Kommunalpolitik

Eine lebenswerte Stadt durch angemessene Geschwindigkeit

Mehrheit der Stadtverordneten ist für den Beitritt zu einer bundesweiten Initiative von Kommunen, die innerorts selbst über Tempo 30 entscheiden wollen.

Von 
Michael Ränker
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Auf der B 3 gilt in Höhe der Evangelischen Kita wegen des Gefährdungspotentials Tempo 30. Die Entscheidung über Geschwindig-keitsbegrenzungen auf übergeordneten innerörtlichen Straßen liegt beim Bund, eine Initiative will das ändern. © Ränker

Zwingenberg. Im weltweiten Netzwerk der „lebenswerten Städte“ – bei Cittaslow – ist Zwingenberg bekanntermaßen schon mit von der Partie. Jetzt soll das älteste Bergstraßenstädtchen noch einer weiteren Initiative beitreten, die ebenfalls aus Kommunen „lebenswerte Städte“ machen will, das aber mit einer anderen Zielrichtung: Bei der jüngsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung folgte eine knappe Mehrheit der Abgeordneten den nahezu gleichlautenden Anträgen von GUD und SPD, wonach Zwingenberg bei der bundesweiten Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeit“ mitmachen soll.

Mittlerweile setzen sich fast 450 Kommunen aus dem gesamten Bundesgebiet dafür ein, „beim Thema stadtverträgliche Geschwindigkeiten das Heft selbst in die Hand nehmen zu dürfen“, wie es auf der Webseite der Initiative (www.lebenswerte-staedte.de) heißt. Zwingenberg soll dem Beispiel seiner Nachbargemeinde Alsbach-Hähnlein folgen, die der Initiative bereits beigetreten ist.

Selbst Geschwindigkeitsregelungen treffen

Ziel der im Juli 2021 von den Städten Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm initiierten Zusammenarbeit ist es, bei der Bundesregierung zu erreichen, „dass die Kommunen selbst darüber entscheiden dürfen, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden – zielgerichtet, flexibel und ortsbezogen“.

Denn anders als bei den Ortsstraßen, auf denen ein Bürgermeister in seiner Eigenschaft als örtliche Ordnungsbehörde selbst Geschwindigkeitsregelungen treffen kann, wird das Tempo auf klassifizierten Straßen - Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen und natürlich auch auf Autobahnen - von übergeordneten Behörden angeordnet.

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Die Fraktion der Gemeinschaft für Umweltschutz und Demokratie mit ihrem Vorsitzenden Ulrich Kühnhold an der Spitze sowie die Fraktion der Sozialdemokraten unter der Leitung von Regina Nethe-Jaenchen stellten in ihren unabhängig voneinander formulierten Anträgen vor allem auf die Ausweisung von Tempo 30 auf den sogenannten klassifizierten Straßen ab.

Und eben das führte dazu, dass nicht alle Stadtverordneten den Beitritt zur Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeit“ billigten: Einige wurden den Eindruck nicht los, GUD und SPD wollten so auf der gesamten Bundesstraße 3 in der Ortsdurchfahrt von Zwingenberg Tempo 30 erreichen – was die beiden Fraktionen allerdings bestritten.

"Keine pauschale Tempo-30-Regelung"

Wenngleich Ulrich Kühnhold beteuerte, der Beitritt zu der Initiative „ist nicht das trojanische Pferd, um flächendeckend Tempo 30 einzuführen“, befürchtete CDU-Fraktionsvorsitzender Christoph Neumeister genau das. Weil es „unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten“ dessen gebe, was die Initiative bewirken wolle, sei Vorsicht geboten. Die CDU wolle nämlich „keine pauschale Tempo-30-Regelung“.

Wenn die Kommunen künftig in eigener Zuständigkeit entscheiden dürften, „führt das zu einem Flickenteppich“ und der Sinn von übergeordneten Straßen werde ad absurdum geführt. Und wer das Argument „mehr Sicherheit“ bemühe, dem müsse gesagt werden: Um die Sicherheit zu erhöhen, beispielsweise vor Kitas oder Schulen, sei Tempo 30 heute schon auf Bundesstraßen möglich.

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Neumeisters Fraktionskollege Sebastian Clever – selbst auch Gegner des Beitritts zu der Initiative -, räumte ein, dass die Idee, die Städte und Gemeinden das Tempo in ihren Gemarkungen selbst bestimmen zu lassen, „eine gute Sache ist“: „Die Kommunen können das am besten.“ Weil „Tempo 30 aber kein Allheilmittel ist“ und er befürchte, dass es bei der Initiative aber genau darum gehe, lehne er den Beitritt ab.

Ein unterschiedliches Meinungsbild gab es auch in den Reihen der FDP, für die Fraktionsvorsitzender Wolfgang Dams angesichts dessen, „dass wir in Zwingenberg fast überall schon Tempo 30 eingeführt haben“, fragte: „Was soll die Initiative für unsere Stadt noch bringen?“

Mehr Freiraum für die Kommune

Sein Fraktionskollege Rainer Willbrand sah das anders: Seit Jahren sei es schwierig, mit den für die Tempo-Regelungen auf Kreis-, Landes- und Bundesstraßen zuständigen Behörden „überhaupt zu kommunizieren“. Daher müsse man jetzt zumindest die Gelegenheit nutzen, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu bekommen.

So sah es auch GUD-Stadtverordneter Christoph Adlfinger-Pullmann: „Wann und wo Tempo 30 eingeführt werden soll, das ist doch eine völlig andere Diskussion.“ Zunächst gehe es doch nur darum, zu erreichen, „dass die Kommunen das selbst gestalten können“.

Rathauschef Holger Habich indessen machte die Stadtverordnetenversammlung darauf aufmerksam: „Das, was durch die Initiative erreicht werden soll, wird nicht erreicht werden.“ Denn wenngleich künftig auch über die Tempo-Frage auf klassifizierten Straßen tatsächlich vor Ort entschieden werden könne, „wird es keine Entscheidung von Ihnen als Gremien sein, sondern die eines Bürgermeisters als örtliche Ordnungsbehörde“.

Freier Autor

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