Zwingenberg. Der Vorschlag des Magistrats, den Keller der ehemaligen Zwingenberger Jugendherberge zu einem Weinkeller auszubauen, um ihn dann an einen örtlichen Winzer zu vermieten, ist - zunächst - vom Tisch: Der Bau-, Planungs- und Umweltausschuss (BPU) der Stadtverordnetenversammlung hat bei seiner Beratung und Beschlussfassung über den Entwurf des Haushaltsplanes für 2025 mehrheitlich einen Antrag der Gemeinschaft für Umweltschutz und Demokratie gebilligt, die Planungskosten für das Projekt auf 2026 zu verschieben.
GUD fordert, zunächst ein Gesamtkonzept zu erstellen
GUD-Fraktionsvorsitzender Ulrich Kühnhold begrüßte es zwar grundsätzlich, dass der Winzer im ältesten Bergstraßenstädtchen „eine dauerhafte Bleibe findet“, forderte aber zunächst dazu auf, ein Gesamtkonzept für die Nutzung der denkmalgeschützten Immobilie zu erstellen. „Ich tue mir schwer, jetzt schon eine punktuelle Festlegung zu treffen.“ Bevor die Stadt „eine große Menge Geld“ – 25.000 Euro für die Planung und 100.000 Euro für die Umsetzung – investiere, müsse feststehen, dass ein Weinkeller zum Gesamtkonzept passen könne.
FDP und SPD schließen sich an
Auch FDP-Stadtverordneter Harald Pieler stellte klar: „Erst müssen wir ein Gesamtkonzept haben.“ Jetzt „teures Geld“ in ein einzelnes Projekt zu investieren, um die für einen Weinbau erforderlichen Einbauten – zum Beispiel eine Hebebühne – „wieder rauszureißen“, weil diese Nutzung dann doch nicht die passende sei, komme einem „Schildbürgerstreich“ gleich. Wie GUD-Stadtverordneter Martin Giebeler trat Pieler dafür ein, einstweilen nur Geld in die Immobilie zu investieren, wenn das mit Blick auf den Substanzerhalt notwendig sei.
Diesem Vorgehen konnte auch die SPD folgen, für die Fraktionsvorsitzende Regina Nethe-Jaenchen allerdings dazu aufforderte, die Zeit nun aber auch für die Erstellung eines Konzeptes zu nutzen. Nach Einschätzung von Erster Stadträtin und „Interims-Bürgermeisterin“ Karin Rettig werde sich an der aktuellen Nutzung der ehemaligen Jugendherberge als Unterkunft für Geflüchtete voraussichtlich auch in den nächsten fünf Jahren nichts ändern.
Keller steht derzeit leer
Das noch zur Amtszeit von Bürgermeister Holger Habich erarbeitete Konzept für die Nutzung des Untergeschosses als Weinkeller war entstanden, weil anders als die anderen Etagen des Hauses an der „Langen Schneise 11“, auf denen bis zu 65 geflüchtete Menschen leben, der Keller gegenwärtig leer steht. In einem Magistratsbericht heißt es dazu weiter: „Ein örtlicher Winzer ist an dieser Nutzung und einem langfristigen Mietvertrag sehr interessiert.“ Überdies sei eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung „zu einem positiven Ergebnis gekommen“. Stimme die Stadtverordnetenversammlung zu, könne kurzfristig ein entsprechender Vorvertrag geschlossen werden.
Erwerb im Sommer 2023 für 2,3 Millionen Euro
Während für den Keller der ehemaligen Jugendherberge mit dem skizzierten Vorschlag aus dem Rathaus nun also eine Nutzungsidee vorliegt, steht ein entsprechendes Konzept für die Immobilie mit ihren 1.700 Quadratmetern Nutzfläche sowie für das 3.600 Quadratmeter große Areal nach wie vor noch aus. Die denkmalgeschützte Immobilie war bekanntermaßen im Sommer 2023 für rund 2,3 Millionen Euro vom Landesverband Hessen im Deutschen Jugendherbergswerk erworben worden.
