Zwingenberg. Was für ein Abschluss der Zwingenberger Musik-Collagen: Bei ihrem ersten Auftritt in Deutschland hat das Desguin Quartett aus Belgien am Sonntagabend das Publikum begeistert. Wolfram Van Mechelen und Ludovic Bataillie (Violine) sowie Rhea Vanhellemont (Viola) und Cellist Pieter-Jan De Smet offenbarten maximale Spielfreude und hohe technische Klasse. Ein sympathisches Ensemble, das beweist, dass Klassik keine steife und verstaubte Angelegenheit sein muss.
Eine aufstrebende Größe
Es erstaunt daher nicht, dass die Musiker im vergangenen Jahr beim belgischen Supernova-Festival einen Haupt- und den Publikumspreis gewonnen haben. Eine Plattform für junge professionelle Kammermusik-Ensembles, die ein Stück weit die Zukunft der klassischen Musik abbilden. Mit seinem ganz eigenen Blick auf das Genre gilt das Quartett aber nicht mehr nur in der Heimat als aufstrebende Größe. Im gut besuchten Diefenbachsaal des „Bunten Löwen“ erklatschte sich das Publikum zwei Zugaben nach einem Programm, das die Musiker kurzfristig noch einmal verändert hatten.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Eine weitere Besonderheit ihres Zwingenberger Konzerts waren die Instrumente. Erstmals wurde das Darling-Baleine-Quartett des Violinenbauers Anton Somers aus Antwerpen bei einem öffentlichen Konzert gespielt. Entstanden waren die Instrumente durch die Initiative des Kölner Herausgebers und Sammlers Andy Lim, der am Sonntag ebenfalls anwesend war.
Entgegen der ursprünglichen Dramaturgie begann das Ensemble mit Joseph Haydns Streichquartett in B-Dur (op. 76). Der Untertitel „Sonnenaufgangsquartett“ bezieht sich auf die langsam gesteigerte Melodie der ersten Geige, die eine starke assoziative Qualität offenbart – als schwänge sich eine strahlende Tonfolge in mehreren Anläufen über weite Klangflächen zu einem Fortissimo empor. Aus der klanglichen Spannung aus Ruhe und Kraft entwickelt sich eine reizvolle Dynamik, die das Ensemble in seiner energetischen Wucht und konzentrierten Präzision grandios übermittelt hat. Auch die harmonischen Brüche und Dissonanzen im zweiten, recht meditativen Satz (Adagio) kamen in Zwingenberg brillant zur Geltung.
Ein Werk, das sich sukzessive zu einem meisterhaften Lichtcrescendo in vollem Glanz entfaltet. Ganz behutsam steigert sich die Figur, die man kaum als Thema bezeichnen möchte, zum Fortissimo. Über ein heiteres Menuett führt die Reise in ein rondohaft einsetzendes, überaus effektvolles Finale.
Es ist auch ein permanentes Suchen, Drängen und Aushandeln, das den Stil dieser Formation prägt und die innere Dynamik des Zusammenspiels ausmacht. Immer dialogisch und beredt, gleichermaßen aber auch auf unkonventionelle Art klangliche Perspektiven ausleuchtend, setzte das Ensemble musikalische Akzente, die das Zuhören zum Miterleben gesteigert haben.
Die beiden Werke von Rachmaninow wurden zugunsten belgischer Komponisten aus dem Spielplan des Abends entfernt. Bei allem Respekt eine gute Entscheidung. Vom 33-jährigen Komponisten Mathias Coppens, mit dem das Ensemble schon mehrfach zusammengearbeitet hat, war ein eigens für die Gruppe verfasstes Streichquartett zu hören. Dass Coppens in seiner Wahlheimat Los Angeles auch als Filmkomponist arbeitet, ist in seinem Stringquartet No.1 deutlich zu hören. Das Werk zeigt Dramatik und Emotion, epische Dichte und konzentrierte Spannung, die vom Ensemble traumwandlerisch souverän dargeboten werden. Aber auch der 1965 in Brügge verstorbene Joseph Ryelandt – Direktor des dortigen Konservatoriums – gehört zum Repertoire des Desguin Quartetts. Das spätromantisch-impressionistische, melodisch attraktive Adagio für Streichquartett des flämischen Spätromantikers besteht aus einem Satz und zeigt eine feine Balance zwischen romantischer Harmonie und dekorativer Polyphonie, die das Ensemble sehr sensibel und flüssig umgesetzt hat.
Gegründet am Königlichen Konservatorium Antwerpen, hat sich die Formation nach dem vorbeiführenden Desguinlei benannt. Wenig später wurden die Musiker an das Orpheus Institut für Kammermusik in Gent aufgenommen und ist aktuell Mitglied der renommierten Pro Quartet Akademie in Paris. Zu den Lehrern gehörten unter anderem Alban Berg und das Zemlinsky Quartet. Vor allem in Belgien und Frankreich ist das Quartett immer wieder mit namhaften Solisten zu hören. Und vielleicht hat der Auftritt in Zwingenberg den künstlerischen Wirkungskreis der vier Musiker nun auch Richtung Deutschland erweitert.
Als Zugabe folgten zwei kurze dänische Traditionals vom berühmten Danish String Quartet, das mit seiner Energie und mitreißenden Lust am Musizieren durchaus zum engeren Verwandtschaftskreis der Belgier gezählt werden kann. Auch diese Herren galten lange als Geheimtipp mit origineller Note und unkonventioneller Attitüde. Mit ihrem sensiblen, aber immer zupackenden und griffigen Klang könnte dem Desguin Quartett eine ähnliche Zukunft blühen.
Acht Konzerte an vier Tagen Der Förderkreis Kunst und Kultur ...
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg_artikel,-zwingenberg-grandioser-abschluss-der-zwingenberger-musik-collagen-_arid,1864932.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg.html