Tierseuche

Die Afrikanische Schweinepest kommt der Bergstraße immer näher

Neue Verdachtsfälle gibt es im rheinhessischen Gimbsheim. Neun infizierte Schweine wurden in einem Betrieb in Biebesheim identifiziert. Insgesamt 15 nachgewiesene Fälle sind im Kreis Groß-Gerau gemeldet.

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Angela Schrödelsecker
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Nur in Schutzausrüstung kann das Wildgehege betreten werden. Auch der Fotograf darf nur aus der Entfernung Bilder machen. © Thomas Neu

Bergstraße. Das Wildtiergehege Jägersburger-Wald bei der Riedgruppe-Ost in Einhausen ist ein beliebter Ausflugsort für Familien. Hier lebt Rotwild, Damwild, Muffelwild – und Schwarzwild. Rund 20 Wildschweine sind auf dem Gelände mitten im Wald zu Hause. Die Tiere werden in diesen Tagen bemerken, dass ihr Leben sehr viel ruhiger geworden ist. Denn am Donnerstagmorgen stand das Veterinäramt in Schutzkleidung vor dem Tor und schloss das Wildgehege für die Öffentlichkeit.

Der Jagdbezirk Jägersburger-Wald zählt zur sogenannten Restriktionszone wegen der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Aufgrund der Nachweise des Virus bei Wildschweinkadavern im Bereich von Riedstadt-Leeheim und im Naturschutzgebiet Kühkopf hat das Regierungspräsidium Darmstadt (RP) in Abstimmung mit den betroffenen Landkreisen und kreisfreien Städten diese Restriktionszone festgelegt.

Der Direktor des Wasserbeschaffungsverbands Riedgruppe-Ost (WBV) Armin Kromer macht sich Sorgen um die Wildschweine in dem Wildgehege: „Sie sind topfit und gesund. Trotzdem haben wir Angst, dass irgendwann die Anordnung kommt, dass wir sie töten müssen.“

Die anderen Tiere in dem kleinen Tierpark sind nicht bedroht, da die ASP nur Schweine befällt. Kromer schätzt auch die Gefahr für die Wildschweine in dem Gehege als sehr gering ein, da sie von der Außenwelt gut abgeschirmt seien. Nach außen sind sie durch zwei hohe Zäune geschützt. Die einzige echte Gefahr ginge von Essensresten aus, die Besucher mitbrächten und – entgegen der Besucherregeln – an die Schweine verfüttern würden. Das Virus ist sehr widerstandsfähig und kann im Fleisch infizierter Schweine – zum Beispiel in Parma-Schinken über ein Jahr, in tiefgefrorenen Schlachtkörpern viele Jahre – infektiös bleiben. Für Menschen ist das Virus ungefährlich, aber sollten Schweine dieses infizierte Fleisch essen, können sie sich anstecken.

Am Donnerstag kamen Mitarbeiter des Veterinäramtes, schlossen das Wildgehege und verkündeten die Hygienevorgaben. © Armin Kromer

Kromer betont, dass man natürlich jede Anordnung des Veterinäramtes befolgen werde. Dazu gehört ein Container vor dem Eingang, in dem sich die Mitarbeiter, die sich um die Tiere kümmern, vor dem Betreten der Anlage umziehen. Sie müssen einen Schutzanzug tragen und die Stiefel müssen ebenfalls gewechselt werden. Danach muss der Pfleger mit den Schuhen durch ein Desinfektionsbad laufen. Dann erst kann er den Park betreten. Für die Fütterung darf er keine Schubkarre nutzen. Die bleibt draußen, er muss das Futter in Eimern reintragen.

Das Wildgehege existiert seit rund 60 Jahren. Der Eintritt ist umsonst. „Es ist für uns ein Dienst an der Gesellschaft. Die Kosten für den Unterhalt übernehmen der Inhaber, die Gemeinde Einhausen, und der Betreiber, der WBV. Es ist die Frage, wer jetzt die Kosten für die Maßnahmen übernimmt. Auch damit müssen wir uns jetzt beschäftigen,“ so Kromer. „Wir gehen davon aus, dass das Gehege auf jeden Fall mehrere Woche geschlossen bleibt.“

Beim Tag der offenen Tür am vergangenen Sonntag war die Enttäuschung insbesondere bei den Familien groß, dass das Wildgehege geschlossen ist. Bei der Eröffnung klärte Kromer über die Hintergründe auf, dennoch bedauerten viele die Maßnahmen, die für Schweinebetriebe wie eben auch Wildgehege gleichermaßen gelten.

