Zwingenberg/Bensheim. Das Theater Mobile ging fremd. Doch der kulturelle Sprung von Zwingenberg in die Bensheimer Nachbarschaft war oder ist kein dauerhaftes Exil, sondern ein rein künstlerisch bedingter Umzug. Denn für die Neue Philharmonie Frankfurt wäre die Bühne im historischen Gewölbekeller erheblich zu klein gewesen, so Vereinsvorsitzender Leo Ohrem im ausverkauften Parktheater. Zwar ist das Gitarren-Duo Café del Mundo mit Alexander Kilian und Jan Pascal ein treuer Gast in Zwingenberg, doch für die sinfonische Variante der Songs musste eine Alternative her, die nicht nur von den Dimensionen her harmonierte, sondern auch atmosphärisch geeignet war.
Das Bensheimer Publikum – darunter viele Zwingenberger – genoss also diesmal Flamenco-Gitarren in orchestraler Soundkulisse. Der Hintergrund ist das zehnte Album des Odenwälder Duos mit dem vielsagenden Titel „Symphonic“, das die Musiker 2023 zusammen mit dem Royal Philharmonic Orchestra in den Abbey Road Studios London aufgenommen haben.
Eine aufregende Liaison, die den Ohren schmeichelt
Und es hat sich gezeigt, dass die kunstvollen Saitenklänge mit der energetischen Noblesse eines klassischen Sinfonieorchesters sehr gut harmonieren. Vor allem bei den Stücken, bei denen die Bläser, Streicher und Pauken nicht allzu dominant ausfallen, sondern sich wie ein edler Hermelin um den virtuosen Gitarrenhals legen und eine elegante Einheit bilden. Dann wird aus der instrumentalen und stilistischen Fusion ein vitaler Dialog zwischen den Welten und eine aufregende Liaison, die wahrlich den Ohren schmeichelt.
Lediglich bei „Let Me Entertain You“ von Robbie Williams und wenigen anderen Stücken blieben die Gitarren akustisch etwas hinter dem voluminösen Orchestersound zurück. Jens Troester, seit 2018 Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Neuen Philharmonie, bewegte sich souverän in diesen teils monumentalen, teils fragilen und ätherischen Arrangements, die im Parktheater wunderbar plastisch und ausdifferenziert zu Gehör kamen. Ob Holz oder Harfe, Violinen oder Bratschen, Cello oder Blech, Bass oder Schlagwerk: die Homogenität des Ensembles offenbart die individuelle Klasse seiner Musikerinnen und Musiker. Das Orchester mit Sitz in Hanaus bewies in Bensheim, dass dies für sie nicht das erste Crossover-Projekt gewesen war. Seit 20 Jahren ist die Philharmonie auch zwischen den Welten unterwegs.
Die Menschen tanzen zu AC/DC, Leonard Cohen und Coldplay
Am Ende hielt es im Parktheater nur noch wenige auf ihrem Sitzplatz. Sie spendeten Ovationen im Stehen oder tanzten zur Musik. Neben eigenen Kompositionen und Arrangements von Sergei Rachmaninow (2. Klavierkonzert) oder reinen Gitarrenstücken wie dem „Adagio“ aus dem Concierto de Aranjuez von Rodrigo gaben Alexander Kilian und Jan Pascal auch Popklassiker wie „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ von U2 und „Viva la Vida“ von Coldplay sowie das leise „Halleluja“ von Leonard Cohen zum Besten.
Gefolgt von Medleys der Hardrock-Band AC/DC und einem Stück von Michael Jackson („Smooth Criminal“) geriet das Finale sehr laut und ausgelassen, was den sinfonischen Geschmäckern womöglich etwas zu wild war.
Jan Pascal und Alexander Kilian lernten sich 2007 bei einem Flamenco-Gitarrenworkshop kennen. Sie produzierten seitdem zehn gemeinsame Alben und eine Live-Aufnahme. In ihrer ersten Saison spielten sie 40 Konzerte zusammen, inzwischen sind es 120 Konzerte pro Jahr in England, Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Schweiz, Österreich oder Polen. Darunter Einladungen zu renommierten Events wie dem Rheingau-Musikfestival, die Slask Days (Polen) oder das Jazz Open Stuttgart. Meilenstein war bis dato ein Konzert im legendären Ronnie Scott’s Jazzclub London. Seit sieben Jahren gastieren sie nahezu regelmäßig im Theater Mobile in Zwingenberg. In Bensheim inszenierten sie mit „Crystallize“ eine Dubstep-Nummer von Lindsay Sterling einen bemerkenswerten Grenzgang mit viel Leidenschaft und musikalischem Gespür. Die Lust am inneren Reisen und am Überwinden von Barrieren spürt man in jedem Moment.
Internationales Niveau
Hinzu kommt die ausgeprägte Technik der Gitarristen, die sich auf internationalem Niveau bewegen: bei der Jazz-Fusion-Komposition „Spain“ von Chick Corea gipfelte dies in unbändiger Virtuosität und schnellem, mitreißend sicherem Spiel und furioser technischer Qualität. Das Thema des Stücks stammt aus dem langsamen Satz des „Concierto di Aranjuez“ von Jacquin Rodrigo. Corea hat daraus eine feurige Mischung aus konzertantem Stil und Modern Jazz geschaffen, die klanglich die Atmosphäre Spaniens beschwört und jedem Musiker viel Raum für Improvisationen lässt. Alexander Kilian war bei diesem Stück kaum noch zu bremsen.
In der zweiten Hälfte hörte das Publikum unter anderen noch „Wake Me Up“ von Avicii und ein Stück der dänischen Percussion-Band Safri Duo, bevor sich das Theater am Ende in eine ausgelassene Partymeile verwandelt hat. Unterm Strich ein Abend, bei dem man die Virtuosität und Rasanz sowie den Farbenreichtum von Jan Pascal und Alexander Kilian in alle Facetten – und mit massiven Kontrasten hautnah miterleben konnte. Nichts für orthodoxe Flamenco-Puristen, aber ein Fest für alle anderen. Die leisen, intensiven Momente kamen dennoch nicht zu kurz.
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