Geldanlage

Aktien der Region schwanken zwischen Kriegsangst, Zinsangst und Corona-Lage

Von 
Michael Roth
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Der Aktienmarkt leidet unter Kriegsangst, Zinsangst und Corona – was sich auch auf Wertpapiere der Region auswirkt. © Arne Dedert/dpa

Bergstraße. Kriegsangst in der Ukraine, die Angst vor steigenden Zinsen durch die Zentralbanken und die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie sind derzeit die dominierenden Faktoren an den Börsen der Welt. Und auch die meisten Aktienkurse von Unternehmen der Region bewegen sich im Auf und Ab dieses Geschehens.

Gab es Anfang der Woche noch einen Kursrutsch, als ein Einmarsch Russlands in die Ukraine bevorzustehen schien, legten die Kurse nach Meldungen, es sei doch nicht so, wieder zu. Dann ging es wieder in die andere Richtung. Die Furcht vor höheren Zinsen durch die Zentralbanken in den USA und Europa beschäftigt die Börsen hingegen schon seit längerem. Höhere Zinsen bedeuten, dass Anleger Geld von den Aktienmärkten abziehen und anderweitig anlegen, das drückt die Kurse.

Unter dem Strich lagen die meisten Aktien aus der Region in den vergangenen Wochen fast analog zu den Börsenindizes im Minus. Das Depot Südhessen/Bergstraße gab gut vier Prozent nach, die Papiere aus Rhein-Neckar verloren in ähnlicher Größenordnung. Nur die Aktien aus dem Depot Rhein-Main legten zu. Allerdings von einer immer noch geringen Basis aus.

Als einziger Aktienkurs im Depot Südhessen/Bergstraße stieg Dentsply Sirona. Die Aktie erholt sich weiter von ihrem Vorjahrestief im Dezember. Der größte Arbeitgeber der Bergstraße könnte auch weiterhin vom Abebben der Corona-Welle profitieren. Und zwar wenn Zahnärzte wieder mehr Kunden behandeln und in die Ausrüstung ihrer Praxen investieren, die Sirona anbietet.

Talfahrt von Merck gebremst

Schwächer hingegen hat sich die Aktie von TE Connectivity entwickelt. Der Elektronikspezialist mit seinem großen Standort in Bensheim spürt die weltweit rückläufige Autoproduktion bedingt durch die Corona-Pandemie sowie fehlende Chips. Den Rückgang konnte TE zum Teil durch den Trend hin zu mehr Elektronik im Auto und hin zu E-Autos zum Teil auffangen. Der Konzern stellt Steckverbindungen und Sensoren unter anderem für die Autoindustrie her.

Beim Darmstädter Merck-Konzern scheint die Talfahrt, die am Jahresanfang begann, vorerst nicht weiterzugehen. Wobei das Jammern auf hohem Niveau ist. Das Papier notiert immer noch reichlich über dem Kurs von Februar vergangenen Jahres. Analysten sind noch unentschlossen. Keyur Parekh von der US-Investmentbank Goldman Sachs rät angesichts der aktuellen Marktdynamik und Produkttrends zum Verkauf der Aktie. Peter Voser von JP Morgan rät zum Kauf. Die Markterwartungen für 2022 an SAP seien etwas zu niedrig, meint er.

Jungheinrich gut aufgestellt

Beim Biotechunternehmen Brain hat die Nachricht, dass demnächst die Milchproteinproduktion ohne Kuh mittels Gentechnik in Zusammenarbeit mit einem Berliner Unternehmen vonstattengehen könnte, keinen Kursimpuls gebracht. Die Forschungspipeline von Brain klingt immer wieder interessant. Nur springt wirtschaftlich noch zu wenig dabei heraus. Aber das Unternehmen arbeitet daran, wie mehrfach verkündet wurde.

Der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich ist nach wie vor gut aufgestellt, um von den strukturellen Wachstumstrends im Flurförderzeug- und Lagerautomatisierungssektor zu profitieren, meint Analyst Philippe Lorrain von der Berenberg Bank. Außerdem sei das Papier derzeit relativ günstig.

BASF als Konjunkturbote

Im Depot Rhein-Neckar hat sich der Konjunkturvorbote BASF gut entwickelt. Der weltgrößte Chemiekonzern hat zahlreiche Kundenbranchen, die er beliefert. Und auch in möglichen Zukunftsgeschäften sieht es gut aus. Der Konzern produziert nach Einschätzung von Peter Spengler, Analyst der DZ Bank, große Mengen Wasserstoff und werde Wasserstoff zukünftig auch zunehmend als Energiequelle nutzen. BASF sei zudem führend bei der CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage), einer Basistechnologie für blauen Wasserstoff. Ein eher klassisches Instrument zur Aktienkurspflege ist hingegen der aktuelle Aktienrückkauf in Höhe von drei Milliarden Euro.