Neue Restriktionszone wegen infizierten Tieren in Rheinhessen?

Der erste betroffene Hausschweinbestand in Hessen wurde gestern bekannt. In Biebesheim im Kreis Groß-Gerau ist nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums ein Betrieb mit neun infizierten Schweinen festgestellt worden. Die Tiere wurden unter tierärztlicher Aufsicht getötet. Rund um den Betrieb wird nun eine sogenannte Schutzzone in einem Radius von drei Kilometern sowie eine Überwachungszone von zehn Kilometern eingerichtet.

In Gimbsheim, im Kreis Alzey-Worms, gibt es zwei Verdachtsfälle von ASP. Das erste Untersuchungsergebnis war positiv. Sollte die B-Probe das bestätigen, könnte das zu einer Erweiterung der Restriktionszone im Kreis Bergstraße führen. Dazu machte das RP am Montagabend aber weiteren keine Angaben. Man sei noch in der Abstimmung.

Wie lange das Gehege für das Publikum geschlossen, ist noch unklar. © Thomas Neu

Wie der für das Veterinäramt sowie die Jagdbehörde zuständige Dezernent Matthias Schimpf auf Anfrage der Redaktion mitteilt, habe man alle Beteiligten über die notwendigen Maßnahmen informiert: „Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurde bei keinem im Kreis aufgefundenen Tier eine Infektion mit der Afrikanischen Schweinepest nachgewiesen. Die Situation ist allerdings dynamisch und erfordert eine stetige Beobachtung und gegebenenfalls kurzfristige Abstimmungen und Anpassungen der Maßnahmen. Unser Ziel ist es, die Jäger und Landwirte bestmöglich zu unterstützen.“

Bislang wurden im Kreis von 16 Wildschweinen Proben entnommen, die alle negativ waren.

Ernte von Getreide und Gras nur mit Drohne

Bei der Ernte von Getreide oder Gras müssen die Flächen vorher auf lebende, kranke oder tote Wildschweine abgesucht werden. Wie der Kreislandwirt Sebastian Glaser aus Biblis-Nordheim berichtet, muss dafür eine Drohne mit Wärmebildkamera genutzt werden. Nach dem Prozedere, wie es die Allgemeinverfügung des Kreises vom Samstag vorgibt, müssen die Landwirte vor der Ernte eines Feldes eine Genehmigung beantragen. Dann müssen sie einen Drohnenpiloten mit Ausrüstung kommen lassen, der das Feld abfliegt. Die GPS–Daten und Fotos des Fluges müssen abgespeichert werden und auf Verlangen vorgezeigt werden.

Die Flächen von Glaser liegen fast komplett in der Restriktionszone, das sind rund 100 Hektar Gras, Mais und Getreide. Das große Problem ist ausreichend Drohnenpiloten zu finden. Die Technik kostet etwa 7000 Euro, aber Thema sind auch die Genehmigungen und Kompetenznachweise beim Luftfahrt-Bundesamt. Hier muss zum Beispiel berücksichtigt werden, dass nicht jeder in der Nähe von Wohnbebauung fliegen darf. In der Rehkitzrettung werden bereits seit Jahren Drohnen mit Wärmebildkamera eingesetzt.

Die Technik wird zum Teil vom Bund gefördert. Möglicherweise könnten die Drohnen auch für die Suche nach Wildschweinen genutzt werden. Die Förderung gilt aber nur für die Rehkitzrettung, deshalb ist aktuell in der Abklärung, ob die Drohnen für andere Zwecke überhaupt eingesetzt werden dürfen. Klar ist, es fehlt im Moment an Kapazitäten, um alle Felder in der Zone abzufliegen – insbesondere wenn sich die Zone durch neue Fälle immer wieder vergrößert. Außerdem macht es das wechselhafte Wetter schwer mit der Planung. Gras braucht um zu trocknen mehrere Tage. Die Zeitfenster für die Ernte sind dieses Jahr überschaubar. Auch die Kostenfrage ist nicht abschließend geklärt. Wie Glaser ausführt, würde der Kreis Groß-Gerau die Kosten für die Drohnenflüge übernehmen, der Kreis Darmstadt-Dieburg und der Kreis Bergstraße aktuell nicht.

