Überwaldbahn - Am Ende der Saison zieht Geschäftsführer Holger Kahl eine unerwartet positive Bilanz

Mit 24 000 Draisinen-Fahrgästen hat niemand gerechnet

Von 
Nadine Kunzig
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Bergstraße. Ein Jahr, das vor großen Herausforderungen stand – mit einem Ergebnis, das so nicht erwartet wurde. Landrat Christian Engelhardt bringt es bei der Pressekonferenz im Landratsamt auf den Punkt: Die Solardraisine strahlt wie ein Leuchtturm nach außen. „Dieses Jahr haben wir viele Lampen poliert und an der Lichtstärke gearbeitet“, skizziert er dieses Bild weiter. Denn: Mit 24 000 Fahrgästen in fünf Monaten hatte keiner der Gesellschafter gerechnet.

Schließlich fuhren in der gesamten Saison 2019, von April bis Oktober, rund 28 600 Gäste mit der Solardraisine. Und in diesem Jahr begann die Saison coronabedingt erst Ende Mai. „Im Vergleich zum Vorjahr fehlen uns im April und Mai jeweils rund 30 000 Euro“, bilanziert Holger Kahl, Geschäftsführer der Überwaldbahn gGmbH.

Zusätzlich kamen Ausgaben in Höhe von 100 000 Euro hinzu, um die Hygieneauflagen zu erfüllen oder die Stornierungen während des Lockdowns zu bearbeiten. Doch insgesamt liege der Umsatz über dem Vorjahresniveau. Kahl rechnet mit 430 000 Euro.

Juli und August als gute Monate

Das begründete er unter anderem mit der Nutzung in den Ferienmonaten Juli und August, in denen „ein Mehrumsatz von etwa 50 Prozent gegenüber den Vorjahren erwirtschaftet wurde“. Die entsprechend gute Auslastung sei auch darauf zurückzuführen, dass viele Bürger ihren Urlaub in Deutschland verbracht hatten und sich der Grundpreis für Fahrten unter der Woche erhöhte.

Zudem sei der Fahrplan erweitert worden: „Wir haben erstmals Abendfahrten angeboten, die insgesamt zweieinhalb Umläufe ermöglichten“, erklärt Kahl. „Was uns an Gruppenreisen wegfiel, kompensierten die Familien, die uns im Sommer eine Auslastung von beinahe 100 Prozent brachten.“

Das zeige laut Landrat Engelhardt, „welches Potenzial wir noch nach oben haben – die Solardraisine steht auf dem richtigen Gleis. Wir stecken aber auch viel Gedankenarbeit und Geld hinein“.

Die unbefristete Betriebsgenehmigung der Aufsichtsbehörde, die die Überwaldbahn in diesem Jahr erhielt, sei der größte Erfolg gewesen. Dennoch – sagt Kahl – müssen die Bauwerke fortlaufend instand gesetzt werden.

Technische Umrüstung erfolgt

Die Draisinenfahrzeuge selbst wurden technisch umgerüstet. „Das Thema Akku haben wir jetzt im Griff“, sagt Kahl. Denn auch bei Talfahrten wird nun viel mehr Energie zurückgewonnen als vorher. Da die Fahrzeuge mittlerweile sieben Jahre alt sind, rechnet Kahl schon bald mit dem Austausch von Verschleißteilen. Zum Beispiel müssten die Bremsanlage überholt, Sitze ausgetauscht und Schäden durch Auffahrunfälle ausgebessert werden. „Letzteres darf man nicht unterschätzen“, sagt Kahl. Deswegen wird gerade eine Abstandssensorik gegen Kollisionen getestet. Zum einen für die Sicherheit der Gäste. Zum anderen gegen Schäden an den Fahrzeugen.

Weiteres Ziel für die Zukunft: Das Leistungsangebot ausbauen. So können laut Landrat zusätzliche Erträge erwirtschaftet werden, die den Zuschussbedarf für die Überwaldbahn gGmbH niedriger halten. Er denkt dabei beispielsweise an die Picknickkörbe, die separat zur Draisinenfahrt gebucht werden können, oder auch an Sponsoring.

Das lobt Andreas Niedermaier, Vorstandsmitglied der Entega: „Die Region ist auf dem richtigen Weg. Seit Inbetriebnahme der Solardraisine sind schon über 200 000 Gäste von Mörlenbach nach Wald-Michelbach gefahren.“ Das wiederum sei auch für Sponsoren eine „gute Sache“.

„Die Angebote befruchten sich gegenseitig“, freut sich Engelhardt. Denn auch die heimische Gastronomie oder die Freizeitanbieter „profitieren von den zusätzlichen Tagestouristen“. Davon berichtet Jens Jöst, Inhaber des Gasthauses „Bergblick“ in Stallenkandel: „Die Draisine bringt viele Gäste in die Region.“

Allerdings sei die Verweildauer am Anfang zu kurz gewesen, weswegen die Touristen nicht genug Zeit für einen ausgedehnten Besuch in Wald-Michelbach hatten. Das wurde angepasst, was die Gastronomie positiv zu spüren bekam.

Mehr als nur eine Komponente

Zum Draisinenerlebnis gehöre schließlich mehr als nur eine Freizeitkomponente. Und das wirke sich laut Engelhardt auf die Lebensqualität in der Region und auf die Bürger, die hier leben, aus. „Das sichert unseren Wirtschaftsraum“, sagt er. Deswegen sei es wichtig, die Draisine mit ihren Angeboten stetig weiterzuentwickeln.

„Die Überwaldbahn ist auf einem guten Weg“, bilanziert Kahl. „Der Trend zum Urlaub in der Heimat bleibt bestehen, da bin ich für das kommende Jahr sehr positiv gestimmt. Ich sehe die Draisine als Anker, der die Gäste aus einem großen Einzugsgebiet in die Region bringt.“

Die Technik wurde umgekrempelt

Die diesjährige Saison der Solardraisine verschob sich um knapp zwei Monate nach hinten. Sie konnte aufgrund des Lockdowns nicht wie üblich im April starten. Die ersten Draisinen fuhren an Christi Himmelfahrt zwischen Wald-Michelbach und Mörlenbach.

Zeitversetzte Anmeldungen, markierte Laufwege und Wartebereiche halfen, an den Draisinen-Bahnhöfen Abstand zu halten. Zudem wurden die Draisinen nach jeder Benutzung desinfiziert und bis Ende Juni nur mit zwei Hausständen besetzt.

Dennoch war die Auslastung vergleichsweise hoch: 24 000 Fahrgäste in fünf Monaten. In der Saison 2019 machten sich etwa 28 600 Gäste in mehr als 4300 Solardraisinenfahrten auf den Weg. 2018 waren es noch 30 400 Besucher.

Während der Saison 2019 und in der Winterpause wurde die Technik der Draisinen umgekrempelt: Statt einer Aufwärmphase können die Fahrzeuge seither direkt losfahren. Traten die Gäste vorher ins Leere, müssen sie nun – wie beim Fahrradfahren – richtig in die Pedale treten. Die erzeugte Energie fließt direkt in die Akkus, die nur noch über Nacht in Mörlenbach aufgeladen werden müssen, bevor sie den Berg hoch nach Wald-Michelbach fahren.

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