Im Vorbericht des Haushaltsplanentwurfs für das Jahr 2025 ist zu lesen: „Bei den kommunalen Liegenschaften hat sich die Stadt Zwingenberg mit dem Erwerb der ehemaligen Jugendherberge im Jahr 2023 ein beachtliches Objekt ,geleistet‘. Das gilt sowohl für dessen bauliche Dimension als auch für die hier in den kommenden Jahren zu tätigenden Folgeinvestitionen. Die derzeitige Zwischennutzung als Asylbewerberunterkunft verschafft Zeit, ein gut durchdachtes und vor allem finanzierbares Konzept zu entwickeln, woran in den nächsten zwei bis drei Jahren zu arbeiten sein wird.“
Langes Ringen um den Kauf der denkmalgeschützten Immobilie
Mit der Kaufentscheidung der Stadt im Frühjahr 2023 ging ein langes Ringen um die Frage, ob man die ehemalige Jugendherberge erwerben soll oder nicht, zu Ende. Nachdem die renovierungsbedürftige Jugendherberge im Jahr 2020 Corona-bedingt nicht in die Saison gestartet war, wurde im Spätsommer vom Jugendherbergswerk dann ihre Schließung verkündet – zum Jahreswechsel 2020/2021 wurde das Haus offiziell „vom Netz“ genommen.
Ein Makler wurde beauftragt, das Anwesen für eine nicht genannte Summe zu verkaufen. Auch die Stadt Zwingenberg interessierte sich zunächst für einen Erwerb - ihre Motivation: Zu verhindern, dass die Immobilie als „Renditeobjekt“ eines Investors der Nutzung durch die Öffentlichkeit völlig entzogen wird. Mit möglichen Mietern – zum Beispiel einem Jugendhilfeträger – kam die Stadt jedoch nicht ins Geschäft und die Kommune nahm einstweilen wieder Abstand vom Kauf.
Weil die Kommune jedoch ein gewichtiges Wörtchen dabei mitreden wollte, was künftig mit dem denkmalgeschützten Gebäude – der Grundstein wurde am 3. September 1928 gelegt – sowie auf dem Areal am Rande der als Ensemble unter Denkmalschutz stehenden Altstadt geschieht, legte sie eine Fortschreibung der Bauleitplanung auf. Sie trägt die Bezeichnung „Schießgarten / Die Lange Schneise“ und ihr Ziel ist es, „die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine bauliche Folgenutzung und gegebenenfalls für eine maßvolle bauliche Nachverdichtung zu schaffen“.
Verhandlungen mit potenziellem Investor scheitern
Nach zwischenzeitlich gescheiterten Verhandlungen eines potenziellen Investors mit dem Jugendherbergswerk brachte die Stadt sich dann im Frühjahr 2023 erneut als Kaufinteressentin ins Gespräch: „Wir wollen die ehemalige Jugendherberge für die Allgemeinheit sichern – und wir wollen ein unmittelbar anstehendes Problem, nämlich die Unterbringung von Flüchtlingen lösen,“ erklärte Rathauschef Habich im März: „Und alle in Frage kommenden Alternativen sind ähnlich teuer und/oder aufwendig.“ Der Erwerb der Jugendherberge habe den Vorteil: „Das Geld, das wir investieren müssen, ist nicht, wie beispielsweise bei der Unterbringung von Geflüchteten in Containern, verloren, sondern in einer Immobilie sinnvoll angelegt.“
Im Juli 2023 wurde der Kaufvertrag notariell beurkundet und quasi gleichzeitig ein Mietvertrag zum 1. August abgeschlossen, um das Anwesen an der Straße „Die Lange Schneise 11“ umgehend für den Zweck nutzen zu können, der am Ende den Ausschlag zum Erwerb gegeben hatte, nämlich für die Unterbringung von geflüchteten Menschen. Wenig später erfolgte der grundbuchrechtliche Eigentumsübergang, seitdem ist die Stadt Eigentümerin der ehemaligen Jugendherberge.
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