Energie

Bensheimer GGEW AG gibt höhere Gas-Umlagen und Mehrwertsteuersenkung 1:1 weiter

GGEW-Vorstand Carsten Hoffman spricht im Interview über die Entwicklung der Gaspreise, einen Bonus fürs Energiesparen und einen bundesweiten Strom-Ausfall durch Heizlüfter

Von 
Michael Roth
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GGEW-Chef Carsten Hoffmann im Gespräch mit BA-Chefredakteur Michael Roth. © Thomas Neu

Bergstraße. Herr Hoffmann, steigende staatliche Umlagen für Gasbeschaffung, -speicherung einerseits und andere und andererseits eine sinkende Mehrwertsteuer, was kommt auf GGEW-Kunden zu?

Carsten Hoffmann: Die Lage am Energiemarkt hat sich weiter zugespitzt und eine möglicherweise drohende Gasknappheit in Deutschland steht als Szenario im Raum. In der Bestrebung, die Gasversorgung für den kommenden Winter sicherzustellen, sind den Gasimporteuren erhebliche Mehrkosten entstanden. Die Bundesregierung hat sich daher entschlossen, diese Mehrkosten ab dem 1. Oktober über Umlagen auf alle Verbraucher umzulegen.

Und die geben Sie an die Kunden weiter?

Hoffmann: Wir als GGEW geben lediglich die Umlagen 1:1 an die Endkunden weiter. Wir profitieren aber nicht von den Gasumlagen. Die monatlichen Abschläge passen wir daher entsprechend an. Die Kunden werden über den neuen Abschlag ab Samstag schriftlich informiert.

Und eine Mehrwertsteuersenkung?

Hoffmann: Auch die wird 1:1 weitergereicht.

Die Preise, zu denen die GGEW Gas einkauft, werden weiter steigen, das heißt auch für die Kunden höhere Rechnungen. Mit welchen Größenordnungen rechnen Sie?

Hoffmann: Die reinen Energiekosten, also ohne staatliche Umlagen, Abgaben und Steuern dürften sich im Vergleich zum vergangenen Jahr in etwa verdreifachen, wenn man das aus der Brille der Beschaffungsmärkte betrachtet. Was vergleichbar einer Mehrwertsteuersenkung noch an staatlichen Erleichterungen oder auch zusätzlichen Belastungen kommt, ist momentan noch nicht in Gänze absehbar.

Wann folgt die nächste Preiserhöhung der GGEW?

Hoffmann: Das wird in Bezug auf den Anstieg der reinen Beschaffungskosten im Januar 2023 der Fall sein. Aktuell verkündete Umlageerhöhungen, beziehungsweise neue Umlagen im Gassegment müssen wir leider noch in diesem Jahr weitergeben.

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Was passiert mit Kunden, die in Finanznöte kommen?

Hoffmann: Durch die Gasumlagen entstehen bei den Endkunden spürbare Mehrkosten, welche die privaten Haushalte stark strapazieren werden. Die gesamte Branche rechnet mit einem spürbaren Anstieg der Forderungsausfälle und mit entsprechenden Auswirkungen auf die Ertragslage der Energieversorgungsunternehmen. Wir empfehlen unseren Kunden, den Energieverbrauch soweit wie möglich zu reduzieren, etwa die Raumtemperatur in der Heizperiode und den Warmwassereinsatz zu senken.

Warum gibt die GGEW eigentlich die Gas-Umlage an ihre Kunden weiter und andere Energieversorger wie RWE nicht?

Hoffmann: Nahezu alle Energieversorger müssen die Kosten an die Kunden weiterbelasten, um keine wirtschaftlichen Probleme zu bekommen. Hierauf müssen wir aber einen sehr differenzierten Blick werfen. Es geht beispielsweise darum, ob RWE zu den Unternehmen gehören soll, die unmittelbar über eine Umlage unterstützt werden soll, die wegen der gekürzten Lieferungen auf andere, teurere Lieferanten umsteigen müssen. Und man darf bei dieser Betrachtung nicht außer Acht lassen, dass RWE von den russischen Lieferkürzungen weniger betroffen ist als andere Marktteilnehmer. Nach unseren Informationen hat RWE verlautbart, vorerst keine Ansprüche aus der Gasumlage geltend zu machen. Man behalte sich wohl vor, den Rechtsanspruch nicht vollständig aufzugeben.

Bei RWE sprudeln derzeit die Gewinne, da kommen Preissteigerungen nicht gut an?

Hoffmann: RWE verzeichnet bislang im Jahr 2022 einen deutlich höheren Nettogewinn als im Vergleichszeitraum. Die Gewinnsteigerung wurde auch dadurch begünstigt, dass RWE in der aktuellen Marktlage mit Erneuerbaren Energien und im Energiehandel viel Geld verdient. Weiter gedacht könnte das bedeuten, dass man damit einer Forderung nach einer Übergewinnsteuer argumentativ aus dem Weg gehen möchte.

Andere Versorger planen eine Art Bonussystem fürs Gassparen. Die Mannheimer MVV zahlt 5 Cent je eingesparte Kilowattstunde und weitere Boni bis zu insgesamt 165 Euro, wenn man in diesem Herbst und Winter weniger verbraucht als in den beiden Jahren zuvor. Gibt es solche Pläne auch bei der GGEW?

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Hoffmann: Wir sehen den Punkt, monetäre Anreize für das Energiesparen zu schaffen, als sinnvoll an. Daher beschäftigen wir uns gerade intensiv mit dem Thema und befinden uns noch in der internen Prüfung.

Wie sieht denn ihre Beschaffungsstrategie für 2023 aus?

Hoffmann: Für das Lieferjahr 2023 sind wir nahezu vollständig eingedeckt. Gemäß unseren Beschaffungsvorgaben fangen wir damit frühzeitig und vorausschauend an. In der aktuellen Marktsituation stellt sich das als großer Vorteil heraus.

Und 2024?

Hoffmann: Wir fangen aktuell an, uns mit kleinen Mengen für 2024 gemäß unserer Beschaffungsvorgaben einzudecken. Dabei treffen wir auf einen sehr restriktiven und nervösen Markt. Daher sind wir für 2024 noch sehr vorsichtig und kaufen weiterhin stringent in Scheiben ein.

Droht eigentlich ein Strom-Blackout, wenn es weniger Gas gibt und alle Menschen im Winter elektrische Heizlüfter betreiben, damit die Wohnung warm wird?

Hoffmann: Dazu verweisen wir auf eine Erklärung des BDEW. Wir sehen, dass dort ein Risiko für die Stromnetze entstehen könnte. Dort steht: „Aktuell verzeichnet der Handel eine stark gestiegene Nachfrage nach steckerfertigen Direktheizgeräten, insbesondere Heizlüftern. „Solche Geräte sind nicht dafür gemacht, eine Heizung zu ersetzen und sollten daher nur mit Bedacht eingesetzt werden“, erklärt Kerstin Andreae Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Aufgrund ihres sehr hohen Strombedarfs könnten sie den Verbrauch eines Haushalts sehr stark erhöhen. „Das führt angesichts der hohen Preise nicht nur zu hohen Kosten, sondern kann auch die Stromnetze überlasten, die nicht für einen solchen Anstieg des Stromverbrauchs ausgelegt sind. Schalten beispielsweise an einem kalten Winterabend gleichzeitig viele Haushalte in einem Stadtviertel ihre Heizlüfter an, könnte das die Netze schnell überfordern.“

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