Bergstraße. Die dunklen Wolken über den Aktienmärkten wollen einfach nicht weiterziehen. Und mit der in Kürze anlaufenden Berichtssaison der börsennotierten Unternehmen droht schon die nächste Schlechtwetterfront, warnen die Börsenexperten von IG Market. Alles steigt, die Inflation, die Erzeugerpreise, die Wahrscheinlichkeit einer Rezession, die Zinsen und die Renditen der Staatsanleihen – nur nicht die Aktienkurse. Die eh schon arg strapazierten Nerven von Anlegern werden auch in nächster Zeit auf eine harte Probe gestellt.
In den vergangenen vier Wochen hat es auch die Aktiendepots aus der Region erwischt. Allen gemein waren negative Vorzeichen. Das Depot Bergstraße/Südhessen verlor rund 7 Prozent und war dabei noch in guter Gesellschaft. Der Deutsche Aktienindex Dax lag mit 6 Prozent im Minus. Etwas glimpflicher kam das Depot Rhein-Neckar davon mit einem Rückgang von 2 Prozent. Am übelsten erwischt hat es wieder mal das Depot Rhein-Main, das schrumpfte um 16 Prozent.
Rückschläge eingesteckt
Im Depot Südhessen/Bergstraße mussten diesmal alle Papiere Federn lassen. Sogar der Elektrotechnikkonzern TE Connecitvity, der als Autozulieferer zuletzt stark vom Trend in Richtung Elektroautos profitierte, musste Rückschläge einstecken und bewegte sich Richtung Jahrestief. Nicht viel besser sah es beim zweiten Bergstraßen-Schwergewicht Dentsply Sirona aus. Auch hier ist das Jahrestief erreicht. Anfang November wird man mehr wissen, wenn die nächsten Quartalsberichte anstehen. Wobei bei Sirona angesichts der laufenden Ermittlungen (der BA berichtete) noch nicht klar ist, ob der Termin gehalten werden kann. Hier dürfte außerdem spannend werden, was der neue Konzernchef so vor hat.
Drei Regionen - drei Depots: Das Aktienranking des Bergsträßer Anzeigers
Der Bergsträßer Anzeiger hat verschiedene regionale Aktiendepots zusammengestellt und berichtet in regelmäßigen Abständen über die Entwicklung dieser (fiktiven) Geldanlagen.
Im Depot Bergstraße/Südhessen sind die Anteilsscheine des Dentaltechnikweltmarktführers Dentsply Sirona enthalten, ebenso die Papiere von TE Connectivity. Beide Konzerne sind an US-Börsen notiert. Für den besseren Vergleich werden Euro-Wechselkurse verwendet. Mit von der Partie sind die Anteilsscheine des Flurfördertechnikunternehmens Jungheinrich und des Zwingenberger Biotechunternehmens Brain. Nicht fehlen darf natürlich der Dax-Konzern Merck aus Darmstadt.
Im Depot Rhein-Neckar liegen Aktien des Softwarekonzerns SAP, des Mannheimer Energieversorgers MVV, von Südzucker, dem Schmierstoffkonzern Fuchs Petrolub sowie der BASF.
Das Depot Rhein-Main enthält Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank, sowie von Lufthansa und Fraport. Hinzu kommt der Bad Homburger Fresenius-Konzern. mir
Selbst bei Merck in Darmstadt, dessen Aktienkurs lange gegen Rückgänge gefeit schien, ging es zuletzt bergab, wenn auch vergleichsweise gering. Doch hat die US-Investmentbank Goldman Sachs hat das Kursziel für Merck KGaA gesenkt und rät zum Verkauf der Aktie. Dies schrieb Analyst Keyur Parekh nach dem Kapitalmarkttag der Vorwoche. Im aktuellen Abschwungsszenario seien die Darmstädte gut positioniert, meint hingegen Analystin Emily Field von der britischen Investmentbank Barclays im Nachgang der gleichen Veranstaltung.
Höhenflüge blieben aus
Richtig finster wird es beim Blick auf den Aktienkurs von Brain Biotech aus Zwingenberg. Der notierte zuletzt unter fünf Euro. Der Verkauf einer Kosmetiktochter, eine Ausgliederung der Genom-Aktivitäten und ein neuer Finanzvorstand haben den Aktienkurs nicht beflügelt.
Bleibt im Depot noch der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich. Der musste zwar auch Einbußen hinnehmen, hält sich aber vergleichsweise wacker. Das dürfte an der anhaltend robusten Geschäftsentwicklung im dritten Quartal und der angehobenen Jahresprognose liegen.
