Zwingenberg. Wer im Glashaus sitzt, der soll bekanntermaßen nicht mit Steinen werfen. Wer allerdings im Weinberghaus über den Dächern von Zwingenberg Platz nimmt, der sollte zwar ebenfalls keine Steine, so doch aber einen Blick durchs weit geöffnete, zweiflügelige Tor werfen: Oberhalb einer neu angelegten Streuobstwiese in der Weinlage „Alte Burg“ ist – noch dazu bei goldenem Herbstwetter wie in diesen Tagen – ein Blick in die Landschaft möglich, er einem das Herz aufgehen lässt.
Wer zu allem Überfluss auch noch einen leckeren Rebensaft im Glas hat, wie ihn die Winzer Sebastian Kühnert und Johannes Bürkle zur Einweihung der neuen Location in dieser Woche ausschenkten, der läuft Gefahr, die schmucke Stätte gar nicht mehr verlassen zu wollen. So zumindest erging es den Teilnehmern der kleinen Feierstunde, die am frühen Mittwochabend die offizielle Indienststellung des Weinberghauses markierte: Ein harter und weinseliger Kern setzte sich bis weit nach Einbruch der Dunkelheit fest.
Doch keine Sorge: Das Weinberghaus soll weder eine Partylocation noch eine Weinkneipe werden, sondern es wird ausschließlich einer überschaubaren Nutzergruppe vorbehalten bleiben, wie Bürgermeister Holger Habich erläuterte. Nämlich denen, die sich an der im Zuge der Flurbereinigung errichteten Immobilie finanziell und/oder durch „Muskelkraft“ beteiligt haben.
Das sind neben den Weinbaubetrieben Faber, Feligreno, Kühnert und Simon-Bürkle auch die Stadt Zwingenberg, der Landschaftspflegeverein „Alte Burg“ sowie der Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald.
Vom Tumult zur bodenständigen Lösung
„Runde Geburtstage oder Ehejubiläen werden hier oben nicht gefeiert“, knüpfte Habich, der auch Vorsitzender der Teilnehmergemeinschaft für die Flurbereinigung ist, an die Kritik an die vor einigen Jahren angesichts erster Überlegungen für ein Domizil in den Weinbergen laut wurde – „und die damals dafür sorgte, dass wir die zur heißen Pfanne gewordene Idee ganz schnell wieder vom Herd genommen haben“.In der Tat: Angehende Architektinnen und Architekten hatten im Rahmen eines Studierendenprojekts der TU Darmstadt Konzepte für einen „Ort für den Wein“ quasi als Ersatz für die Luciberghütte entwickelt.
Die Entwürfe – „von der chinesischen Pagode bis hin zu einem Luftschutzkeller-artigen Gebäude“ - wurden als Modelle der Öffentlichkeit präsentiert. Und angesichts der dreidimensionalen Miniaturen brachen die „Tumulte“ los. „Dabei war nie daran gedacht, einen der Entwürfe tatsächlich umzusetzen“, so Habich. Doch die schlimmsten Befürchtungen, dass inmitten der Wingerte ein millionenteures und ausufernd frequentiertes Ausflugsziel entstehen könnte, für das am Ende vor Ort auch noch Parkplätze angelegt werden müssten, brachen sich Bahn.
Neuer Ort für Winzer und Weinliebhaber
Während die „heiße Pfanne“ quasi „abkühlte“, ging die Idee von einem „Ort für den Wein“ sowohl der Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung als auch den Mitarbeitern des Amtes für Bodenmanagement als der zuständigen Flurbereinigungsbehörde nicht mehr aus dem Sinn.
Ein „Guckkasten in die Landschaft“ sollte es werden, so Habich, „dem Haus vom Nikolaus ähnlich“. Schließlich gehe es bei einem Flurbereinigungsverfahren nicht nur um Wegebau und Parzellierung, sondern auch darum, darüber hinausgehende gute Rahmenbedingungen für Bewirtschaftung und Vermarktung zu schaffen.
Mit dem Weinberghaus sein nun ein Ort entstanden, den das Weinbaustädtchen Zwingenberg beispielweise für repräsentative Zwecken nutzen könne, um Gäste zu empfangen, oder an den die Winzer zur Verkostung ihrer Rebensäfte einladen können. Der Landschaftspflegeverein „Alte Burg“ hat dort bereits seine Jahreshauptversammlung abgehalten und das Weinberghaus werde auch den Rangern des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald im Rahmen ihrer Exkursionen als Domizil dienen, so Habich.
Eine kleine Küchenzeile sowie Bänke und Tische aus massiver Eiche bilden im Inneren des gut gedämmten Holzbaus die Infrastruktur und in der kalten Jahreszeit könnte die Kühle mit einer Elektroheizung vertrieben werden.
Gemeinschaftsprojekt mit Herz und Nachhaltigkeit
Durch die in den angrenzenden Weinbergen installierte Tröpfchenbewässerung sind Strom und Wasser ohnehin vor Ort vorhanden. Und mittels einer Trockentrenntoilette hinterm Haus ist auch dafür gesorgt, dass sich niemand in die Büsche schlagen muss. Dank vieler Eigenleistungen und großzügiger Sponsoren habe man das Weinberghaus als „Low-Budget-Projekt“ realisieren können, dankte Holger Habich allen voran den Unternehmen Wilch Holzhaus für eine fünfstellige sowie Elektro Waldhoff für ein vierstellige Förderung.
In seinem Dank schloss Habich auch ein Team des interkommunalen Bauhofs mit Vorarbeiter Martin Bersch an der Spitze, die Winzer Kühnert und Bürkle sowie Florian Kaffarnik und Karl-Heinz Hartmann vom „Alte Burg“-Verein ein. Lob und Respekt für das Projekt zollte bei der Einweihung auch Manfred Bräuer, der stellvertretender Leiter des Amtes für Bodenmanagement.
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