Zwingenberg. Jakob Kern, Alfred Kiel, Heinrich Zubrod, Jürgen Neue, Peter Stajkowski, Kurt Knapp, Dieter Kullak, Holger Habich – seit wenigen Tagen ist auf der Bürgermeister-Amtskette, die nur höchst selten aus dem Tresor des Zwingenberger Rathauses entnommen wird, ein neunter Name eingraviert: Sebastian Clever.
Der 44-jährige Christdemokrat wurde am 23. Februar mit 54,94 Prozent zum künftigen Rathauschef gewählt, seine sechs Jahre währende Amtszeit beginnt am 1. April – an diesem Donnerstag legte ihm Stadtverordnetenvorsteher Andreas Kovar nicht nur das besagte Geschmeide um den Hals, sondern verpflichtete ihn nach dem geleisteten Amtseid auch per Handschlag als Bürgermeister, während Erste Stadträtin Karin Rettig dem neuen Mann an der Spitze von Magistrat und Stadtverwaltung die Urkunde aushändigte, mit der seine Berufung ins Beamtenverhältnis auf Zeit dokumentiert wird.
Feierliche Amtseinführung in der Melibokushalle
Den festlichen Rahmen für diese Amtseinführung in der sehr gut besuchten Melibokushalle bildete eine Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, an die sich eine lange Rednerliste anschloss – wer auch wegen Sekt und Häppchen gekommen war, der musste sich mehr als zwei Stunden gedulden. Vorausgegangen war der Ernennung ein Ökumenischer Gottesdienst, zu dem die katholische Gemeindereferentin Lena Reischert und der evangelische Pfarrer Christian Hilsberg in die Kirche Mariae Himmelfahrt eingeladen hatten.
Andreas Kovar, dem es nach der Hessischen Gemeindeordnung als Stadtverordnetenvorsteher oblag, den neuen Rathauschef zu verpflichten, stellte seine Ansprache unter die Jahreslosung der christlichen Kirchen: „Prüfet alles und behaltet das Gute!“, gab er dem neuen Bürgermeister als „generelle Empfehlung“ mit auf den Weg.
Politische Reflexion und Lob für die Stadtverordneten
Kovar nutzte die Amtseinführung auch „für einen Moment des Innehaltens und der Reflexion über die aktuellen politischen Ereignisse“. In Zeiten geopolitischer Spannungen sowie dem Erstarken populistischer Bewegungen komme ihm Zwingenberg „in dieser aus den Fugen geratenen Welt“ beinahe wie eine „Insel der Glückseligen“ vor.
Den vier Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung – CDU, FDP, GUD und SPD - bescheinigte er „sich aus guten Überzeugungen heraus für das Wohl der Bürger einzusetzen“: „Wir haben keine Populisten, denen es mit scheinbar einfachen Lösungen in Wahrheit doch nur um Spaltung geht.“ Und so habe man auch bei der Bürgermeisterwahl, bei der neben Sebastian Clever auch Stefan Juchems angetreten war, „eine Auswahl zwischen zwei sehr guten Kandidaten gehabt.“
Dem neuen Rathauschef gab Kovar einen Ratschlag von Albert Schweitzer mit auf den Weg: „Das gute Beispiel ist nicht eine Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen – es ist die einzige Möglichkeit.“ Den Menschen in Zwingenberg rief er zu: „Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam beschreiten und Herrn Clever in seinem Amt unterstützen.“
Clever: „Ich will Bürgermeister für alle sein“
Von einem „gemeinsamen Weg“ sprach anschließend auch der neue Bürgermeister, der die Bürger – „auch die, die mich nicht gewählt haben“ – zum gemeinsamen Beschreiten des Weges einlud: „Ich will Bürgermeister für alle sein.“ Ziel aller Anstrengungen müsse es sein, so Sebastian Clever, Zwingenberg mit seinem Stadtteil Rodau als Kommune, „in der man gerne lebt“, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Ein „guter Bürgermeister“ müsse „hinschauen und zuhören“, „die Herausforderungen erkennen“ und „mit den Bürgern Lösungen entwickeln“. Eben das wolle er tun: „Unsere Stadt ist das, was wir aus ihr machen.“
Grußworte und Glückwünsche von hochrangigen Gästen
Regierungspräsident Jan Hilligardt eröffnete die zehn Grußworte umfassende Rednerliste und feierte die Amtseinführung „als Zeichen für eine funktionierende Demokratie“, die es zu verteidigen gelte. Als Bürgermeister trage Clever nicht nur Mitverantwortung für eine gute Entwicklung der Stadt, sondern auch der Region, sicherte Hilligardt dem neuen Rathauschef die Unterstützung seiner Behörde zu.
