Zwingenberg. Bereits im Lorscher Codex wurden die Zwingenberger als Weintrinker bezeichnet. Um tiefer in die Weinkultur der Stadt einzutauchen, lud der Landschaftspflegeverein Alte Burg kürzlich zu einen Vortrag von Michael Matheus ein.
Unter der Überschrift „Winzerdörfer: Wirtschafts- und Lebensformen zwischen Stadt und Land“ beleuchtete der Historiker von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz die Geschichte des Zwingenberger Weinbaus und diskutierte mit den Gästen, ob das älteste Städtchen an der Bergstraße historisch betrachtet eher ein Winzerdorf oder eine Weinstadt ist. Die Veranstaltung im Diefenbachsaal des „Bunten Löwen“ war der Abschluss der Wintersaison-Vortragsreihe „Mensch und Natur im Alltag“, die der Alte-Burg-Verein organisiert hatte.
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Doch seit wann wird Zwingenberg als Weinstadt angesehen und welche Indizien stützen diese Annahme? Um dies zu ergründen, konzentrierte sich Matheus auf insgesamt sechs Kriterien. Zunächst verwies der Historiker auf den Lorscher Codex, der belegt, dass Zwingenberg schon vor 750 Jahren eine stadtähnliche Siedlung war.
Es gab das „Weinungeld“ und „Weinschröter“ in der Stadt
Weiterhin wurde 1710 festgehalten, dass es in Zwingenberg drei Varianten von Ungeld, gleichzusetzen mit der heutigen Mehrwertsteuer, gegeben hat: Fleisch- und Brotungeld sowie das Weinungeld. Dieses Weinungeld sei laut Matheus ein Anzeichen für die Existenz eines Winzerdorfs. Außerdem ist in historischen Aufzeichnungen von „Weinschrötern” die Rede, was ein Indiz für den Transport von Wein sei. Beweise für genossenschaftliche Organisationsformen und ein Weinbaugewerbe konnte der Referent nicht nachweisen.
Alte Häuser haben einen Keller für die Weinlagerung
Was er jedoch als bedeutsam hervorhob, war die für die damalige Zeit kostspielige Infrastruktur. Denn jedes alte Haus in Zwingenberg habe einen Keller, der auf die Lagerung von Wein hindeute. Für die Einbindung der Weinproduktion in den überregionalen Handel konnte der Historiker keine Beweise finden.
Darüber hinaus könne man nicht nachweisen, dass es keine nicht ansässigen Besitzer von Rebflächen sowie den Besitz von Weingärten durch örtliche Winzer in anderen Siedlungen gegeben habe. Dass Zwingenberg dem typischen Erscheinungsbild einer Weinstadt entspricht, ist für Michael Matheus eindeutig. „Die wunderschöne Architektur und die vielen Weinreben sprechen für sich.”
In seinem Vortrag ging er zudem auf das gängige Vorurteil ein, an der Bergstraße würden nur „saure“ Weine produziert. Für Matheus ist dies eine Legende. Dabei verwies er auf den Weinbaupionier Johann Philipp Bronner, der die Weinkultur unter anderem an der Bergstraße studierte.
„Bronner war ein bekennender Rieslingfan.” Daher fand Matheus es nicht verwunderlich, dass Bronner von den Bergsträßer Weinen nicht begeistert war. Um das Jahr 1910 herum wurden in Zwingenberg lediglich 25 Prozent von der Rebsorte Riesling angebaut. Hinzu kommt, dass Bronner laut einigen Quellen alle anderen Sorten als weitaus weniger schmackhaft empfand. Zudem gebe es Vorurteile gegenüber Weintrauben, die auf Granitböden wachsen. Matheus selbst ist nicht der Ansicht, dass auf einem solchen Boden kein guter Wein entstehen könne. „Einige Regionen, beispielsweise in Frankreich, haben Granitböden und dort werden die besten Weine der Welt hergestellt.”
Weitere Nachforschungen nötig
Indizien für die Winzerstadt Zwingenberg liefern zwei Bilder aus dem 17. und 19. Jahrhundert, auf denen eindeutig Weinberge zu erkennen sind. Seit wann in Zwingenberg Weinbau betrieben wird, ist dennoch nicht genau bekannt. Michael Matheus appellierte an die Bürger, selbst nachzuforschen, um weitere Zeugnisse zur Geschichte des örtlichen Weinbaus zu finden.
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