Zwingenberg. Der Wein floss wieder in Strömen – sogar aus dem Brunnen: In Zwingenberger wurde kurz vor Pfingsten die Saison der Bergsträßer Weinfeste eröffnet. Die regional kleinste, kürzeste und jüngste Veranstaltung gilt unter vielen Fans als gemütlichste und entspannteste Variante. Doch schließlich ist man cittaslow und auch sonst darauf bedacht, ein eigenes Profil zu bewahren und sich von der Masse etwas abzuheben.
Das zweite Weinfest „nach Corona“ war zur Eröffnung am Freitag so gut besucht, dass man hätte meinen können, dass es so etwas wie eine Pandemie nie gegeben habe. Ansteckend war am Wochenende nur die Lebensfreude.
Dicht gedrängt bündelten sich die Gäste auf dem historischen Pflaster neben-, hinter- und manchmal sogar übereinander. Nur kurz aufgeschreckt von den Böllerschüssen der Privilegierten Schützengesellschaft, die sich traditionell auf das Bacchanal einschießen, das zum 31. Mal über die Altstadt-Bühne ging. In bewährter Form, aber mit einigen Veränderungen.
Drei Weingüter schenkten aus
Es gab nur drei Weingüter. Das war absolut ausreichend, aber das bislang reduzierteste Angebot an flüssigen Genüssen. Umrahmt wurde der Marktplatz von den Betrieben Simon-Bürkle und Jan Faber aus Zwingenberg sowie von Kühnert aus Alsbach, die beiden Letztgenannten waren 2019 erstmals mit dabei. Durch den Wegfall des Stands der Heppenheimer Genossenschaft und die Auszeit des Bio-Weinguts Feligreno, das nach der Übernahme von Jannik Jährling in diesem Jahr pausiert, blieben nur drei übrig.
Verdurstet ist in Zwingenberg aber niemand über Pfingsten. In der ältesten Stadt der Bergstraße konnte man den Rebensaft am Freitag sogar aus dem Marktplatzbrunnen trinken: eine alte Tradition, dass die anwesenden Weinhoheiten aus Groß-Umstadt, Lützelsachsen, Schriesheim und Hemsbach einige Flaschen der beteiligten Weingüter kostenfrei leeren. Das 2015 eingeführte Stielglas mit Kirchenmotiv und Pegelmarkierungen bei 0,1 und 0,25 Litern war erneut ein treuer Begleiter über das Kopfsteinpflaster, wo vor allem die Jahrgänge 2021 und 2022 in die Gläser flossen.
Nach dem eröffnenden Geböller hatte man zwar etwas Mühe, die ersten Klänge des Gesangsvereins Sängerkranz aus dem Jahrgang 1832 akustisch einwandfrei zuordnen zu können, aber wahrscheinlich ging es traditionsgemäß um Trauben, Tonnen andere Genussaccessoires, die in einem Weinstädtchen eine prominente Rolle spielen. Vor der für ein quirliges Weinfest vielleicht etwas zu zart gebauten musikalischen Ouvertüre stand der offizielle Begrüßungs- und Dankesblock.
Bürgermeister Holger Habich erinnerte an den vom Arbeitskreis cittaslow jüngst vorgestellten, dritten Zwingenberger Stadtwein (ein Regent von Feligreno), Ingrid Krimmelbein verwies als Vorsitzende des ausrichtenden Geschichtsvereins auf den anstehenden Bauern- und Handwerkermarkt (wir werden ausführlich berichten), und Stadtverordnetenvorsteher Andreas Kovar wünschte gesellige Stunden im Herzen der Stadt, die übers Wochenende von durchgehender Sonne über azurblauem Himmel ausgeleuchtet wurde.
Spenden für Brisighella
Apropos Azzurro: Habich berichtete kurz von den Aufräumarbeiten in der italienischen Partnergemeinde Brisighella. Die Unwetter über der Emilia Romagna haben auch das mittelalterliche Dörfchen bei Ravenna in Mitleidenschaft gezogen. Es gab Erdrutsche, die meisten Straßen sind unpassierbar. Viele Weinfestbesucher warfen deshalb ein paar Euro in die Spendenschweinchen oder gaben ihr Pfandglas ohne finanzielle Retoure zurück. Ein schönes Zeichen von Solidarität zur anderen Slow City im schönen Valle del Lamone. Die zweite Veränderung ging mit der ersten einher: Wo sonst die Bergsträßer Winzer eG gegrillt hat, luden weitere Sitzgelegenheiten ein, was durchaus für etwas mehr Atmosphäre gesorgt hat. In dieser Nische wurden auch die Ehrengäste platziert, darunter die Bürgermeisterinnen Christine Klein (Bensheim), Bärbel Schader (Bürstadt) und Sebastian Bubenzer aus Alsbach.
Zugegen waren auch der Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf, der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Bergstraße, Matthias Zürker, sowie Otto Guthier als Vorsitzender des Weinbauverbands Hessische Bergstraße. Nicht zu vergessen der jeweilige Vorstand der Sparkasse Bensheim und der GGEW AG, der beiden Hauptsponsoren der viertägigen Sause, die am Freitag mit dem Quartett Nid de Poule in den Abend geschwappt ist. Die Band spielte französisch angehauchten Jazz und Gypsy-Swing à la Django Reinhardt.
Am Samstagabend spielte die bekannte Bergsträßer Formation Sam’s Living Room, am Sonntagmittag gastierte die Zwingenberger Feuerwehrkapelle auf der Marktplatzbühne, am Abend schaute das Lorscher Duo „Das Mädchen mit dem Kontrabass“ mit Mimi Grimm und Steffen Zäuner vorbei.
Mit den New Orleans Originals um den Heppenheimer Saxophonisten Christian Seeger und der Mannheimer Sängerin und Liedermacherin Kiara Mali klang das Weinfest am Montag aus. Für die Kinder und Junggebliebene war ab Sonntag die GGEW-Arena im Stadtpark aufgebaut: Rasen-Entertainment mit Natur-Flair. Der Zwingenberger Mittagstisch servierte selbstgebackenen Kuchen.
Wie im letzten Jahr war der Gastrobetrieb Herrmann mit zwei Food-Trucks vertreten. Aber auch die Weingüter boten wie gewohnt kleine Speisen an. Bei Simon-Bürkle gab es den klassischen Flammkuchen, während Sebastian Kühnert verschiedene kalte Bowls und andere aromatische Miniaturen zubereitet hatte. Das Zwingenberger Weinfest präsentierte sich auch in diesem Jahr als entspanntes Beisammensein im Zeichen des hiesigen Weines. Es gab noch mehr Sitzgelegenheiten und Stehtische als früher, so dass man irgendwo immer eine nette Nische finden konnte. Alles in allem ein gelungenes Fest 2023.
Nur die Prognose des Bürgermeisters traf nicht zu: Holger Habich hatte vier Wochen zuvor – wie immer – die Vorhersage geäußert, das Wetter zu Pfingsten entspreche jenem des Pressetermins. Falsch! Es war deutlich wärmer als an jenem sonnigen 27. April mit seinen milden 17 Grad. Ein netter Irrtum.
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