Bergstraße. Dem guten Kursverlauf in den letzten Monaten des vergangenen Jahrs folgt im Januar ein weitgehend stabiles Niveau von Aktien aus der Region. Das gilt für das Depot Bergstraße/Südhessen und das Depot Rhein-Neckar.
Aufmerken lässt das seit Jahren im Abwärtstrend dahindümpelnde Depot Rhein-Main. Es legte in den vergangenen Wochen um 14 Prozent zu. Getragen von einer guten Kursentwicklung der Deutschen Bank und der Commerzbank. Für die Lufthansa und den Flughafenbetreiber Fraport ging es ebenfalls bergauf. Ob und wie das weitergeht, wird sich in nächster Zeit zeigen. Je nachdem, wie sich die Corona-Lage weiterentwickelt, profitiert die Luftfahrtbranche oder eben nicht.
Zinsen könnten wieder steigen
Der positive Trend der Banken könnte hingegen anhalten. Angesichts einer steigenden Inflation und einer absehbar restriktiveren Geldpolitik der US-Notenbank können die Zinsen steigen. Das würde den Banken ihre neuen alten Ertragsquellen wieder erschließen.
Auch die Europäische Zentralbank wird sich ihre Politik des billigen Geldes, mit denen sich die Schuldenländer Südeuropas finanzieren, nicht ewig leisten können. Irgendwann werden auch hier die Zinsen wieder steigen. Geld fließt dann von den Aktienmärkten in andere Anlagemärkte. Und so bleibt das Aufwärtspotenzial an der Börse aus heutiger Sicht für dieses Jahr überschaubar.
Umso mehr wird es an der Börse daher wieder auf die wirtschaftliche Leistung der Unternehmen ankommen. Demnächst beginnt für viele die Berichtssaison. Bei den Papieren aus der Region darf man wohl am meisten auf Nachrichten des Darmstädter Merck-Konzerns gespannt sein. Der fulminanten Kursentwicklung des vergangenen Jahres folgte ein kräftiger Einbruch seit Januar.
Auf hohem Niveau gehalten
Das scheint die Finanzanalysten aber nicht abzuschrecken. Die US-Investmentbank JPMorgan sieht noch reichlich Potenzial des Papiers. Vorstandschefin Belen Garijo habe die mittelfristigen Ziele des Pharma- und Spezialchemiekonzerns bekräftigt und sich klar zum effizienten Wachstum bekannt, so Analyst Richard Vosser. Prinzipiell traut auch Wimal Kapadia vom US-Analysehaus Bernstein Research dem Pharmasektor 2022 eine gute Entwicklung zu, sein Favorit ist dabei Roche. Die Aktien von Merck beurteilt er grundsätzlich positiv, sieht bei anderen Werten jedoch mehr Potenzial.
Gut gehalten auf hohem Niveau haben sich die Aktien von TE Connectivity. Der Elektronikspezialist mit einem großen Standort in Bensheim legt nächste Woche Quartalszahlen vor. Dann wird sich zeigen, wohin die Reise in diesem Jahr geht. Die Marktchancen des Herstellers von Steckverbindungen und Sensoren in Autos sind angesichts der guten Konjunktur für Elektroautos weiterhin gut.
Wieder auf Vorjahresniveau
Gehe zurück auf Los, könnte man über die Kursentwicklung von Dentsply Sirona, dem größten Arbeitgeber an der Bergstraße, sagen. Die Papiere notieren derzeit wieder auf dem Niveau des Beginns des Jahres 2021. Ähnlich verhält es sich mit dem Jungheinrich-Papier. Da sich das industrielle Umfeld normalisiere, dürfte 2022 für den europäischen Investitionsgütersektor ein Jahr mit moderatem Wachstum sein, meint Ben Uglow von der US-Investmentbank Morgan Stanley.
Ein kräftiges Kursplus verzeichnete die BASF-Aktie im Depot Rhein-Neckar. Das Unternehmen gilt mit seinen vielen Kundenbranchen als Vorbote für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Und wenn das stimmt, dann stehen recht gute Zeiten bevor. Es sei denn der Kursanstieg resultiert aus dem milliardenschweren Aktienrückkauf, der kürzlich mitgeteilt wurde. Solche Rückkäufe sind selten ein gutes Zeichen, denn im Umkehrschluss heißt das, dass der Vorstand keine so rechten Ideen hat, was man mit dem Geld unternehmerisch anfangen könnte. Andrew Stott von der Schweizer Großbank UBS glaubt, dass die Geschäfte in den letzten Monaten des vergangenen Jahres noch gut gelaufen seien. Allerdings nehme der Druck auf die Margen inzwischen spürbar zu.