Sven Springer muss mit den Stiefeln erst mal in ein Desinfektionsbad. © Thomas Neu

Für die abgeernteten Produkte gibt es ebenfalls strenge Auflagen. Besteht die Möglichkeit, dass sie in einem Schweinebetrieb verfüttert werden, muss Getreide zum Beispiel 30 Tage lang liegen – Stroh und Heu sogar sechs Monate. Aktuell wird, wie Glaser erzählt, geprüft, ob zentrale Sammelstellen dafür angeboten werden, wenn die Landwirte keine ausreichenden Lagermöglichkeiten haben. „Da das genaue Verfahren noch nicht abschließend geklärt ist, haben viele Landwirte jetzt auch die Befürchtung, dass die Käufer aus Unsicherheit vorsichtig sind und sie auf ihren Waren sitzen bleiben,“ so Glaser.

Generell sei der Frust bei den Landwirten dieses Jahr groß: „Die Bauern verlieren langsam die Lust. Die ASP hat uns gerade noch gefehlt, kommt da als Kommentar. Besonders das Hochwasser hat uns bereits stark belastet. Da schwindet die Motivation.“ Trotzdem probiert Glaser positiv zu denken: „Wir versuchen jetzt einfach das Beste draus zu machen und hoffen, dass das mit den Anträgen und den Drohnen schnell und reibungslos klappt. Und wir haben eine Lösung gefunden, dass überhaupt geerntet werden kann. Das müssen wir jetzt pragmatisch sehen – auch wenn es mehr Kosten und mehr Arbeit bedeutet. Immerhin können wir aber ernten.“

Jagdpächter testen Wildschweine auf ASP

Unterstützung bekommen die Landwirte auch von vielen Jagdpächtern. Darunter Rolf Burkhardt aus Groß-Rohrheim, der auch Kreisjagdberater ist. Er betont im Gespräch, wie wichtig jetzt eine gute Zusammenarbeit ist. Denn es herrscht in der Restriktionszone Jagdruhe. „Das ist gerade besonders beim Wasserwild problematisch. Die Gänse lassen sich in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten nieder und fressen auf den Feldern, die nicht unter Wasser standen.“

Wie er weiter ausführt, komme normalerweise der Jagdpächter für Wildschäden an den Feldern auf. In der Jagdruhe gelte das nicht. Das heißt, der Landwirt trägt die finanzielle Verantwortung. Sollte die Jagdruhe länger andauern, steige zunehmend der sogenannte Populationsdruck. Das heißt, wenn der Jäger die Wildbestände nicht reguliert, dann werden auch die Wildschäden zunehmen.

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„Unsere Aufgabe ist nun vor allem wachsam zu sein. Wir halten Ausschau nach kranken oder toten Wildschweinen. Ich bin in der Lage, den Tieren Tupfer- und Blutproben abzunehmen und sie ins Labor zu schicken. Im Anschluss werden die Tiere vom Veterinäramt geborgen. Wir werden höchstwahrscheinlich auch noch Fälle hier im Kreis haben, da ist die Frage eher wann und nicht ob. Das Virus ist einfach sehr lange stabil und ansteckend.“

Noch dazu sind gerade junge männliche Wildschweine nach der Geschlechtsreife sehr mobil auf der Suche nach einem eigenen Gebiet. Die können schnell mal 30 bis 40 Kilometer am Tag zurücklegen.

Ein weiterer Punkt, der die Jäger betrifft, ist die Vermarktung des Wildschweinfleisches. Kein Fleisch darf außerhalb der Zone verkauft werden. Die Stimmung unter den Jägern ist gemischt: „Es ist wirklich bedauerlich, denn genauso wie die Landwirtschaft jetzt gerade ernten muss, ist das jetzt auch Hauptjagdzeit für uns,“ so Burkhardt.

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