Weiter bergab ging es hingegen mit dem anderen Börsenschwergewicht aus dem Depot, dem Softwarekonzern SAP. Immerhin sieht Knut Woller von der Baader Bank Licht am Ende des Tunnels. Auf dem gegenwärtigen Kursniveau sei das Papier ein Schnäppchen. SAP habe solide Zahlen für das vierte Quartal vorgelegt. Als solide bezeichnete er auch die Wachstumsziele für 2022.

Der Energieversorger MVV wird seine Anteilseigner auf der Hauptversammlung demnächst mit einer höheren Dividende beglücken, was zu einer ansehnlichen Dividendenrendite von gut drei Prozent führt. Glaubt man Finanzanalysten, dürfte es mit dem Papier von Fuchs Petrolub bald wieder aufwärts gehen. Viele raten zum Kauf der Aktie. Der Hauptgrund: gute Geschäfte allenthalben. Gefahr könnte jedoch vom steigenden Margendruck drohen.

Gegen den Trend der Börsen stiegen die Papiere aus dem Depot Rhein-Main. Die Deutsche Bank und die Commerzbank profitierten von der Aussicht auf wieder normale Zinsen durch die Notenbanken in den USA und Europa. Dann könnte ihr klassisches Geschäft wieder in Fahrt kommen. Außerdem wurden große Kostenblöcke abgebaut. Und glaubt man Finanzanalysten, ist in den Kursen noch weiterhin Luft nach oben.

Gerade das Commerzbank-Papier gilt als eine der am stärksten zinsabhängigen Aktien. Höhere Leitzinsen der EZB würden die Nettozinserträge sehr kräftig in die Höhe treiben, meint Izabel Dobreva von der US-Investmentbank Morgan Stanley. Und andernorts ist bei der Commerzbank sogar schon von einer Dividende die Rede.

Lufthansa profitiert

Die Aktien von Lufthansa und Fraport profitieren von der momentan abklingenden Corona-Pandemie. Weniger Corona bedeutet mehr Flüge und wieder bessere Geschäfte, so die einfache Gleichung. Das war die gute Nachricht. Patrick Creusetz, Aktienanalyst der US-Investmentbank Goldman Sachs, weist angesichts des Ukraine-Konflikts bei der Lufthansa auf die mögliche Neu-Ausrichtung von Reiserouten, Einflüssen aufgrund von Überflugrechten oder auch den Einfluss des Konflikts auf die Kerosinpreise hin.

Etwas zu groß könnte der bisherige Optimismus bei der Aktie des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport gewesen sein. So manche Schätzungen liegen über den vom Unternehmen veröffentlichten Konsensprognosen, meint Analystin Elodie Rall von JP Morgan.

Zuversicht streuen Aktienexperten beim Papier von Fresenius. Nach einigen schwierigen Jahren stünden dem Medizinkonzern bessere Zeiten bevor, meint Analyst Tom Jones von der Privatbank Berenberg. Ab dem kommenden Jahr rechnet er mit einer deutlichen Wachstumsbeschleunigung.

Drei Regionen – drei Depots: Das Aktienranking des Bergsträßer Anzeigers

Der Bergsträßer Anzeiger hat verschiedene regionale Aktiendepots zusammengestellt und berichtet in regelmäßigen Abständen über die Entwicklung dieser (fiktiven) Geldanlagen.

Im Depot Bergstraße/Südhessen sind die Anteilsscheine des Dentaltechnikweltmarktführers Dentsply Sirona enthalten, ebenso die Papiere von TE Connectivity. Beide Konzerne sind an US-Börsen notiert. Für den besseren Vergleich werden Euro-Wechselkurse verwendet. Mit von der Partie sind die Anteilsscheine des Flurfördertechnikunternehmens Jungheinrich und des Zwingenberger Biotechunternehmens Brain. Nicht fehlen darf natürlich der Dax-Konzern Merck aus Darmstadt.

Im Depot Rhein-Neckar liegen Aktien des Softwarekonzerns SAP, des Mannheimer Energieversorgers MVV, von Südzucker, dem Schmierstoffkonzern Fuchs Petrolub sowie der BASF.

Das Depot Rhein-Main enthält Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank, sowie von Lufthansa und Fraport. Hinzu kommt der Bad Homburger Fresenius-Konzern. mir

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