Zwingenberg. Auf die Gedenkfeiern aus Anlass des Volkstrauertags in den Friedhofskapellen von Zwingenberg und Rodau wurde 2020 mit Blick auf die Pandemie verzichtet. Am Sonntag fanden die Termine im kleinen Rahmen statt. Nach einer Kranzniederlegung am Ehrendenkmal im Orbis nahmen ein gutes Dutzend Personen an der anschließenden Gedenkveranstaltung in der Friedhofskapelle Zwingenberg teil, die vom katholischen Pfarrer Äneas Opitek geleitet wurde.
Der Geistliche betonte den Charakter des Tags als Anlass zum Gedenken aller Opfer von Krieg, Terrorismus und Gewaltherrschaft auf der ganzen Welt. Das Hoffen auf die Versöhnung zwischen den Menschen und den Völkern dauere weiter an. Es müsse nun darum gehen, Kriege abzuwenden und den „Übermut der Mächtigen“ zu brechen. Die Veranstaltung in Zwingenberg sei allein deshalb wichtig, um das Bewusstsein zu schüren und Leben zu schützen. Das Herzstück der kollektiven Erinnerung sei der lebendige Christus und die Botschaft, für die er stehe, so Opitek nach der musikalischen Eröffnung durch die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr Zwingenberg. Auch Organist Franz-Josef Hoehling umrahmte den Termin dem Anlass entsprechend klanglich sensibel.
Bürgermeister Holger Habich zitierte in seiner Rede ausführlich den österreichischen Journalisten, Schriftsteller und Übersetzer Martin Pollack. „Das Gedenken an die beiden großen Kriege des 20. Jahrhunderts und ihre zahllosen Opfer ist in Europa zur Tradition geworden, mehr noch, zu einer humanitären Verpflichtung, der wir uns nicht entziehen dürfen“, so der Autor. Es handele sich dabei nicht um leere Rituale, die in Sonntagsreden abgefeiert würden, sondern um einen integralen Bestandteil unseres Lebens, denn erst das gelebte Bekenntnis zur Vergangenheit mache uns zu dem, was wir sind. Dies gelte vor allem für die dunklen Seiten der Geschichte. Es gehe daher darum, in Gedenkfeiern nicht nur an die gefallenen Soldaten der ehemaligen Kriegsgegner zu erinnern, sondern auch an die Menschen, die jahrelang an den Rand gedrängt und verschwiegen worden seien. „Wir müssen die Topografie des Terrors noch genauer als bisher in den Blick nehmen, die zahllosen Konzentrations- und Vernichtungslager sowie das Gulag-System, die weite Teile Europas, von Sibirien bis in unsere Lande, wie ein dichtes Netzwerk des Schreckens überziehen“, so Pollack. Natürlich müsse man die Soldaten der unterschiedlichen Kriegsparteien einbeziehen, aber ohne Ansehen ihrer Herkunft, Nationalität und Uniform.
An den Gräbern mache dies keinen Unterschied mehr. Die besondere Verantwortung und Schuld, die gerade Deutschland auf sich geladen habe, dürfe dabei nicht vergessen werden. In diesem Zusammenhang müsse man zudem jener Menschen gedenken, die tapfer Widerstand geleistet und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben. „Sie wurden viel zu lang verschwiegen.“
Vor „Hurrapatrioten“ und Kriegstreibern sei ausdrücklich gewarnt, zitierte Habich weiter: Kein Krieg habe jemals etwas Edles und Heroisches an sich. Es gebe keinen einzigen Grund, den Krieg zu verherrlichen. Das Gedenken an den Krieg und seine Opfer müsse demnach immer verbunden sein mit dem Kampf um Demokratie. Das Erinnern spiele dabei eine wichtige Rolle, denn es schärfe den Blick und die Sinne des Menschen. „Das sind wir den Opfern schuldig, aber auch uns selber und unseren Nachkommen, die im wachen Wissen um die Geschichte aufwachsen mögen“, so der Bürgermeister in der Friedhofskapelle.
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