Zwingenberg. Komponist Stefan Hakenberg hörte am Sonntag ganz genau zu. Sein Werk „Orfeo On My Mind“ erlebte in Zwingenberg eine Weltpremiere in der Fassung für Cello und Piano. Cellist Michael Veit wurde von seiner Frau Wiltrud Veit am Flügel begleitet. Für das Publikum im Diefenbachsaal des „Bunten Löwen“ ein klanglich wie dramatisch aufwühlendes Erlebnis.
Orfeo ist der zentrale Charakter der Oper „Orpheus und Eurydike“ nach Christoph Willibald Gluck. Er beschließt, in die Unterwelt zu steigen, um Eurydike dem Totenreich zu entreißen. Nach der Online-Premiere im Frühjahr wurde das Werk jetzt erstmals live vor Zuhörern aufgeführt.
Perfektes Zusammenspiel
Die Art, wie Hakenberg klassische Motive dekonstruiert und neu montiert, kam in dem Werk besonders schön zum Ausdruck. Der Komponist war bis 2017 Leiter der Städtischen Musikschule an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt. Er hatte das Thema zuletzt auch in seiner Oper „Schau nicht zurück, Orfeo!“ ausführlicher verarbeitet. Mit einem Faible für Instrumente, die nicht der traditionellen westlichen Klassik zugeordnet werden können.
In Zwingenberg erklang sein Stück in puristisch klassischer Besetzung. An Verve und Energie, komplexer Dramaturgie und bildhaften Elementen mangelte es diesem Orfeo allerdings keineswegs. Das perfekte Zusammenspiel der Musiker ließ die theatralisch gefärbte und betont expressive Komposition umso unmittelbarer und plastischer erscheinen.
Das siebte Konzert im Rahmen der Reihe Musik-Collagen stand unter dem Titel „nach Arkadien“ und war am Samstagnachmittag noch von einer weiteren Uraufführung geprägt. Gemeinsam mit der in Tokio geborenen Violinistin Makiko Sano inszenierte das Trio, das als Ensemble „Soli fan tutti“ bekannt ist, eine weitere Orpheus-Variation des zeitgenössischen amerikanischen Komponisten Peter Gilbert.
Auch er hat seine vier „Sonette an Orpheus“ 2019 eigens für das Darmstädter Ensemble geschrieben. Es handelt sich dabei um einen Gedichtzyklus von Rainer Maria Rilke, der vom Mythos um Orpheus und Eurydice inspiriert worden war. Eine mitreißende, opernhaft schillernde Vertonung voll lyrischer Zitate und dramaturgischer Kontraste. Mit „Soli fan tutti“ hatte Gilbert, der gern Traditionelles mit Experimentellem vereint, schon öfter zusammengearbeitet.
Raritäten und Meisterwerke
Im Ensemble spielen Mitglieder des Staatsorchesters Darmstadt. Die Besetzung ist so variabel wie das Repertoire, das sich von Barockmusik bis zu zeitgenössischer Musik erstreckt. Neben Lieblingsstücken der Musiker und des Publikums erklingen oftmals Raritäten, weniger bekannte Meisterwerke und Uraufführungen.
Makiko Sano begann das Geigenspiel mit drei Jahren nach der Suzuki-Methode. Nach dem Studium an der Musikhochschule Hamburg folgten diverse Stipendien. Seit 2011 ist sie stellvertretende Konzertmeisterin im Staatsorchester Darmstadt.
Michael Veit hat in seiner Geburtsstadt München sowie in Detmold und Siena studiert. Er ist seit 1986 erster Solo-Cellist im Staatsorchester Darmstadt und Initiator der Konzertreihe, die 2009 den Darmstädter Musikpreis erhielt.
Bei der Programmplanung für die Zwingenberger Musik-Collagen war er auch künstlerisch eingebunden. Wiltrud Veit aus Heidelberg ist eine im Genre Kammermusik gefragte Pianistin mit internationaler Konzerttätigkeit.
Umrahmt wurden die Premieren von zwei Beethoven-Trios. Als Ouvertüre erklang ein Werk in B-Dur aus dem Jahr 1812, das Maximiliane Brentano, der damals zehnjährigen Tochter von Beethovens Freundin Antonie Brentano gewidmet ist. Es besteht aus einem einzelnen Satz, einem Allegretto, der eine verträumte und zuversichtliche Stimmung ausstrahlt. Anders das Trio Es-Dur für Klavier, Violine und Violoncello (op. 70,2), das im finalen Satz eine treibende und drängende Energie aufweist, die einem kroatischen Tanz (im Takt einer Gavotte) im zweiten Satz folgt.
Langer Applaus im Diefenbachsaal
Die fragmentierte Struktur äußerte sich in einem reizvollen dialogischen Spiel der Musiker, die sich tief in die raffinierte Balance aus unmittelbarer Vitalität und kalkulierter Ruhe einfühlten und dieses vielschichtige, zwischen Heiterkeit und Melancholie changierende Werk, zu einem großen Finale gemacht haben. Langer Applaus im Diefenbachsaal, dem noch eine kleine Zugabe folgte. tr
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