Reichenbach. Vor 83 Jahren passierte Ungeheuerliches, zum Jahrestag der sogenannten Reichspogromnacht gab es eine Gedenkfeier in der evangelischen Kirche in Reichenbach. Die Andacht gestaltete Pfarrer Jan Scheunemann.
Angst, Hass, zersplitterte Scheiben und brennende Synagogen seien es gewesen, die den 9. November 1938 prägten, so Scheunemann. Es habe ausgereicht, einer anderen Religion anzugehören, um Schreckliches zu erfahren. Heute könne man sich das Ausmaß dessen, was zu dieser Zeit direkt vor der Haustür passiert sei, kaum vorstellen, ergänzte er.
„Es sagt sich so leicht, ich hätte mich damals dagegengestellt“, gab Scheunemann zu bedenken. Andererseits hätte es gerade dessen bedurft. Das Bild, das die Deutschen zu dieser Zeit abgegeben hätten, sei sehr schwach gewesen. „Heute wird viel getan, und es werden Synagogen durch die Polizei geschützt“, erinnerte sich der Pfarrer an einen Besuch der Frankfurter Synagoge mit Konfirmanden, der noch nicht lange her ist. „Damit nicht noch einmal so etwas Schreckliches passiert, müssen wir wachsam sein.“ Miteinander sprechen und nicht übereinander, so die Botschaft des Pfarrers.
Als Bürgermeister Andreas Heun vor das Mikrofon trat, konnte er sich den Worten und Mahnungen Pfarrer Scheunemanns nur anschließen. Heun spannte den Rahmen über die Geschehnisse an diesem 9. November vor 83 Jahren hinaus. Schon im April 1933 sei es darum gegangen, dass man bei Juden nicht kaufen solle, erinnerte er. Das habe sich über Berufsausschlüsse gesteigert bis dahin, dass jüdische Kinder keine deutschen Schulen mehr hätten besuchen dürfen.
„Wie sieht es heute aus?“, so Heun weiter. Auch heute gingen viele schnell wieder zur Tagesordnung über, wenn Minderheiten ausgegrenzt würden, erinnerte der Bürgermeister. Lautertal mache da keine Ausnahme. Auch hier sei in jüngerer Vergangenheit ein Denkmal geschändet worden, das dem jüdischen Ehrenbürger Max Liebster gewidmet ist.
Heun appellierte an die Bürger, wachsam zu sein und sich bei solchen Vorkommnissen nicht wegzuducken. Er erinnerte zudem an das Zeichen der gelben Hand, das zunächst ein Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit am Arbeitsplatz gesetzt habe. Die abwehrende gelbe Hand sei innerhalb von wenigen Monaten zum gewerkschaftlichen Symbol und zum bundesweiten Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus geworden.
Nach der Andacht gingen die Besucher in die Bangertsgasse, wo die frühere Synagoge steht. Dort legte Bürgermeister Heun mit dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung, Helmut Adam, einen Kranz nieder.
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