres Vakzin zumindest für die über 30-Jährigen zur Verfügung, bei einem Impfstoffwechsel werde aber eine erneute komplette Aufklärung notwendig, die in jedem Einzelfall Zeit koste, die derzeit sehr kostbar sei. Vor allem wünsche sich aber die deutlich überwiegende Anzahl der Impfwilligen den Impfstoff von Biontech.

„Wir können nur gemeinsam das von der Bundesregierung gesetzte Impfziel bis Jahresende erreichen. Nur wenn beide Impfstoffe in den jeweils gewünschten Mengen zur Verfügung stehen, ist das Ziel auch realistisch erreichbar,“ so Stolz und Kollegen.

Wie dringend es zu einer Trendwende kommen muss, belegen einmal mehr die Zahlen. Der Kreis Bergstraße nimmt dabei seit Ende dieser Woche einen Spitzenplatz in Hessen ein, auf den man im Landratsamt in Heppenheim sicherlich gerne verzichtet hätte. So lag die Inzidenz am Samstagmorgen bei 345,7, schlechter steht hessenweit kein anderer Landkreis oder keine andere kreisfreie Stadt dar. Auf den Rängen zwei und drei folgten Frankfurt (323,6) und der Odenwaldkreis (307).

Zwar wird Landrat Christian Engelhardt nicht müde zu betonen, dass „es nicht passend sei, wenn alle wieder auf die Inzidenz schauen“ und der Kreis, anders als in der Wahrnehmung vieler Bürger „gar nicht so schlecht dastehe“. So seien die aktuellen Zahlen nicht mit denen aus dem Vorjahr zu vergleichen. Das mag zutreffend sein, allerdings ebbte damals die Welle bei einer Inzidenz von 223 wieder ab - der Lockdown samt Kontaktbeschränkungen ließ grüßen.

Selbst wenn die Inzidenz nun nicht mehr als Leitfaktor in der Corona-Pandemie angesehen wird, um Maßnahmen zu erlassen, ist er nach wie vor ein Indikator - und als Negativ-Spitzenreiter in Hessen unterwegs zu sein, ist sicherlich kein erstrebenswertes Ziel. Ganz gleich, wie passend oder unpassend der Blick auf die Inzidenz empfunden wird.

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