Geschichtsverein

Museum Zwingenberg startet mit Sonderausstellung in die Saison

Ein spannendes Objekt ist beispielsweise das Polarimeter, das auf den ersten Blick aussieht wie ein Teleskop.

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Eva Bambach
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Michaela Frey-Schreiber (links) und Berenike Neumeister vom Geschichtsverein eröffneten die Sonderausstellung „Alte Hofapotheke“. © Thomas Neu

Zwingenberg. Saisonstart in der Scheuergasse: Das Museum des Geschichtsvereins eröffnete wieder mit einem Tag des „Lebendigen Museums“ am Sonntagnachmittag die Ausstellungsaktivitäten des Jahres 2023. Im Garten und Hof der alten Scheune gab es – bei leider etwas kühlem und feuchtem Wetter – wie gewohnt interessante Spielangebote und Handwerksvorführungen.

Stetig umlagert war unter anderem die kleine Freiluftschmiede, wo Sven Seitz vor aller Augen kleine Glückshufeisen schmiedete, die man ebenso kaufen konnte wie Harald Germanns Bauernbrot aus dem Holzbackofen und Honig von Hendrick Steinack. Die Faszination des Drechselns übertrug sich auf die Zuschauer bei Erich Hofmann aus Oberzent, der vor aller Augen aus grobem Holz anmutige Kreisel entstehen ließ.

Flipper-Kasten selbst bauen

Spezielles Amüsement für die Kinder gab es auch: Horst Haller hatte diesmal einfache Flipper-Kästen gebaut, mit unterschiedlichen Alarmfunktionen und Hebelmechanismen. Da konnte nicht nur vor Ort die Reaktionsfähigkeit geschult werden, sondern es gab auch bereitwillig Anleitung für alle Eltern, die planen, mit ihren Kindern so einen attraktiven Kasten selbst einmal zu bauen.

Ein haptisches Vergnügen, wenngleich angesichts der feuchten Witterung ziemlich nass, vermittelte Birgit Fertig mit ihrem Angebot, mit viel warmem Seifenwasser bunte Filzeier zu erschaffen oder interessante „Tigeraugen“: gefilzte Bälle mit einer funkelnden Murmel in der Mitte, die am Ende aufgeschnitten werden und ihr farbenfrohes Inneres freigeben. Stärkung bot der Kaffee-, Getränke- und Kuchenverkauf, mit dem die Mitglieder die Vereinskasse füllten.

Konzentration beim Drechseln. © Neu

Die erste Vorsitzende des Geschichtsvereins Ingrid Krimmelbein hatte noch persönliche Erinnerungen an den Kauf von essigsaurer Tonerde in der alten Apotheke der Familie Herms, die am Marktplatz gelegen war und 1972 in moderne Gebäude an der Bahnhofstraße umzog. Am Sonntag konnte Ingrid Krimmelbein nun eine ganz besondere Ausstellung eröffnen: Apothekerin Monika Herms hatte dem Verein viele Leihgaben und Schenkungen von Gegenständen aus den Räumen der alten Apotheke am Marktplatz übergeben, die – seit Anfang Januar kuratiert von Michaela Frey-Schreiber, Dagmar Suur, Mario Gayer und Berenike Neumeister – nun als Sonderausstellung des Jahres 2023 zu sehen sind.

Leider, so merkte Berenike Neumeister in ihrer Einführungsrede an, ist die Ausstellung nicht barrierefrei zu besuchen, weil sie im Zwischengeschoss des Museums eingerichtet werden musste und nur über die Treppe zu erreichen ist. Aber: Ab dem nächsten Jahr soll ein Teil der Exponate Eingang in die Dauerausstellung zur Stadtgeschichte im Erdgeschoss finden und damit für alle zugänglich sein.

