Gitarrensommer

Sechs Saiten tragen ein Klanguniversum

Das Festival im Alten Stadtsaal bringt in dieser Woche eine enorme Bandbreite an Stilrichtungen von der Weltmusik über Flamenco bis Bach

Von 
Marcus Oehler
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Speyer. Seit über einem Vierteljahrhundert bietet der Speyerer Gitarrensommer virtuose Gitarrenmusik verschiedener Epochen und Stilrichtungen, dargeboten von namhaften Künstlerinnen und Künstlern. Die große Bandbreite des Instruments wird mustergültig aufgezeigt – ein akustischer Leckerbissen für Fans der sechs Saiten. Der Begründer und künstlerische Leiter Christian Straube ist selbst Profi-Gitarrist und gibt sein Wissen als Lehrer weiter. Sechs Konzerte finden vom 15. bis 22. September im Alten Stadtsaal statt. Der bewusst intime und ungezwungene Rahmen der Veranstaltung macht sie seit jeher zu einem besonderen Erlebnis.

Zum Auftakt haben am Sonntagabend Mojo, Ringo und Blueswolf den Blues lokal gespielt: Jürgen „Mojo“ Schultz, Ringo Hirth und Wolfgang „Blueswolf“ Schuster stellten ihre neue CD mit Bluesklassikern vor.

Weiter geht es am Mittwoch, 18. September, 20.30 Uhr, mit Pierre Bensusan – speziell gestimmt: Dass Gitarristen die E-Saite gelegentlich auf D herunterstimmen, wissen Fans. So mancher Song profitiert davon. Der Franzose Pierre Bensusan, 1957 in Algerien geboren, hat sein Instrument komplett neu durchgestimmt, was mit der Abkürzung DADGAD ausgedrückt wird.

Dadurch klingt die Gitarre anders und muss natürlich auch anders gegriffen werden. Zugleich eröffnen sich neue klangliche Möglichkeiten. Entwickelt wurde diese Stimmung in den 1960er Jahren vom englischen Fingerstyle-Gitarristen Davey Graham, der den Klang und die Spielweise der arabischen Ud nachahmen wollte. Eine so gestimmte Gitarre klingt fast magisch, manchmal erinnert sie an verträumte keltische Musik wie beim Stück „Le Voyage pour l’Irlande“. Bensusan ist seit einem halben Jahrhundert ein Meister dieser speziellen Art, die inzwischen auch von anderen Musikern aufgegriffen wurde. Das Fingerpicking beherrscht er natürlich aus dem Effeff.

Mit seinem neuen Album „Azwan“ präsentiert Bensusan sein aktuelles Programm in Deutschland exklusiv im Alten Stadtsaal. Am Donnerstag, 19. September, hält Pierre Bensusan einen Workshop von 10 bis 13 Uhr. Anmeldung und Infos über kulturing@web.de.

Alles andere als „Monotone“

Wenn am Donnerstag, 19. September, 20.30 Uhr, das Ali Neander Organ Quartet auftritt, steht ein Mann auf der Bühne, den viele als Gitarristen der „Rodgau Monotones“ kennen. Neander ist freilich auch ein ausgewiesener Jazzer. Sein Projekt mit dem Organisten und Keyboarder Robert Schippers, dem versierten Studio- und Live-Drummer Ralf Gustke (dessen Bandbreite von Max Mutzke bis Barclay James Harvest und die Söhne Mannheims reicht) und der genialen studierten Jazz-Sängerin Caro Trischler vereint komplexe Arrangements, ausgeklügeltes Zusammenspiel und treibende Rhythmen. Die Musik ist eine turbulente Mischung aus Jazz, Soul, Funk, Fusion und Lateinamerikanischem und pendelt zwischen atmosphärischen Songs und virtuosem Zusammenspiel. Ein bisschen so, als hätte Tony Williams Rickie Lee Jones als Sängerin dabei.

Weltmusik-Verschmelzung ist am Freitag, 20. September, 20.30 Uhr, mit Dikanda angesagt. Musik wird überall auf der Welt gemacht, von Weißrussland bis Indien, vom Balkan bis Israel. Da gibt es Elemente aus dem Jiddischen, von den Roma und den Kurden. Dikanda, eine 1997 gegründete Folk- und Jazzband aus Stettin in Polen, lässt sich von solcher Musik inspirieren, fertigt daraus aber eigenständige, durchaus aufregende Kompositionen, die einen besonderen Reiz haben. Es ist daher kaum möglich, diese Band in eine Schublade zu stecken. In Speyer wird man die verbindende Kraft der Musik über alle Grenzen hinweg live erleben – vielleicht gerade heute eine notwendige und bestärkende Erfahrung. Dikanda spielt in der Besetzung Anna Czerniawska (Vocal/Akkordeon), Katarzyna Bogusz (Vocal), Pjotr Rejdak (Gitarre), Daniel Kazmarczyk (Schlagzeug), Grzegorz Kolbrecki (Bass), Dominik Bienczycki (Violine), Szymon Bobrowski (Trompete).

Meister des Flamencos:

Nicht zum ersten Mal ist Rafael Cortés am Samstag, 21. September, 20.30 Uhr, in Speyer zu Gast mit seinem Ensemble. Zuletzt spielte die Truppe beim Gitarrensommer 2021. Weltweit gilt der Großmeister als einer der führenden Virtuosen des „Flamenco-Nuevo“, einer Vereinigung des traditionellen Spiels in der Verbindung von Jazz und Weltmusik. (Beispiele mit Paco de Lucia oder den „Fantastischen Vier“ seien hier genannt). Aus der Tradition mit andalusischen Wurzeln, der Großvater war ebenfalls ein bekannter Flamenco-Gitarrist, erlebt bei Rafael Cortés die Flamencogitarre eine mitreißende Liaison von alt und modern, heißblütig und doch distanziert. Sein einzigartiges Können ist ein Feuerwerk, dessen Spiel die wahre Seele des Flamenco-Nuevo zum Leben erwecket.

Lautenklänge aus dem Barock von Johann Sebastian Bach ertönen am Sonntag, 22. September, 19 Uhr, bei Andreas Martin. Die Laute war vor der Gitarre das prägende Zupf- und Saiteninstrument, sowohl solistisch als auch im Ensemble. Von John Dowland über Silvius Leopold Weiss bis hin zu Johann Sebastian Bach reicht das große Repertoire der Komponisten für Lautenmusik, dass der Gitarrist und Lautenist Andreas Martin perfekt beherrscht.

1963 in Frankfurt geboren, studierte er bei vielen renommierten Lehrern und Instituten, darunter die in der Alten Musik maßgebliche Schola Cantorum Basiliensis in Basel. Mit dem Countertenor Andreas Scholl hat Martin unter anderem eine viel beachtete Einspielung englischer Folksongs vorgelegt.

Das Lautenwerk von Bach hat in ihm einen genialen Interpreten. Viele Gitarrenspieler dürften die „vielsaitige“ Laute für schwerer zu spielen als die klassische Gitarre halten. Wer Andreas Martin hört und sieht, wird von der scheinbaren Leichtigkeit und der verblüffenden Fingerfertigkeit fasziniert sein. zg

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