Kosten senken
Im Depot Rhein-Neckar kämpft die Aktie der BASF mit der wichtigen Marke von 40 Euro. Jetzt wird erstmal gespart, allerdings nicht in der Produktion, sondern beim Personal in zentralen Bereichen, vor allem in Ludwigshafen. Viel wichtiger wird jedoch sein, wie die avisierten „mittelfristigen strukturellen Anpassungen des Produktionsverbunds in Europa“ aussehen werden. Die will die BASF Anfang 2023 vorstellen. Ohne Entlastungen von hohen Energiepreisen könnte es der Anfang von Verlagerungen ins Ausland sein, wo Energie günstiger ist und Subventionen locken, wie in den USA. Und es wäre auch ein erster Schritt in Richtung De-Industrialisierung Deutschlands, eine drohende Entwicklung, die die Politik hartnäckig ignoriert.
Beim anderen Depot-Schwergewicht, dem Softwarekonzern SAP, ist die britische Investmentbank Barclays skeptisch. Während die Zahlen von US-Softwareunternehmen für das vergangene Quartal auch wegen des starken US-Dollar durchwachsen ausgefallen seien, bedeute dieser für die europäischen Konkurrenten zwar Rückenwind, so Analyst James Goodman. Für SAP ist er nach positiven Aussagen zum Cloud-Geschäft für 2023 optimistischer, bleibt jedoch Blick auf die Ergebnisentwicklung vorsichtig. In zwei Wochen stehen Quartalszahlen an, die werden nicht nur Freude machen, wird an der Börse geunkt.
Die Aktie des Schmierstoffkonzerns Fuchs Petrolub hat sich von ihrem Sommertief erholt. Die Zahlen des Mannheimer Konzerns zum dritten Quartal sollten trotz der konjunkturellen Unwägbarkeiten sehr gut ausfallen, meint Analyst Oliver Schwarz von Warburg Research. Die Nachfrage aus China und von Rohstoff- beziehungsweise Öl- und Gasunternehmen in Nord- und Südamerika sollten sich positiv ausgewirkt haben. Der aktuelle Kurs preise einen längeren Abschwung ein, als es derzeit gerechtfertigt erscheine. Bleibt noch Südzucker. Höhere Mengen und Preise haben den Gewinn im gerade abgelaufenen Quartal angetrieben. Einmal mehr glänzte die Bioethanol-Tochter Crop-Energies dank höherer Preise.
Von eher durchwachsenen Nachrichten aus den Depots Bergstraße/Südhessen und Rhein-Neckar können die Anleger im Depot Rhein-Main nur träumen. Hier ging es in den vergangenen Wochen prozentual zweistellig bergab. Die Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank gerieten in den Abwärtsstrudel in der Branche, den die Schweizer Großbank Credit Suisse mit ihren Skandalen ausgelöst hat. Wobei so manche Analysten bei der Deutschen Bank den Kursabschlag für übertrieben halten. Schließlich sei diese beim Konzernumbau auf der Zielgeraden und die Bank profitiere überdurchschnittlich stark vom Zinsanstieg und den volatilen Kapitalmärkten, so DZ-Analyst Timo Dums. Zu den Branchenunbilden kommen bei der Commerzbank noch Rückstellungen für die polnische Tochter mBank. Trotzdem hält die Bank am Jahresergebnis von einer Milliarde Euro fest, wie Chris Hallam von der US-Investmentbank Goldman Sachs hervorhebt.
Multiple negative Einflüsse
Die Lufthansa leidet unter multiplen negativen Einflüssen, wobei die Reihenfolge fast egal ist. Wirtschaftliche Rezession, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg. Und dazu noch die üblichen Risiken wie den Billigflieger Ryanair. Sollte dieser neue Strecken anbieten, sänken die Ticketpreise auf diesen Strecken im ersten Jahr für gewöhnlich um etwa ein Viertel, rechnet Alexander Irving vom US-Analysehaus Bernstein Research vor. Für die schlechter aufgestellten etablierten Airlines (wie die Lufthansa) sei dies für gewöhnlich ein Problem.
Beim Flughafenbetreiber Fraport weist Graham Hunt vom Analysehaus Jefferies darauf hin, dass die hohe Abhängigkeit von Geschäftsreisen dem Flughafenbereiter eine langsamere Rückkehr auf das Vor-Corona-Niveau bereite als den Wettbewerbern. Gleichzeitig befänden sich die Frankfurter in einem massiven Investitionszyklus am Heimatstandort und in Lima (Bolivien). Insgesamt sieht er im Branchenvergleich bei der Aktie mehr Risiken angesichts geringeren Wachstums, höherer Schulden und negativer Barmittelflüsse.
Keine große Hilfe
Auch keine große Hilfe im Depot Rhein-Main ist die Aktie des Gesundheitskonzerns Fresenius. Obwohl Hassan Al-Wakeel von der britischen Investmentbank Barclays nach dem Chefwechsel von einer positiven Überraschung sprach. Investoren hätten letztlich aber auf die Veränderungen im Management gewartet. Für die Aktie des Gesundheitskonzerns dürfte der Schritt ein positiver Treiber sein, da sie gegenwärtig so billig sei, wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr - aus fundamentaler Sicht mittelfristig mithin eine gute Wahl.
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