Sven Seitz schmiedete kleine Glückshufeisen. © Thomas Neu

Berenike Neumeister ließ die Geschichte der am Marktplatz noch heute mit dem Schriftzug „Alte Hofapotheke“ am Gebäude dokumentierten Apotheke Revue passieren und führte die Zuhörer damit weit zurück in die Apothekengeschichte in Hessen-Darmstadt und ins 16. Jahrhundert. Damals erließ Landgraf Philipp der Großmütige eine Apothekenordnung und am Hof war eine Apothekerin namens Judith belegt. 1639 gab es in der Landgrafschaft Hessen dann insgesamt fünf Apotheken: zwei in Darmstadt, drei in Grießen, berichtete Berenike Neumeister. Im 17. Jahrhundert wurden Apotheker vereidigt und sie mussten eine Prüfung ablegen. Nur die Rezepte zugelassener Ärzte durften umgesetzt werden – zu in der „Frankfurter Taxe“ festgelegten Preisen.

In der Provinz Starkenburg gab es zu Beginn des 18. Jahrhunderts nur drei Apotheken, je eine in Darmstadt, Groß-Gerau und Groß-Umstadt. Eine erste Apotheke in Zwingenberg wurde 1786 eröffnet – kurz nachdem 1783 die Hessischen Landgrafen das Fürstenlager in Auerbach als Sommerresidenz entdeckten und stetig weiter ausbauten – und damit auch ihren Bedarf an Arzneimitteln unmittelbar in der Region decken wollten. Unter Großherzog Ludewig I. wurde die Apotheke schließlich zur Hofapotheke.

Bekannte Apotheker der Stadt

Berenike Neumeister nannte mehrere prominente Apotheker, die in Zwingenberg gewirkt haben, darunter Ferdinand Ludwig Winkler, der die Bedeutung des Chinins im Kampf gegen Malaria entdeckt habe, und Wilhelm Büchner, der durch die Herstellung von künstlichem Ultramarin berühmt wurde, nachdem er 1833/34 seine Apothekerlehre in Zwingenberg gemacht hatte - während der ihn unter anderem sein Bruder Georg Büchner besuchte.

Die Familie Herms erwarb die Apotheke am Marktplatz 1932 und belieferte anfangs zehn weitere Ortschaften in der Umgebung per Boten, bis die Kreisapotheke in Jugenheim eröffnet wurde. 1954 wurde auf eine behördliche Anweisung hin eine Filiale der Apotheke Herms in Auerbach errichtet. Die „Alte Hofapotheke“ wurde nach dem Umzug in die Bahnhofstraße als Wohnhaus verkauft. Viele originale Objekte, die noch aus der „Alten Hofapotheke“ am Marktplatz stammen, werden nun im Museum präsentiert.

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Die wertvollsten sind gedrechselte Holzdosen aus dem Barock, in denen getrocknete Heilkräuter aufbewahrt werden. Ein bisschen zum Gruseln taugen vielleicht die beiden in einer Vitrine ausgestellten Giftschubladen, bei denen viele Fächer mit beeindruckenden Totenköpfen versehen sind. Ein kompletter Satz Globuli vom Ende des 19. Jahrhunderts bezeugt die damalige Popularität der um 1800 entwickelten Homöopathie.

Ein spannendes Objekt ist auch das Polarimeter, das auf den ersten Blick aussieht wie ein Teleskop, jedoch zur optischen Bestimmung der Konzentration von Stoffen in Lösungen verwendet wird. Ein hübsches, weil mit einer ornamentalen Verzierung versehenes Ausstellungsstück ist der Berkefeld-Filter aus Porzellan. Diese 1891 von Wilhelm Berkefeld erfundene Anlage zur Wasseraufbereitung mittels Filtern aus Kieselgur, dürfte wohl um 1900 für die Zwingenberger Apotheke angeschafft worden sein. Wer nicht nur über sauberes Wasser, sondern auch über Wein und seine Herstellung etwas erfahren wollte, für den war am Sonntag auch die ebenfalls in der Scheuergasse befindliche Scheune des Museums mit ihrer Ausstellung um die Themen Landwirtschaft, Weinbau und Küferei geöffnet.

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