Beim Softwarekonzern SAP wird wieder mal ein altes Lied angestimmt. Die Marge wird Investitionen für künftiges Wachstum geopfert. Diesmal im Cloud-Geschäft, wo Software nicht gekauft, sondern via Internet gemietet wird. Hier machen sich aber auch die Erzrivalen Oracle und Salesforce sowie Microsoft zunehmend breit. Gleichwohl herrscht unter Analysten Zuversicht. Mohammed Moawalla von der US-Investmentbank Goldman Sachs sieht die jüngsten Resultate des Softwarekonzerns unerwartet positiv. Der Cloud-Ausblick auf 2022 sei besser als erwartet ausgefallen.
Frühjahrserholung erwartet
Richtig bergab ging es im Depot Rhein-Neckar für das Südzucker-Papier. Der Konzern habe im Zucker- und Spezialitäten-Geschäft mit stark steigenden Kosten zu kämpfen, die zumindest kurzfristig nicht an die Kunden hätten weitergereicht werden können, sagt Analyst Axel Herlinghaus von der DZ Bank. Der Kostendruck werde zunächst noch anhalten.
Nach der Kursrallye des vergangenen Jahrs hielt sich die Aktie des Energieversorgers MVV Energie zum neuen Jahr in etwa stabil. Das Unternehmen zeichnet sich durch relativ stabile Ergebnisbeiträge aus. Dank der diversifizierten Struktur, Effizienzmaßnahmen, erfolgreich genutzter Marktopportunitäten sowie zu erwartender Erträge aus Investitionen sollte dies auch im laufenden Geschäftsjahr zu einem Ergebniszuwachs führen, meint Analyst Erkan Ayçiçek von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).
Beim Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub ging die Kursentwicklung im vergangenen Jahr in die andere Richtung: abwärts. Doch die Analystenzunft ist schon wieder guter Dinge. Von acht Analysten, die die Aktie regelmäßig beobachten raten sieben zum Kauf.
Sehr erfreuliche Nachrichten lieferten zum Jahresstart die Sorgenkinder aus dem Depot Rhein-Main. Eine Erholung in der Luftfahrtbranche werde durch die Omikron-Variante des Coronavirus zwar einmal mehr verzögert, so Alexander Irving vom US-Analysehaus Bernstein Research. Es zeichne sich aber ab, dass diese nun im Frühling komme.
Zurückhaltende Analysten
Das beträfe dann im positiven Sinne die Lufthansa und den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport. Bei Fraport unterschätze der Markt noch das Umsatzpotenzial des Einzelhandelssegments in den nächsten beiden Jahren meint Cristian Nedelcu von der UBS. Bei der Lufthansa dürfte jedoch noch der gestiegene Ölpreis zu berücksichtigen sein.
Lange ungekannte Kursentwicklungen waren zuletzt bei der Deutschen Bank zu beobachten. So ganz trauen die Analysten dem Braten allerdings noch nicht. Von zehn Finanzexperten raten nur vier zum Kauf der Aktie, sechs empfehlen, das Papier zu halten. Ähnlich sieht es bei der Commerzbank aus. Beiden Geldhäuser dürfte neben bekannten Kostenproblemen – nicht zu vergessen die Lasten durch die Digitalisierung – die von der Finanzaufsicht Bafin geplante Erhöhung der Kapitalpuffer wegen steigender Risiken an den Finanzmärkten zu schaffen machen.
Ein weiteres Tal hinter sich hat – im mehrjährigen Vergleich – die Aktie von Fresenius. David Adlington von der US-Bank JPMorgan hat anlässlich einer Branchenkonferenz der Bank aus der Präsentation von Vorstandschef Stephan Sturm entnommen, dass der Medizinkonzern seine Ziele für 2021 erreicht haben dürfte. Für das neue Jahr habe sich der Manager aber relativ vorsichtig gegeben. Für 2023 herrsche indes mehr Zuversicht hinsichtlich Kosteneinsparungen.
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