Zwingenberg. Die Kooperation der Stadt Zwingenberg mit der Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl zur Erstellung eines Denkmals für den Zwingenberger Johann-Georg Dieffenbach (1787 bis 1848) vertieft sich weiter. Nach der Erarbeitung Dieffenbachs politischer Aktivitäten zur Erstellung der ersten hessischen Verfassung von 1820, hatten die Schülerinnen und Schüler sieben verschiedene Entwurfsskizzen vorbereitet, welche die politischen Verdienste mit individuellen künstlerischen Gestaltungsmerkmalen ausdrückten. Mandatsträger aller in Zwingenberg aktiven Parteien wählten auf Einladung der Ersten Stadträtin Karin Rettig nun ihren Favoriten. Weitere Umsetzungsschritte stehen bevor.
Dieffenbachs „Wilde Landtage“ im Bunten Löwen
Passgerecht zum Thema hatte Erste Stadträtin Rettig Mandatsträger sowie die Schülerinnen und Schüler in den Diefenbachsaal im Obergeschoss des Bunten Löwen eingeladen – just das Gebäude, in dem Johann-Georg Dieffenbach im Februar und März 1819 zweimal zu sogenannten „Wilden Landtagen“ eingeladen hatte. Dort wurden wesentliche demokratisierende Forderungen der hessischen Verfassungsbewegung zusammengetragen, welche später Eckpfeiler des Verfassungswerkes darstellten.
Da die Mandatsträger zuvor nur bedingt mit dem Projektverlauf betraut waren, nutzte Projektleiter Frank Maus die Chance, allen Anwesenden die Besonderheiten des Dieffenbach‘schen Engagements vorzustellen. Kernpunkt war dabei, nachzuvollziehen, dass der damalige Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt und zu Rhein eine Bilderbuch-Karriere hingelegt hatte, sowie ausgewiesener Vertreter absolutistischer Staatsführung war. Ludwig war Günstling Napoléons und wurde mehrfach mit großzügigen Territorialzugewinnen beschenkt, sogar auf dem Wiener Kongress (1814/15), nachdem Napoléon in die Verbannung geschickt wurde. Gleichzeitig lehnte er demokratische Partizipation für die Bürgerschaft ab und verhinderte erfolgreich die Einführung einer Verfassung.
Staatliche Geheimdienststruktur in Hessen-Darmstadt
Hessen-Darmstadt wurde unter Ludwig I. sogar Zentrale staatlicher Geheimdienststrukturen zur „Unterdrückung demokratischer Umtriebe“ für den gesamten „Deutschen Bund“ – also alle deutschen Länder. Maus fokussierte: „Da Dieffenbach in diesem vergleichsweise ultra-reaktionär-feudalen Umfeld sein soziales und berufliches Lebenszentrum, den Bunten Löwen, als Tagungsort für revolutionäre und letztlich illegale Konsultationen der unterdrückten hessischen Demokraten aufs Spiel setzte, lässt begreifen, welch wichtiger Beitrag zur hessischen Demokratiegeschichte von Zwingenberg ausging.“
Unterstützung leisteten auch die Zweite Vorsitzende des Gesangvereins Sängerkranz, Katharina Ziemann sowie Holger Zinke von der Felsberg-Akademie. Beide begleiten das Projekt seit Anfang an und sind mittlerweile zu Projektpaten geworden. Ziemann und Zinke hielten fest: „Es ist gerade in heutiger Zeit , wo vielerorts demokratische Strukturen ins Wanken geraten, überaus wichtig, die Rolle unserer Heimat Zwingenberg für die hessische Demokratie ins Bewusstsein zu rufen.“
Suche nach geeignetem Standort
In einem Rundgang stellte der neu gewählte Bürgermeister Sebastian Clever mögliche Standorte für das entstehende Denkmal vor. So führte Clever Schülerinnen und Schüler sowie die Mandatsträger zu allen Seiten des Bunten Löwen, in die Scheuergasse und dem Umfeld des Rathauses. Auch über den Marktplatz als möglicher Standort wurde gesprochen. Letztendlich wurde sich die Gruppe aber mit großer Mehrheit einig, dass der Bunte Löwe der beste Standort für das neue Denkmal sei. Hierbei fasste man das rückwärtige gläserne Eingangsportal ins Auge, das dem Rathaus sowie der Altstadt zugewandt ist.
Sieben Entwürfe zur Auswahl
Künstler Klaus Weber, der schon mehrere Denkmäler in Heppenheim und Lautertal erfolgreich umgesetzt hatte, führte den praktischen Teil des Workshops durch. Hierbei standen zunächst die Entwurfsskizzen der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt – ganze sieben an der Zahl. Betont wurden hierbei Bild- und Symbolsprache der Entwürfe sowie materialtechnische Hinweise. So gelang es Weber, die Anwesenden mit den Schülergedanken vertraut zu machen, aber auch Umsetzungschancen abzuwägen: „Alle Entwürfe verdienen unseren Respekt und ein dickes Lob. Für die Umsetzungspraxis gilt es freilich, Vor- und Nachteile für spätere Betrachter sowie Finanzielles in genauen analytischen Blick zu nehmen. Am Ende soll ein umsetzbares und ausdrucksstarkes Ergebnis stehen, das Besucher und die Demokratie gleichermaßen unterstützt.“
Hände als Symbol für einen „Macher“
Schließlich bestimmten die anwesenden Mandatsträger ihren Favoriten. Das Rennen machte ein Entwurf von Louisa Wiechmann, Esra Basbas und Lara Hennenberger, welcher die Symbolik zweier Hände aufgreift. Die Schülerinnen führten hierzu aus: „Dieffenbach war ein Macher – daher das starke Symbol der großen Hände. Er verband das intellektuelle Nachdenken über wichtige demokratische Reformen mit dem Mut, Worten auch Taten folgen zu lassen. Dies gilt für die hessische Verfassungsbewegung 1815 bis 1820 genauso wie für sein ehrenamtliches Wirken in Zwingenberg, das ausgehend von christlich motivierter Nächstenliebe den Armen und Benachteiligten galt.“
Am Ende verständigten sich die Mandatsträger mit der Projektgruppe der Geschichtswerkstatt auf die nächsten Umsetzungsschritte: Landtagsmitglied Birgit Heitland brachte es auf den Punkt: „Wir Mitarbeitende aus CDU, Grünen, FDP und SPD wissen, dass Ihr am liebsten morgen mit dem Bau des Denkmals loslegen würdet. Zuvor braucht es jedoch Beschlüsse der verantwortlichen Gremien, in denen unsere Bürger engagiert sind. Das ist auch ein Stück Demokratie im Sinne Dieffenbachs.“ Über die Parteigrenzen hinweg sagte der neue Bürgermeister Clever zu, dass es demnächst eine entsprechende Umsetzungsvorlage für die Stadtverordnetenversammlung geben werde.
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