Landtagsabgeordnete Birgit Heitland, die seit vielen Jahren Mitglied der Zwingenberger Stadtverordnetenversammlung ist, stellte die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung für die Landespolitik heraus und beschenkte Clever im Hinblick auf seine Vorgesetztenrolle im Rathaus mit einem Buch, das einen vielsagenden Titel trägt: „Gute Chefs essen zuletzt.“ Landtagsabgeordnete Josefine Koebe wiederum zitierte mit „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ den Autoren Hermann Hesse und wünschte Clever, „dass der Zauber des Neubeginns noch möglichst lange anhalten möge“.
Erste Kreisbeigeordnete Angelika Beckenbach, die bis vor Kurzem selbst Bürgermeisterin war, machte es angesichts der langen Rednerliste unter dem Beifall des Publikums kurz: Sie empfahl Clever „gut zuzuhören und spontan zu sein“ – und übergab ihm ihren vorbereiteten Redetext zum Lesen in einer stillen Stunde. Manfred Dörr, Präsident von Cittaslow Deutschland – Zwingenberg gehört dem Internationalen Netzwerk lebenswerter Städte seit 2018 an – verwies auf Fußballtrainer Christian Streich, der in einem Interview die Frage nach einem möglichen Wechsel in die Politik klar verneint habe: Das sei schließlich der „schwierigste Beruf“, den man ausüben könne.
Nachbarkommunen und Weggefährten übermitteln ihre Wünsche
Aus den direkten Nachbarkommunen traten Bürgermeisterin Christine Klein (Bensheim) und Sebastian Bubenzer (Alsbach-Hähnlein) ans Rednerpult. Klein bekannte freimütig, dass sie bei der Zwingenberger Bürgermeisterwahl im Jahr 2013 gegen Amtsinhaber und Clever-Vorgänger Holger Habich angetreten und unterlegen ist, aber nach ihrem Wahlsieg in Bensheim eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Habich gepflegt habe. Diese möchte sie auch mit dem neuen Kollegen fortsetzen.
Klein zollte Clever für den Mut, „in unsicheren und unbequemen Zeiten“ das Bürgermeisteramt anzustreben, großen Respekt und wünschte ihm einen „breiten Rücken“, um auch Widrigkeiten aushalten zu können. Überdies lud sie zum Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit ein. Um die Fortsetzung der „guten Nachbarschaft“ ist auch Sebastian Bubenzer nicht bange: Mit dem neuen Zwingenberger Kollegen verbinde ihn schließlich nicht nur „das Parteibuch, sondern auch der Vorname“, witzelte er. Bubenzer wünschte Clever, „dass die Zahl der Lösungen immer die Zahl der Probleme übersteigen möge“.
Ex-Kollege von Clever: "Für uns ein Verlust, für Zwingenberg ein Gewinn"
Erste Stadträtin Karin Rettig, die seit dem Ausscheiden von Holger Habich Ende November die Geschäfte führt, machte auf gewohnt charmante und heitere Weise keinen Hehl daraus, dass sie sich nach anfänglichem Zögern jetzt doch nur schwer vom Amt der „Interims-Bürgermeisterin“ trennen könne. Sie zollte dem Rathausteam ein dickes Lob für die Unterstützung und sicherte dem neuen Rathauschef wiederum ihre Unterstützung zu: „Ich bin guter Dinge, dass du ein glückliches Händchen haben wirst“, überreichte Rettig ein Hufeisen als Glücksbringer.
Bevor Ulrike Fried-Heufel nicht nur als Vorsitzende des Förderkreises Kunst und Kultur Zwingenberg, sondern gewissermaßen auch für die ehrenamtlichen Akteure in der Stadtgesellschaft ganz allgemein die besten Wünsche überbrachte, gab Jan Habermann unumwunden zu: „Für uns ist es ein Verlust, für Zwingenberg ein Gewinn.“ Habermann, bislang Partner von Sebastian Clever in der gemeinsamen Patenanwaltskanzlei, bescheinigte seinem Ex-Kollegen und Freund: „Er kann gut zuhören, Entscheidungen treffen und er bewahrt immer die Ruhe“. Seinen bisherigen Beruf habe er mit „Herzblut, Pragmatismus und Weitsicht“ ausgeübt.
Musikalisch gestaltet wurde die Amtseinführung vom gut aufgelegten „Quartett“ des Gesangvereins Sängerkranz“ mit Anja Wetzel (Sopran), Karin Meinhardt (Alt), Volker Jakobi (Tenor) und Andreas Mayer (Bass). Nach der Deutschen Nationalhymne intonierten sie zwischen den Redebeiträgen und zum Schluss „Bridge over troubled Water“, „Ding a Dong“ sowie „Rather be“.
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