Weinbau

Flurbereinigung am Zwingenberger Luciberg geht voran

Landwirtschaftsminister Ingmar Jung informierte sich über die Maßnahmen in Zwingenberg. Der Abschluss der Arbeiten ist bereits in Sichtweite.

Von 
Thomas Tritsch
Lesedauer: 
Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (5.v.l.) Informierte sich in Zwingenberg über die Flurbereinigung, zusammen mit Winzern und Kreisbeigeordneten Matthias Schimpf, (4.v.r.) und Jörg Ritter vom Amt für Bodenmanagment, (2.v.r.) © Thomas Neu

Zwingenberg. In den Akten heißt das Projekt „Bergsträßer Reben- und Blütenhang“: Ziele der Zwingenberger Flurbereinigung sind die langfristige Sicherstellung einer über viele Jahrzehnte entstandenen Kulturlandschaft, die Erhaltung des Weinbaus, die Förderung des Fremdenverkehrs und die Sicherstellung der ökologischen Vielfalt im Mikrokosmos Weinberg.

Sommertour als Treffpunkt für verschiedene Akteure

Nach etwa zehn Jahren der Planung und Vorbereitung wurde der sogenannte Luciberg im März 2021 zur Großbaustelle. Auf dem rund elf Hektar großen und 120 Flurstücke umfassenden Areal in der Lage „Alte Burg“ wurden etliche Weinbergsflächen neu zugeschnitten und terrassiert, naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen angelegt und Wege neu gebaut oder instandgesetzt.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

Das Verfahren stehe und falle letztlich mit der Zusammenarbeit der Akteure, sagte Thomas Knöll beim Treffen im Weinberg. Er ist Leiter des zuständigen Amts für Bodenmanagement und Geoinformation in Heppenheim und tauschte sich im Wingert mit Vertretern aus Politik, Landschaftsplanung und Weinbau über die Entwicklung der Flächen aus. Mit dabei auch Landschaftsplanerin Marita Möllenkamp, Vertreter der Teilnehmergemeinschaft und Mitglieder des Landschaftspflegevereins „Alte Burg“. Anlass war die Sommertour von Ingmar Jung. Der Winzersohn aus dem Rheingau ist seit Januar Minister für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Jagden, Forst und Heimat. Zwischen Stationen im Rheingau-Taunus-Kreis und Darmstadt-Dieburg stoppte er auch an der Bergstraße.

Projekt am Luciberg sollte eigentlich bereits 2019 abgeschlossen sein

Dort lobte er den Fortgang der Maßnahmen, die 2016 begonnen haben und im nächsten Jahr abgeschlossen werden sollen. Dann werden insgesamt rund 1,7 Millionen Euro in den Luciberg investiert worden sein. Von der 25-prozentigen Eigenleistung der Teilnehmergemeinschaft übernimmt die Stadt 130.000 Euro gemäß Parlamentsbeschluss.

Eigentlich sollte das Projekt bereits Ende 2019 abgeschlossen sein. Doch die Verzögerungen, die unter anderem durch knappes Personal und verspätete Fördermittelzusagen verursacht wurden, hätten sich gelohnt, so Knöll. Der Fortgang und das sichtbare Ergebnis in dieser sehr exponierten Zwingenberger Kulturlandschaft gebe den Akteuren Recht, die sich gemeinsam für eine Aufwertung dieses Bereichs stark gemacht haben. „Die Kommunikation untereinander hat gepasst.“

Alte Weinbergsanlagen und Betonwege wurden zurückgebaut

Sein Mitarbeiter Jörg Ritter skizzierte den Prozess. Noch 2017 war etwa die Hälfte der dortigen Flächen verbuscht, weitere Teilbereiche waren abgängig. Durch die Flurbereinigung sollte der ursprüngliche Charakter wiederhergestellt und eine Bewirtschaftung durch die hiesigen Winzer dauerhaft gewährleistet werden. Zur Erhaltung und langfristigen Sicherung des hohen ökologischen Werts auf dem Areal rund um die Luciberghütte wurden Trockenmauern saniert, Nisthilfen aufgehängt und eine Fläche für Halbtrockenrasen angelegt. Zentrales Projekt war die Anlage neuer Wingerte und deren Erschließung, um eine dauerhafte Bewirtschaftung zu ermöglichen. Die Vorarbeiten waren intensiv. Zunächst wurden auf den Maßnahmenflächen Brombeeren, Sträucher und Bäume entfernt sowie Grünflächen gemäht und entbuscht. Aufgrund der ökologischen Auswirkungen mussten Ruhephasen und gesetzte Fristen eingehalten werden.

Die Verbuschung des Hangs hatte in den vergangenen 15 Jahren um rund ein Drittel zugenommen. Durch die Rodung und Neuordnung konnte der Bestand nachhaltig gesichert werden, so Jörg Ritter. Dafür wurden die alten Weinbergsanlagen und Betonwege - nach der Weinlese 2020 - zurückgebaut und die Rebstöcke entfernt. 2021 begannen dann die Bauarbeiten mit der Neuanlage von Rebzeilen, Wegen und Mauern. Der Zwingenberger Hausberg präsentierte sich braun und kahl. Im Verlauf des Sommers begrünte sich die Fläche durch das Einbringen von Saatgut wieder. Der Bereich unterhalb des Wegs wurde querterrassiert. Die Rebzeilen wachsen dort seither quer zur Hanglage, um die Bewirtschaftung auf schwierigem Terrain zu erleichtern. Ein weiterer Vorteil dieser Struktur ist, dass sich das Niederschlagswasser nun länger im Boden hält.

