Proteste

Stillstand am Saukopftunnel durch Bauernproteste

Landwirte legten den Berufsverkehr in der Region lahm. Die Wut der Bauern auf die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung war mit Händen zu greifen. Aber es war mehr als das.

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sku/pro
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Bergstraße/Odenwald/Weinheim. Der Bauernprotest traf am Montag auch die Berufspendler an der Bergstraße und im Odenwald mit voller Wucht. Ab 6 Uhr Früh waren in Weinheim die wichtigsten Kreuzungen und Autobahnzufahrten über mehrere Stunden hinweg blockiert von zahllosen Traktoren. Das galt auch für den Saukopftunnel. Die Wut der Bauern auf die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung war mit Händen zu greifen. Aber es war mehr als das.

Um kurz vor halb sieben ist der Tunnel ist schon lange dicht

Um fünf Uhr ist es noch ruhig am Saukopftunnel. Auf „badischer“ Seite steht ein Polizeifahrzeug in der Haltebucht, der Beamte am Steuer ist ratlos: „Von nix bis alles kann hier alles passieren.“ Eine halbe Stunde später rollen auf hessischer Seite die ersten drei Traktoren an. „Wir werden unserem Unmut Luft machen, indem wir diese Straße hier blockieren“, kündigt Hans Georg Seltmann an.

Der Mörlenbacher Landwirt und seine Mitstreiter lassen ihren Worten Taten folgen: Knatternd setzen sich die Schlepper in Bewegung, bläulich angestrahlt von dem Einsatzfahrzeug, das auch hier steht. Mehrere Autos huschen noch knapp an den Traktorschaufeln vorbei, dann wenden die Trecker und kommen ein gutes Stück bergan zum Stehen.

Übers Handy erfährt Seltmann, dass „Verstärkung“ unterwegs ist – und tatsächlich ist der Birkenauer Zubringer bald hell erleuchtet von Scheinwerfern; jemand hupt, aus einer Feuerwerksrakete sprüht Sternenregen. Manche reihen sich ein in die Kette auf der B 38, andere machen den Zubringer dicht. Es ist jetzt kurz vor halb sieben; der Tunnel ist schon lange dicht, die zentrale Verkehrsader ins Weschnitztal auch. Ein Krankentransporter und ein Laster dürfen noch vorbei. „LKW und medizinisches Personal lassen sie durch, den ,Normalbürger’ eher nicht“, erklärt ein Polizist im Vorbeigehen.

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Der Verkehr ist zum Stillstand gekommen; das Thermometer zeigt knapp unter Null an, ein paar Schneeflocken wehen vorbei. Ein Mann sagt, dass er jetzt seit 20 Minuten im Stau steckt, eine Frau blickt sehnsüchtig nach vorn: „Ich wohne in Klein-Breitenbach, meine Abzweigung ist gleich dort.“ Ein Mann schimpft halblaut: „Schwachmaten“.

Die meisten zeigen aber trotz der Verzögerungen Verständnis. Nur eine Frau in einem weißen Kleinwagen hat keine Ahnung, worum es geht und wundert sich: „Ich dachte, hier ist eine Baustelle.“ Es ist jetzt kurz vor sieben Uhr; die Demonstranten haben per Handy erfahren, dass ein Konvoi durchs Weschnitztal unterwegs ist. Wer ist der Organisator? Seltmann betont: „Niemand ist der Verantwortliche.“

Ein Mann in Arbeitshosen erklärt, dass er Maschinenschlosser sei und sich dem Protest spontan angeschlossen habe – ganz so überraschend ist die Demonstration aber doch nicht, immerhin hat die Polizei über soziale Netzwerke davon erfahren. „Vor einer Dreiviertelstunde gab es einen Stau“, berichtet ein Beamter von den Zuständen in Richtung Fürth.

„Wir proben zivilen Ungehorsam“

Langsam wird es hell; die meisten haben sich in ihre warmen Autos zurückgezogen, und Seltmann spricht mit der Redaktion über die Gründe für die Demo: Darüber, dass die Arbeit der Landwirte erschwert werde, dass Auflagen zu erfüllen seien und Wettbewerbsnachteile entstehen. „Jetzt wird uns der Vorteil, der uns zugestanden wurde, auch noch weggenommen.

Das ist nur schwer zu ertragen.“ Er betont, dass er nur für sich spreche, gibt aber auch zu bedenken, dass seine Branche garantiere, dass Nahrung da sei: „Eigentlich geht es jeden an, dass wir hier weiterhin arbeiten können. Deshalb proben wir jetzt den zivilen Ungehorsam.“ Was er davon hält, dass die AfD versucht, auf die Aktion aufzuspringen? „Gar nichts. Die wären die Allerersten, die die Zuschüsse für die Landwirtschaft abschaffen würden.“

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Draußen wird es unruhig. „Es gibt Ärger“, sagt jemand; ein älterer Mann hat versucht, sich an einem Laster vorbeizuschieben. Dabei ist er von der Straße abgekommen und auf der Wiese rechts von der Straße gelandet. Irgendwann kommt er wieder auf die Piste, dreht um und fährt zurück ins Weschnitztal.

Gegen zehn löst sich die Blockade auf. 20 Fahrer drehen ab und stellen sich in Fürth-Lörzenbach in die Kurve, eine andere Gruppe sperrt die Ausfahrt nach Heppenheim, und wieder einige machen sich noch auf den Weg in die Landeshauptstadt – zufrieden, wie Seltmann sagt. Zum einen mit der Teilnehmerzahl, zum anderen mit der Resonanz. sku/pro

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