Region. Auch dieses Geschäftsjahr war für die Betreiber der Solardraisine im Odenwald von vielen Unsicherheiten geprägt. Erneut konnte die Saison erst etwa einen Monat später als gewöhnlich – Ende Mai – starten. Durch diesen einen Monat, gepaart mit vier beschädigten Draisinen, die erst wieder instand gesetzt werden müssen, verzeichne die Überwaldbahn gGmbH zwar ein leichtes Minus von etwa acht Prozent – dennoch ist Geschäftsführer Holger Kahl mit einem Umsatz von am Ende rund 440 000 Euro mehr als zufrieden. Dazu lasse auch noch das Weihnachtgeschäft auf sich hoffen.
Die äußeren Umstände seien nach wie vor eine Herausforderung, sagt er beim Pressetermin zum bevorstehenden Saisonende am 31. Oktober. „Zeitweise waren Teile unserer Belegschaft in Kurzarbeit, gleichzeitig stieg der Arbeitsaufwand im Betrieb an“, führt Kahl aus. Die Kontrolle der Maskenpflicht und der Abstandsregeln, die Kontakterfassung oder die Reinigung und Desinfektion der Fahrzeuge: das alles bedeute nicht nur einen zeitlichen, sondern auch einen finanziellen Mehraufwand, den es zu kompensieren galt. „Da die Draisine in öffentlicher Trägerschaft ist, waren wir leider bei den Soforthilfemaßnahmen des Bundes außen vor“, bedauert er. Mit Bereitschaft zur Flexibilität habe man aber auch dieses pandemiegeprägte Jahr gut überstanden.
Einen positiven Effekt habe ein vereinfachter Anmeldeprozess auf der Webseite der Draisinenbahn mit sich gebracht. Optimierte Verknüpfungen schlagen Kunden zu ihren gewünschten Fahrten passende Angebote – etwa einen Picknickkorb für die Abendfahrt zu zweit – vor. Diese Touren, die man seit dem vergangenen Jahr buchen kann, hätten sich mittlerweile etabliert, freut sich Kahl. „Wir werden sie deswegen auch in der kommenden Saison beibehalten.“ Gleiches gilt für die um eine Stunde verlängerten Betriebszeiten.
Starke Sommermonate
Vor allem im Sommer und in den Ferienmonaten nahmen die Buchungen im wahren Sinne des Wortes Fahrt auf: „Zeitweise waren alle Kapazitäten ausgelastet.“ Einer der stärksten Monate sei – wie bereits im Vorjahr – der August gewesen. „Hier hatten wir über 50 Prozent mehr Buchungen als im Jahr 2019“, führt Kahl weiter aus.
Im vergangenen Jahr kamen etwa 24 000 Gäste nach Wald-Michelbach beziehungsweise Mörlenbach, um eine Tour mit der Draisine zu unternehmen. In diesem Jahr waren es etwa 20 500 – und damit etwa 3400 Fahrten –, schätzt der Geschäftsführer. Die abnehmende Gästezahl macht er vor allem daran fest, dass das Wetter 2021 weniger beständig gewesen sei. Auch der goldene Oktober lasse noch auf sich warten.
Strecke in gutem Zustand
Die Bahnstrecke zwischen Mörlenbach und Wald-Michelbach befinde sich in gutem Zustand, erklärt Kahl in seinem Bericht weiter. „In diesem Jahr hatten wir nur wenige Aufwendungen bei den Gleisen. Gleiches gilt für die vier Viadukte.“ Dennoch steht in dieser Winterpause nach fünf Jahren turnusgemäß eine sogenannte Bauwerkshauptprüfung, bei der die Bausubstanz genau unter die Lupe genommen wird, auf dem Plan. Die Ausschreibung dafür laufe aktuell.
Apropos Bauwerke: Im Zuge der Brückenarbeiten in einem Abschnitt der neu entstehenden B 38a werden die Draisinengäste unmittelbar an der Baustelle vorbeifahren. Kahl sieht dem jedoch entspannt entgegen: „Wir stehen diesbezüglich in regem Austausch mit Hessen Mobil und erwarten dementsprechend keine Einschränkungen für den Betrieb der Solardraisine.“
Technische Neuerungen
26 Fahrzeuge umfasst die Flotte der beliebten Touristenattraktion. Allerdings fielen in diesem Jahr gleich vier der Fahrzeuge aus. Der Grund: So mancher Besucher nahm es – trotz voriger Videoeinweisung – mit den Abständen nicht allzu genau. In einem Fall hatte ein Autofahrer eine Draisine übersehen und war, ohne dass Personen zu Schaden kamen, mit ihr zusammengestoßen. „Wir mussten die Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen, da die Rahmen beschädigt waren“, so Kahl.
Damit zumindest Auffahrunfälle in der kommenden Saison besser verhindert werden können, erproben die Betreiber ein neues Laser-System, das den Abstand zum Vorderfahrzeug bestimmt. Kommen sich die Draisinen zu nahe, wird eine Bremsung eingeleitet.
Seit 2013 ist die Solardraisine in Betrieb. An Ketten, Sitzen und Sicherheitsgurten geht dieser Zeitraum – und die Witterung, der die Draisinenwägen ausgesetzt sind – nicht spurlos vorbei. „Wir werden diese Teile sukzessive austauschen.“
Mit den Jahren kommen immer wieder neue Erfahrungen und Ideen, wie die Attraktion weiter optimiert werden kann hinzu. Mittlerweile kann der Akkustand der Draisinen kontaktlos mittels einer App geprüft werden. „Wir verzeichnen seither kaum noch Ausfälle“, betont Kahl.
Auch kleine Feinheiten machen schon einen Unterschied: Für Menschen, die nicht mehr ganz ohne Probleme zusteigen können, gibt es jetzt etwa ausklappbare Tritte, die Einstiege wurden vergrößert und die Dächer abgeflacht, sodass ein besserer Schutz bei Regen besteht.
„Ein Eingangstor zur Region“
Nach wie vor sei die Solardraisine eine beliebte Touristenattraktion, die Gäste aus einem großen Einzugsgebiet in den Odenwald führe. „Die heimische Gastronomie oder die Freizeitanbieter profitieren von den zusätzlichen Tagestouristen.“, ist Kahl sich sicher. Damit geht auch der Mörlenbacher Bürgermeister Erik Kadesch d’accord: „Die Draisine bildet ein Eingangstor zur Region.“
Spannend sei vor allem die Frage, wie sich der Tourismus nach der Pandemie entwickle. „Es ist natürlich möglich, dass viele, sobald es ohne größere Umstände möglich ist, das Ausland erkunden möchten.“ Kahl geht aber eher davon aus, dass sich der Trend zum Urlaub in Deutschland weiter fortsetzt, „gerade was Kurzurlaube und Tagesausflüge angeht“. Durch eine gezielte Vernetzung der unterschiedlichen Anbieter vor Ort könne der Odenwald aus Ausflugsziel nachhaltig gestärkt werden. „Auf unserer Webseite bieten wir etwa weiterführende Tipps zu Übernachtungen oder Wanderungen an.“
Jetzt heißt es für die Solardraisinen aber erst einmal: Pause. Zumindest für die Gäste. „Bei uns geht die Arbeit jetzt richtig los. Bis zum Frühjahr müssen alle Wägen geprüft und eingelagert werden. Hoffentlich können wir 2022 dann wieder im April durchstarten“, blickt Kahl abschließend in die Zukunft.
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