Bewässerungssystem gilt als Höhepunkt des Systems

Die Etappen des Verfahrens hatte Landschaftsplanerin Marita Möllenkamp vom Amt für Bodenmanagement und Geoinformation in Heppenheim dokumentiert. Die Vorgabe: Das kleinräumige Mosaik des Hangs sollte trotz gezielter Eingriffe und neuem Zuschnitt grundsätzlich erhalten werden. Hinzu kam die Sanierung und Neuanlage der Trockenmauern, für die rund 300.000 Euro bewegt werden. Ende September soll diese Teilmaßnahme beendet sein, so Möllenkamp. Realisiert wird es vor Ort als sogenanntes Zyklopenmauerwerk oder Polygonalmauerwerk. Dabei handelt es sich um eine Sonderform des Bruchsteinmauerwerks aus sehr großen, unregelmäßigen Steinen, die sorgfältig aufeinander geschichtet sind. Der verwendete Granitstein stammt aus einem Steinbruch bei Heppenheim. Die Mauern haben eine Gesamtlänge von 110 Metern.

Als Höhepunkt des Verfahrens gilt das integrierte Bewässerungssystem. Eine Premiere an der Hessischen Bergstraße. Mit einer digital gesteuerten Tröpfchenbewässerung reagiert man auf die klimatischen Veränderungen der letzten Jahre mit ihren heißen und trockenen Sommern. Es geht um nicht weniger als den Weinbau der Zukunft. „Hier oben geht es nur mit Bewässerung, das war die Vorgabe“, betont Winzer Johannes Bürkle. Der Hang kann aufgrund seiner Bodenzusammensetzung Wasser kaum selbst halten. Jetzt wird zu Bewässerung der Weinberge Wasser aus den drei städtischen Quellen verwendet, die ursprünglich der Zwingenberger Trinkwasserversorgung dienten. Der Bewässerungsbedarf wird auf etwa 2000 bis 2400 Kubikmeter jährlich geschätzt, so Jörg Ritter, der das System als Herzstück des Projekts und hessenweites Alleinstellungsmerkmal bezeichnet.

Auch ökologische Belange spielen eine wichtige Rolle am Weinberg

Es gehe darum, viele kleine Parzellen intelligent und zielgerichtet mit wenig, aber ausreichend Wasser zu versorgen, so Winzer Jan Faber. Dafür wurde ein komplexes Rohrleitungssystem verlegt, über das Wasser häppchenweise in den Boden sickert. Gesteuert wird alles über fünf Verteilerboxen, die digital ohne Manpower auskommen und die verschiedenen Flächen 24 Stunden am Tag punkt- und zeitgenau bedienen. Auch für die Bewässerung wurden Fördermittel in Höhe von 75 Prozent gewährt. Die verbleibenden 25 Prozent übernimmt die Teilnehmergemeinschaft. Die Verteilerkästen sollen perspektivisch mit wechselnden Künstler-Motiven verschönert werden und so eine „Galerie im Weinberg“ entstehen, so Marita Möllenkamp. Dafür arbeitet man eng mit dem Förderkreis Kunst und Kultur Zwingenberg zusammen.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten spielten bei der Flurbereinigung von Beginn an auch ökologische Belange eine prominente Rolle. Dazu gehören auch die Planung einer Streuobstwiese im Bereich der Luciberghütte in direkter Nachbarschaft des Schauweinbergs. Die Wiese soll heimischen Insektenarten ein reiches Buffet bieten. Die Trockenmauern dienen als wertvolle Rückzugs- und Brutplätze. Eine solidarische Weinwirtschaft mit rund 40 Mitgliedern unterstützt diese Maßnahme, wie Gerold Hartmann mitteilte. Auf Dauer werde es ohne eine subventionierte Langzeitförderung aber nicht funktionieren.

Projekt sei wichtig für den Fremdenverkehr

Der Minister sagte, dass die Neugestaltung der Weinberge zudem einen wichtigen Beitrag zur Erosionskontrolle leisten. Zudem führe die künstliche Bewässerung durch eine konstante Durchfeuchtung der Weinbergsböden dazu, dass Starkregenereignisse besser abgefedert werden können, weil vermieden wird, dass trockener Boden innerhalb kurzer Zeit mit viel Niederschlagsmenge überschwemmt wird. Neben dem Erhalt des Weinbaus und der ökologischen Vielfalt im Wingert sei ein solches Projekt auch wichtig für den Fremdenverkehr. Nicht nur die Menschen, auch die einzelnen Branchen - Weinbau, Tourismus und Naturschutz - müssten eng zusammenarbeiten, um sichtbare Erfolg wie in Zwingenberg erzielen zu können. Es war nach einem Abstecher zu Weinlagenwanderung am Heppenheimer Steinkopf Ingmar Jungs zweiter offizieller Amtsbesuch an der Hessischen Bergstraße. Private kennt er die Gegend schon lange sehr gut. Der langjährige Leiter der Domäne Bergstraße der Hessischen Staatsweingüter, Heinrich Hillenbrand, hatte Jungs Vater einst in dessen Weingut unterstützt. Hillenbrand war damals Verwalter des renommierten Weinguts Schloss Reinhartshausen in Eltville.

Freier Autor

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke