Lesung

Im neuen Buch kommt Krimiautorin Ingrid Noll ohne Mord aus

Die Weinheimer Schriftstellerin stellte im Theater Mobile ihr jüngstes Werk „Gruß aus der Küche“ vor. Ein weiterer Roman der 89-Jährigen erscheint im September.

Von 
Eva Bambach
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Direkt und ohne Koketterie oder Starallüren beantwortete die Krimiautorin Ingrid Noll nach ihrer Lesung die Fragen des Mobile-Publikums. © Thomas Neu

Zwingenberg. „Ich kann doch machen, was ich will“, sagt Ingrid Noll vergnügt. Sie bezieht das nicht nur auf ihren Tagesablauf, bei dem sie das Schreiben grundsätzlich etwa hinter den Empfang von Besuchen zurücktreten lässt, sondern auch auf den Inhalt ihres neuesten, von seinen Vorgängern etwas abweichenden Buchs. Am frühen Sonntagabend stellte sie es im Theater Mobile in Zwingenberg vor: „Gruß aus der Küche“ heißt ihr jüngster Roman – und er kommt anders als ihre bisherigen Bücher, ganz ohne Mord (wenn auch nicht ohne Todesfall) aus.

Vier Ich-Erzähler und ein vegetarisches Restaurant

Und es wird nicht aus einer einzigen Perspektive berichtet, sondern es gibt gleich vier Ich-Erzähler: Irma Krugel, die wegen ihrer Körperfülle unter anderem als „nudeldicke Dirn“ verspottet wird und in ihrem hessischen Heimatort ein vegetarisches Restaurant führt. Dazu der gebildete Studienabbrecher Josch, ihr Lebensgefährte und Oberkellner, und die 16-jährige Lucy aus bestem Hause, die den Schulbesuch verweigert, nun im Restaurant jobbt und über Josch befindet:“… hammergeil und reinstes Boyfriend-Material“. Die vierte Stimme im Roman ist der greise „Gemüsemann“, Dr. Vinzent Soloth, der vormittags in der Küche Gemüse in gleichmäßige Würfel schneidet, um der häuslichen Einsamkeit zu entgehen.

Große und kleine Gemeinheiten

Könnte der Plot einen idyllischen Feel-Good-Roman erwarten lassen, so kann bei der Autorin Ingrid Noll davon natürlich gar keine Rede sein. Mit verständnisvollem, gleichwohl scharfem Blick schildert sie die kleinen und großen Gemeinheiten, die sich die Figuren einfallen lassen, um sich gegenseitig reinzulegen. Einen kleinen Einblick in diese „kleinen Verletzungen im ganz alltäglichen Leben“ bot die Autorin bei ihrer Lesung mit Kapiteln aus der Sicht jeweils eines der Protagonisten.

Als der Belegschaft des Restaurants ein pensionierter Lehrer wie jeden Samstagabend mit seinem dümmlichen, die Wirtin letztlich verhöhnenden Gesang auf die Nerven geht, leert Josch ihm das bestellte Bier über und Irma lässt seine Instrumente im Ofen überhitzen, statt sie wie versprochen zu trocknen. Das Ergebnis ist ein „Gruß aus der Küche“: Die Gitarre gut durchgebraten; dazu gibt es eine knusprig geröstete Mollenhauer-Flöte. Der Gemüsemann kann zwar kaum noch etwas sehen, ist dank eines verborgenen Hörgeräts aber nicht so stocktaub, wie alle denken und er muss sich das Grinsen arg verkneifen, als sich die drei anderen in seiner Gegenwart über das „Abendgebet des Greises“ amüsieren: „Oben klar und unten dicht, lieber Gott, mehr will ich nicht“.

Ein falscher Liebesbrief sorgt für amouröse Verwicklungen

Um der frechen Lucy einen gemeinen Streich heimzuzahlen (sie legte ihm wegen seiner schwachen Augen Plastikgemüse aufs Schneidbrett), schiebt er ihr einen falschen Liebesbrief von Josch unter, so dass sie nicht nur stundenlang vergeblich auf der Straße wartet, sondern anschließend auch noch von Josch ausgelacht wird. Doch ganz so abgeneigt ist dieser der attraktiven Jugendlichen gar nicht. Nach einem gemeinsamen Theaterbesuch, bei dem beide nicht mit offenen Karten spielen und sich unter anderem mit zuvor auswendig gelernten Faust-Zitaten intelligent hinters Licht führen, kommt es deshalb dann doch zu amourösen Verwicklungen.

Im Mobile hatte das Publikum ausführlich Gelegenheit, Fragen zu stellen, die Ingrid Noll sehr direkt und ohne Koketterie oder Starallüren beantwortete. Die Autorin berichtete unter anderem von ihrer Methode, die Figur der jugendlichen Lucy in zeitgemäßem Ton glaubwürdig erzählen zu lassen. Um Peinlichkeiten zu vermeiden, recherchierte sie besonders intensiv und ließ den Text von ihren Enkeln streng lektorieren.

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Die Fragen der Zuhörer galten auch der Verlagsfindung, der Konstruktion der Geschichten, möglichen Parallelen zwischen Figuren und realen Personen sowie dem Grund ihrer Entscheidung für das Krimigenre. Die Morde seien für sie eigentlich nicht so wichtig, erklärte die Autorin, aber das Krimi-Schreiben sei ihr anfangs erstmal einfacher erschienen. Inzwischen mache es ihr aber vor allem Spaß – und außerdem seien die Krimi-Kollegen weder abgehoben noch arrogant und von Grund auf friedlich.

Ingrid-Noll-Weg in Weinheim

Im September dieses Jahres wird Ingrid Noll 90 Jahre alt. Ungefähr dann wird auch ein neues Buch von ihr erscheinen. Es ist bereits in Arbeit. Doch um zu erfahren, worum es geht, muss sich das Publikum noch gedulden. Fest steht aber, dass es auch dazu wieder eine Lesung im Mobile geben wird.

Wer vorher noch etwas mehr von Ingrid Noll erleben möchte, kann sich in Weinheim auf ihre Spuren begeben. In der Innenstadt gibt es einen „Ingrid-Noll-Weg“ mit dreizehn Stationen, an denen Besucher über einen QR-Code mit dem Smartphone der Autorin und ihrem subtilen Humor lauschen können. Ein roter Hahn, der an ihren ersten Roman „Der Hahn ist tot“ erinnert, kennzeichnet den jederzeit zugänglichen literarischen Pfad.

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